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MELDUNG/026: Prozeß gegen Kletteraktivistin spitzt sich zu - Fortsetzung am 15. April (Cécile Lecomte)


Cécile Lecomte - Pressemitteilung, 13. April 2010

Prozess gegen Kletteraktivistin spitzt sich zu - Fortsetzung am 15. April


Trotz einer weiterhin sehr dürftigen Beweislage spitzte sich der Prozess gegen Kletteraktivistin Cécile Lecomte am zweiten Verhandlungstag Ende März in Frankfurt zu. Der nicht vorbestraften Angeklagten, die wegen verschiedener Kletteraktionen u.a. gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens seit Mitte März vor dem Amtsgericht steht, drohte die Staatsanwaltschaft am zweiten Verhandlungstag mit einem Haftbefehl. Zeitgleich erhielt die Aktivistin einen Beschluss vom Oberlandesgericht Frankfurt, der ihr die Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Freiheitsentziehung nach diversen Kletteraktionen in der Frankfurter Innenstadt bescheinigt. Der Strafprozess wird am 15. April um 13.00 Uhr im Schwurgerichtssaal 146 A fortgesetzt. Empörte ZuschauerInnen reichten nach dem letzten Prozesstag am 31. März Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Richter Henrici und Staatsanwalt Links ein.

Vor Gericht muss sich die Aktivistin wegen ihrer Beteiligung an Demonstrationen gegen den Flughafenausbau im ehemaligen Kelsterbacher Wald (Harvesterbesetzung und Baumbesetzung) sowie wegen einem luftigen Spaziergang auf dem Dach des Frankfurter Hauptbahnhofs verantworten. Im Laufe des ersten Prozesstages konnte weder die Nötigung des Harvesterfahrers bewiesen werden, noch der angebliche Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Der Vorwurf der Nötigung fiel mangels eines erkennbaren Nötigungsopfers aus - der Harvesterfahrer war laut Zeugenaussage in der Mittagspause, als die neun DemonstrantInnen die Maschine erklommen. Auch der angebliche Widerstand bei der Räumung aus dem Harvester konnte nicht belegt werden, viel mehr wurde die Missachtung von Höhenrettungssicherheitsvorschriften durch die Polizei zu Tage gefördert.

Grundlage für weitere Anklagepunkte sind Strafanträge wegen Hausfriedensbruch. Die Verteidigung bezweifelt im Fall Kelsterbach, dass der Flughafenbetreiber Fraport, der Strafantrag gestellt hatte, in dem Wald, der der Stadt Kelsterbach gehörte, das Hausrecht ausüben darf - trotz einer Besitzeinweisung durch das Regierungspräsidium Darmstadt. Fraport hatte lediglich die Sachherrschaft. Bereits am ersten Prozesstag hatte die Verteidigung erhebliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Strafantrages der DB Station&Service AG geäußert. Die Staatsanwaltschaft beauftragte darauf hin die Polizei damit, bei der DB Station&Service AG eine nachträglich veränderte schriftliche Vollmachtsregelung telefonisch zu erwirken. Ein Vorgehen, was Richter Henrici billigte, obwohl dies nach der Strafprozessordnung nicht zulässig ist, wie die Verteidigung betonte. Dieser Versuch der nachträglichen Richtigstellung scheiterte jedoch, weil die nachträgliche Vollmachtsregelung für das Stellen des Strafantrages ebenfalls fehlerhaft war. Formal juristisch sind somit alle Strafanträge ungültig.

"Allein juristisch müsste es einen Freispruch geben - politisch wollen sie aber eine Verurteilung", fasste ein Prozessbeobachter zusammen. Dies zeigte sich ebenfalls im weiteren Verlauf der Verhandlung. Nach der Zeugenvernehmung sagte die Angeklagte, dass sie ihren letzten Zug erreichen müsste, andernfalls würde sie einen vor Monaten geplanten Facharzt-Termin versäumen - angesichts ihrer chronischen Krankheit und Behinderung sei ihr der Termin sehr wichtig, betonte sie dabei. Richter Henrici weigerte sich, dem Antrag statt zu geben. Der Staatsanwalt, Martin Links, drohte weiter mit einem Hauptverhandlungshaftbefehl, falls die Angeklagte einfach gehen sollte.

"Die durch den Staatsanwalt angedrohte Inhaftnahme von Cécile ist für mich der eigentlich größte Skandal," berichtete ein empörter Prozesszuschauer. Inzwischen haben mehrere schockierte ProzessbeobachterInnen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Staatsanwalt Links und Richter Henrici eingereicht.

Die Verhandlung wird am 15. April fortgeführt - weiterhin im Hochsicherheitssaal mit Trennscheibe zwischen Publikum und Gericht. Am Donnerstag kommt möglicherweise auch der Urteilsspruch durch Amtsrichter Henrici. Dies wird jedoch voraussichtlich nicht das letzte Wort gewesen sein. Es ist damit zu rechnen, das der Fall wegen der aufgeworfenen grundsätzlichen Rechtsfragen in Sachen Hausfriedensbruch bis zum Oberlandesgericht führt. Ausgerechnet am zweiten Verhandlungstag erhielt die Angeklagte einen Beschluss vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main, was sowohl für das Amts- als auch für das Landgericht Frankfurt einen heftigen Rückschlag bedeutet. Das OLG stufte die Ingewahrsamnahme der Aktivistin in Zusammenhang mit Kletteraktionen an Fassaden - darunter am Hauptbahnhof - als rechtswidrig ein. In seinem Beschluss setzt sich das Gericht lange mit dem juristischen Begriff Hausfriedensbruch und seiner Auslegung auseinander.

Eichhörnchen, 13.4.2010



Weitere Informationen:

Homepage der Aktivistin
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/de.html

Homepage der WaldbesetzerInnen
http://waldbesetzung.blogsport.de/

Beschluss vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/Fassadenklettern-OLG-Beschluss-2010.pdf

Beispiele von Dienstaufsichtsbeschwerden
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/DAB-Henrici-Links-Waldbesetzungsprozess-Frankfurt2010.pdf


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Quelle:
Pressemitteilung, 13.04.2010
Cécile Lecomte
Internet: www.eichhoernchen.ouvaton.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2010