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MELDUNG/138: Deutschland braucht Schutzregeln für Whistleblower (IALANA)


IALANA
Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen
Für gewaltfreie Friedensgestaltung
Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms

Pressemitteilung vom 22. Juli 2011

IALANA begrüßt Heinisch-Urteil des EGMR
Deutschland braucht Schutzregeln für Whistleblower


"Es besteht eine große Kluft zwischen der Interpretation der Grundrechte durch die deutschen Fachgerichte bis zum Bundesverfassungsgericht und dem Grundrechtsverständnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg", kommentierte Otto Jäckel, Vorsitzender der deutschen IALANA das Heinisch-Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs vom 21.07.2011. Wir freuen uns und sind auch ein bisschen stolz darauf, dass wir mit der Verleihung des Whistleblower-Preises an Frau Heinisch 2007 durch die deutsche IALANA und die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler zu einer öffentlichen Debatte über den Fall beigetragen haben, so Jäckel. Frau Heinisch hatte als Beschäftigte in einem Berliner Altenheim auf Missstände in der Altenpflege aufmerksam gemacht, die vor allem durch Personalmangel verursacht waren. Die von ihr bemängelten Notstände waren durch einen Kontrollbesuch des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in dem Altenpflegeheim bestätigt worden. Es ging um die unzureichende Erfüllung der Pflegestandards und eine mangelhafte Gestaltung der Dokumentation. Nachdem die Geschäftsführung der VIVANTES-GmbH, bei der Frau Heinisch beschäftigt war, ihre Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen hatte, beauftragte sie ihren Anwalt mit der Erstattung einer Strafanzeige. Darin machte sie darauf aufmerksam, dass die Firma wissentlich die in ihrer Werbung versprochene hochwertige Pflege nicht leiste und somit die bezahlten Dienstleistungen nicht erbringe. Darüber hinaus gefährde sie die Patienten. Nachdem die Firma durch ein Flugblatt von ver.di von der Strafanzeige erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Arbeitsgericht Berlin sah zwar aufgrund der von Frau Heinisch erhobenen Kündigungsschutzklage einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht als gegeben an.

Die Entscheidung wurde jedoch von dem Landesarbeitsgericht Berlin aufgehoben und dessen Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht und das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Gegen die Entscheidung der von dem Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geführten siebenköpfigen Kammer kann die Bundesregierung nun binnen drei Monaten die Anrufung der Großen Kammer des Gerichts beantragen. Die Entscheidung ist also noch nicht rechtskräftig", so Jäckel. Sie zeige aber, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in der deutschen Rechtsprechung zukünftig in Fällen von Whistleblowing wesentlich höher zu bewerten sei als die Interessen von Betrieben und Verwaltungen an der Geheimhaltung von Missständen. Zudem sei nun der Gesetzgeber gefragt, zur Vereinheitlichung der Praxis die Rechtsprechung des EGMR in Whistleblower-Schutzregelungen umzusetzen. Hierzu lägen dem Bundestag seit langem ausgearbeitete Vorschläge vor, so Jäckel.

Otto Jäckel
Rechtsanwalt


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Quelle:
Pressemitteilung vom 22. Juli 2011
IALANA Geschäftsstelle, Schützenstr. 6a , 10117 Berlin
Tel. (030) 20 65-48 57, Fax (030) 20 65-48 58
E-Mail: info@ialana.de
Internet: www.ialana.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2011