Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

MELDUNG/311: Oberlandesgericht München verurteilt Friedensaktivsten (Grundrechtekomitee)


Komitee für Grundrechte und Demokratie
München/Köln/Heidelberg, 23.04.2014

Oberlandesgericht München verurteilt Friedensaktivsten wegen Aufforderung zum Geheimnisverrat zu 2.600,- Euro Geldstrafe wegen Verteilens eines Flugblattes vor dem Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann



Während sich inzwischen offenbar auch Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel gegen einen Verkauf von Leopard 2-Panzern an Saudi-Arabien ausgesprochen hat, muss ein Rüstungsgegner für seinen Protest gegen den in Rede stehenden Panzer-Deal eine hohe Geldstrafe zahlen.

Der Heidelberger Friedensaktivist Hermann Theisen hatte im Juli 2012 Flugblätter vor Rheinmetall (Düsseldorf) und Krauss-Maffei Wegmann (München) verteilt, um damit gegen eine Lieferung von Leopard 2-Panzern an Saudi-Arabien zu protestieren. Kurz zuvor sickerte in den Medien durch, dass Krauss-Maffei Wegmann dem Bundessicherheitsrat eine Voranfrage für diesen Rüstungsexport vorgelegt hatte.

Die Flugblätter wiesen auf die katastrophale Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien hin, wobei sichTheisen auf entsprechende Informationen des Auswärtigen Amtes und auf den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung bezog. "Rüstungsexporte sind nach deutschem und europäischem Recht dann verboten, wenn die ausgeführten Waffen zu Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden können, denn gemäß der 'Politischen Grundsätze zum Waffen- und Rüstungsexport' sind Rüstungslieferungen an Länder in Spannungs- und Krisenregionen nicht zulässig", hieß es in den Flugblättern.

Theisen forderte die Mitarbeiter der Rüstungsschmieden auf, ihren informationellen Einblick in die Prozessabläufe des geplanten Panzer-Deals der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, nachdem sich sowohl der Bundessicherheitsrat, als auch die Rüstungskonzerne beharrlich weigerten, den Deutschen Bundestag und die Zivilgesellschaft über den Hintergrund des geplanten Rüstungsexports zu informieren.

Daraufhin wurde der Friedensaktivist wegen Aufforderung zum Geheimnisverrat angeklagt.

Während die Staatsanwaltschaft Düsseldorf das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft Heidelberg abgegeben hatte und es dort eingestellt worden ist, da die Flugblätter nicht strafbar seien, wurde Theisen nun vom OLGMünchen wegen Öffentlicher Aufforderung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 111 StGB, § 17 UWG) zu einer Geldstrafe von 65 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt (OLG München, 4 OLG 14 Ss 539/13).

In dem Rechtsstreit hatte sich der Mitinhaber von Krauss-Maffei Wegmann und entschiedener Gegner einer Panzerlieferung an Saudi Arabien, Burkhart Braunbehrens, bereit erklärt, als Zeuge vor Gericht auszusagen, denn das Rüstungsgeschäft sei mitnichten geheim gewesen und somit hätten auch gar keine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisseverraten werden können, so Braunbehrens. Der Beweisantrag wurde vom Landgericht München jedoch abgelehnt, da er als "wahr" unterstellt werden könne. Dennoch wurde Theisen jetzt vom OLG München wegen Aufforderung zum Geheimnisverrat verurteilt.

Rechtsanwalt Martin Heiming (Vorsitzender des Republikanischen Anwältevereins) trug in der Revision vor, dass die Flugblattverteilung nicht öffentlich stattgefunden habe, weshalb es unzulässig sei, Theisen wegen Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu verurteilen. Dem widersprach das OLG München nun: "Die Aufforderung zu Straftaten muss nämlich nicht geeignet sein, eine Begehung der Straftaten zu erreichen. Die Empfänger müssen nicht taugliche Täter derjenigen Tat sein, zu welcher aufgefordert wird", so der 4. Strafsenat des OLG München in seiner Entscheidung.

Für Theisen ist die Entscheidung des OLG München nicht nachvollziehbar. Er sieht sich in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzt, weshalb er Verfassungsbeschwerde gegen die OLG-Entscheidung erheben wird: "Die vor Krauss-Maffei Wegmann verteilten Flugblätter haben nichts weiter als einen rechtswidrigen Rüstungsdeal skandalisiert, so etwas kann nicht strafbar sein. Deshalb hoffe ich sehr, dass die Entscheidung des OLG München vom Bundesverfassungsgericht korrigiert werden wird, denn das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist eine fundamentale Säule unserer demokratischen Grundordnung", so Theisen.

Martin Singe (Referent beim Grundrechtekomitee und Initiator der Kampagne "Legt den Leo an die Kette") erklärt zur Entscheidung des OLG München: "Das Urteil des OLG München ist ein fundamentaler Angriff auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Wenn Protest gegen Rüstungsexporte an Regime, die Menschenrechte mit Füßen treten, mit strafrechtlichen Mitteln unterdrückt werden soll, ist das ein Armutszeugnis für diesen Rechtsstaat. Die Rüstungsexportpraxis der Bundesregierung samt der Geheimhaltungspolitik des Bundessicherheitsrates müssen grundlegend verändert werden. Auf keinen Fall dürfen Rüstungsexporte an Staaten gehen, die in Kriegs- oder Krisenregionen liegen oder die massive Menschenrechtsverletzungen begehen."

*

Quelle:
Mitteilung vom 23. April 2014
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Aquinostr. 7 -11, 50670 Köln
Telefon 0221 97269 -30; Fax -31
E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
Internet: www.grundrechtekomitee.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2014