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MELDUNG/183: Verfassungsschutz - Jahrelang engagiert gegen Links (RAV)


Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. - 24.02.2012

Verfassungsschutz: Jahrelang engagiert gegen Links

Gerichtstermin: 1.3.2012, 10.00 Uhr, Saal 1202 (Aushang im Eingangsbereich beachten), VG Berlin, Kirchstr. 7, 10557 Berlin


Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) überwachte von November 1998 bis Oktober 2006 linke Aktivisten in Berlin unter dem Vorwand, sie seien Mitglieder der damals agierenden "militanten gruppe" oder würden diese unterstützen. Betroffen sind sechs Einzelpersonen, eine Bio-Bäckerei und ein Anwaltsbüro. Der Bundesgerichtshof hat am 11.3.2010 entschieden, dass die Überwachung aus strafrechtlicher Sicht rechtswidrig war, weil es gegen die Betroffenen keinen hinreichenden Anfangsverdacht gegeben habe.

Am 1.3.2012 wird vor der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin darüber verhandelt werden, ob die Überwachung auch aus verwaltungsrechtlicher Sicht rechtswidrig war. Das BfV behauptet, seine Kompetenzen würden wesentlich weiter reichen als die strafrechtlich zugelassenen Überwachungsspielräume. So habe es gegen die betroffenen Personen Anhaltspunkte gegeben, die die Annahme gerechtfertigt hätten, dass diese mit der "militanten gruppe" in Verbindung stünden. Schlagender Beweis dafür sei, dass die Betroffenen zu linken Themen engagiert gewesen seien und ihnen in all den Jahren der Überwachung nichts an illegalen Aktivitäten nachzuweisen gewesen sei. Dadurch sei ein hohes Maß an Konspiration zu vermuten gewesen.

Rechtsanwalt Volker Gerloff, der die Betroffenen vertritt, sagt dazu: "Insbesondere die Logik, dass jemand, dem nichts nachzuweisen ist, sich besonders verdächtig macht, lässt erhebliche Zweifel an der Seriosität der Arbeit des BfV erkennen. Über viele Jahre konnte den Betroffenen trotz umfangreicher Überwachung nichts vorgeworfen werden. Die Reaktion war nicht der Abbruch der Überwachung, sondern die Intensivierung und Ausweitung derselben." Sämtliche Konstruktionen, die das BfV nun zur Rechtfertigung seines Verdachts bemüht, wurden bereits vom BGH für untauglich befunden.

Insbesondere die Überwachung eines Anwaltsbüros, das auch Mandanten aus der linken Szene vertritt, muss hier aufmerken lassen, da das besonders geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant betroffen ist. Die Rechtfertigung des BfV für diese Maßnahme ist, dass eine verdächtige Person die Telefonanschlüsse des Anwaltsbüros nutzen konnte. Damit wurden über ein Jahr lang die vertraulichen Gespräche mehrerer Anwälte abgehört.

Auch das Verfahren zur Überwachung durch das BfV wird vor dem Verwaltungsgericht Berlin angegriffen. Laut Gesetz muss das BfV die Überwachung beim Bundesministerium des Innern (BMI) beantragen; dieses muss wiederum die Zustimmung der sogenannten G-10-Kommission einholen. Die G-10-Kommission wird vom Bundestag eingesetzt und soll sicherstellen, dass die Überwachungsmaßnahmen des BfV parlamentarisch kontrolliert werden.

Allein die vom BfV im Gerichtsverfahren vorgelegten Teile umfassen elf Aktenordner. Die Überprüfung der Überwachungsanträge des BfV wurde jedoch durch das BMI und die G-10-Kommission noch am selben Tag bewilligt. "Es ist schlicht unmöglich, diese Anträge an einem Tag zu erfassen, zu erörtern und dazu eine Entscheidung zu treffen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass das gesetzlich vorgeschriebene Kontrollinstrumentarium vollständig versagt hat", so Rechtsanwalt Gerloff.

Angesichts der Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz bezüglich eines nachsichtigen Umgangs mit dem Rechtsextremismus muss einmal mehr festgestellt werden, dass das Engagement gegen Links beim Verfassungsschutz offenbar irrational groß ist.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 24. Februar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2012