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INTERNATIONAL/325: Urteile in Rom gegen ehemalige Offiziere und Polizisten militär-faschistischer Diktaturen Südamerikas (Gerhard Feldbauer)


Urteile in Rom gegen ehemalige Offiziere und Polizisten militär-faschistischer Diktaturen Südamerikas wegen Mord und Folter

Unter den Ermordeten 38 Italiener

von Gerhard Feldbauer, 14. Juli 2021


Nach 22jährigen Ermittlungen über heute 40 Jahre und länger zurückliegende Verbrechen hat der Kassationsgerichtshof, das Oberste Gericht Italiens, in der vergangenen Woche die Urteile, darunter 14 lebenslange Haftstrafen, gegen mehr als 20 ehemalige Offiziere, Polizisten und Zivilisten militär-faschistischer Diktaturen Südamerikas bestätigt. Sieben Verurteilte waren während der Verfahren ersten Grades und der Berufungsverfahren gestorben. Die Ermittlungen hatte die italienische Staatsanwaltschaft auf Forderung von Angehörigen der Opfer 1999 aufgenommen. Die entscheidenden Untersuchungen lagen in den Händen des römischen Staatsanwalts Giancarlo Capaldo, der dazu in 12 Ländern recherchierte. Die aus Bolivien, Chile, Peru und Uruguay stammenden Personen waren "wegen Menschenrechtsverletzungen, Mord und Entführung" angeklagt worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA. Unter den verfolgten Oppositionellen befanden sich 38 Personen, die auch die italienische Staatsbürgerschaft besaßen. Zur Urteilsverkündung befand sich nur der italienisch-uruguayische Marineoffizier Jorge Néstor Troccoli in Italien. Alle anderen Urteile ergingen in Abwesenheit. Troccoli, der dem Geheimdienst der uruguayischen Marine (FUSNA) angehörte, wurde beschuldigt, in der argentinischen Marine an der Verschleppung, Folterung und Ermordung von Regime-Gegnern teilgenommen zu haben, darunter sechs italienische Staatsbürger.


Foto: Pepe Robles, Public domain, via Wikimedia Commons

Gedenkmarsch mit Fotos von Verschwundenen am 24. März 2006 in Buenos Aires aus Anlaß des 30. Jahrestages des Militärputsches in Argentinien von 1976
Foto: Pepe Robles, Public domain, via Wikimedia Commons

In Argentinien wurden im Zuge der militär-faschistischen Diktatur 1976 bis 1983 nach Schätzung von Menschenrechtsorganisationen 30.000 Menschen verschleppt und ermordet. In Chile waren es unter der Pinochet-Diktatur von 1973 bis 1990 mindestens 40.000, in Peru von 1964 bis 1985 70.000 und in Bolivien geschätzte 14.700. "Es waren die 1970er Jahre und der südamerikanische Kontinent wurde von Militärregimes gequält: Jeder, der sich ihnen widersetzte, wurde entführt, gefoltert, getötet und 'verschwand'. Es waren die Jahre der Verschwundenen", kommentierte das linke Manifesto.

Jorge Ithurburu, der das Online-Portal 24. März herausgibt, das sich der Suche nach Verschwundenen in Argentinien widmet, wies darauf hin, dass es noch immer "Dutzende von Familien gibt, die noch heute darauf warten, die Leichen ihrer vermissten Verwandten zu finden".

Troccoli, der lebenslänglich erhielt, war zum Prozess nicht erschienen. Nach der Urteilsverkündung wurde er verhaftet und in das Fuorni-Gefängnis in Salerno eingeliefert. Die römische Nachrichtenagentur ADN-Kronos wies Anschuldigungen, das sei "ein politischer Prozess", zurück. Die "Angeklagten wurden auf Grundlage legitimer juristischer Prinzipien verurteilt", zitiert die Agentur Vertreter des Kassationsgerichts.

ANSA verweist auf die Rolle der terroristischen "Operation Condor" bei der Verfolgung von Oppositionellen in Lateinamerika. Dieses Unternehmen wurde vom US-Geheimdienst CIA mit den Partnerorganisationen der Diktaturen in Chile, Argentinien, Uruguay, Paraguay, Bolivien und Peru in den 1970er Jahren geschaffen, um Gegner der Regimes zu entführen, zu foltern, zu ermorden und auch einfach verschwinden zu lassen. Die "Operation Condor", die "im Namen des Kampfes gegen den Kommunismus in Lateinamerika" agierte, wurde von den USA "offen unterstützt, um linke politische und oppositionelle Kräfte auch weltweit zu verfolgen und zu töten", vermerkt das kommunistische Online-Portal Contropiano.

Die Mörder und Folterknechte wurden auf einem Trainingscamp der US Army in Fort Benning in Columbus (Georgia), der School of the Americas (SOA) ausgebildet. Das bereits 1946 als "Escuela de las Américas" gebildete Trainingscamp absolvierten mehr als 60.000 lateinamerikanische Militärs.

Die Begründerin der Initiative der Angehörigen der italienischen Opfer der Operation Condor für die juristische Verfolgung der Mörder, Cristina Mihura, zeigte sich gegenüber Contropiano zufrieden über die Urteile. Ihr Ehemann Bernardo Arnone, ein linker Uruguayer italienischer Herkunft, floh nach dem Militärputsch des Armee-Oberbefehlshabers Jorge Vileda 1976 in Uruguay nach Argentinien. Er wurde in Buenos Aires entführt und verschwand danach spurlos. Cristina Mihura bildete mit etwa 20 freiwilligen Aktivisten eine Gruppe, die seit 1999 Staatsanwalt Capaldo unterstützte.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 3. August 2021

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