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MELDUNG/313: Verhandlung über den Aufruf zur Blockade des Atomwaffenlagers Büchel (DFG-VK)


Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
Pressemitteilung vom 24. April 2014

Verhandlung am Amtsgericht Koblenz, 30. April:
"Freispruch für Aufruf zur Blockade des Atomwaffenlagers Büchel!"

Das Amtsgericht Koblenz verhandelt am Mittwoch, 30.04.2014 (13:00 Uhr, Karmeliterstraße 14, 56068 Koblenz, Sitzungssaal 108), über die Strafbarkeit eines Aufrufs zur Blockade des Atomwaffenlagers Büchel.



Angeklagt ist der Heidelberger Friedensaktivist und Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Hermann Theisen, der den Blockadeaufruf im April und Mai 2013 vor dem Atomwaffenlager Büchel und dem Hauptbahnhof in Koblenz verteilt hatte. Damit wollte er für eine im August 2013 geplante 24stündige Sitzblockade vor dem Atomwaffenlager Büchel mobilisieren. Die Staatsanwaltschaft Koblenz lies die Flugblätter beschlagnahmen und klagte Theisen wegen Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111, § 240 StGB) an, da mit den Flugblättern zu Nötigungshandlungen aufgefordert worden sei.

Im August 2013 beschloss das Amtsgericht Koblenz, dass die Beschlagnahme der Aufrufe rechtmäßig gewesen sei und erließ einen Strafbefehl über 30 Tagessätze zu je 20 Euro. Da Theisen gegen diesen Strafbefehl Einspruch einlegte, verhandelt das Amtsgericht Koblenz nun über die Frage der Rechtmäßigkeit des Blockadeaufrufs und hat dafür sieben Zeugen (zwei Bundeswehrangehörige des Fliegerhorsts Büchel und fünf Polizisten) geladen.

Bereits am 27.02.2014 musste sich das Verwaltungsgericht Koblenz mit der strafrechtlichten Bewertung des Blockadeaufrufs befassen. Theisen hatte für Mai 2013 bei der Stadt Koblenz eine Kundgebung angemeldet und angekündigt, dabei auch jenes Flugblatt verteilen zu wollen. Die Stadt Koblenz untersagte die Verteilung daraufhin, da mit dem Flugblatt zu Straftaten aufgefordert werde und somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehe. Gegen dieses Verbot erhob Theisen Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz - und hatte damit Erfolg.

In seiner Urteilsbegründung erklärte das Verwaltungsgericht Koblenz, dass "die Untersagung des Verteilens der Flugblätter auf der angemeldeten Kundgebung als ein tiefgreifender Grundrechtseingriff einzustufen" sei. Gewaltfreie Aktionen gegen die Stationierung von Atomwaffen unterlägen, "auch wenn die Blockade einer öffentlichen Einrichtung geplant war, grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG, da sie als eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinsamen, öffentlichen Meinungskundgabe in plakativer oder aufsehenerregender Weise einzustufen" seien. Die Kammer teile somit "nicht die Einschätzung der Beklagten (Stadt Koblenz), die Verteilung dieses Flugblatts hätte zu einer strafbaren öffentlichen Aufforderung zu einer Nötigung im Sinne der §§ 111,240 StGB geführt." (Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 27. Februar 2014, 1 K 628/13.KO)

Einen nahezu identischen Blockadeaufruf hatte Theisen mit anderen Friedensaktivisten bereits 1987 vor dem Atomwaffenlager Hasselbach verteilt, worauf er damals wegen Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten rechtskräftig verurteilt worden war. Nachdem er es abgelehnt hatte, die Geldstrafe zu zahlen, wurde er in der Justizvollzugsanstalt Mainz in Erzwingungshaft genommen und anschließend wurde von der Staatsanwaltschaft Mainz von Amts wegen ein Gnadenverfahren eingeleitet, dem der damalige rheinland-pfälzische Justizminister Caesar stattgab. Jahre später wurde das Verfahren aufgrund einer neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben, Theisen wurde rückwirkend freigesprochen und erhielt Haftentschädigung für die Erzwingungshaft.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Koblenz ist die Verteilung eines solchen Flugblattes inzwischen aber wieder strafbar, da sich die Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht zur Nötigungsproblematik erneut geändert habe und jetzt die sog. 2. Reihe-Rechtsprechung gelte, wonach ein solcher Aufruf zur Sitzblockade eben doch wieder strafbar sei.

Für Theisen ist die Haltung der Staatsanwaltschaft Koblenz "in keiner Weise nachvollziehbar." Mit Blick auf die anstehende Gerichtsverhandlung rechnet er "fest mit einem Freispruch, denn das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit seiner Bewertung des Flugblattes seinen Kollegen vom Amtsgericht Koblenz geradezu eine Steilvorlage für einen Freispruch geliefert. Alles andere wäre doch einfach nur kafkaesk und ließe am gesunden Menschenverstand zweifeln", so Theisen.

Rechtsanwalt Martin Heiming (Bundesvorsitzender des Republikanischen Anwältevereins) wird Theisen verteidigen, er hatte bereits erfolgreich die Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz geführt.

Roland Blach (Bundessprecher der DFG-VK, Koordinator der Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt") erklärt zu dem Strafverfahren: "Gewaltfreie Sitzblockaden aus Protest gegen die Lagerung und Bereithaltung von Atomwaffen sind rechtmäßig und geboten. Atomwaffen sind völkerrechtswidrige, inhumane Massenvernichtungswaffen. Für deren Verbot wird sich die bereits dritte Staatenkonferenz zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen in Wien im Dezember 2014 einsetzen."

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Quelle:
Pressemitteilung vom 24. April 2014
Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
E-Mail: presse@dfg-vk.de
Internet: www.dfg-vk.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2014