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INTERNATIONAL/062: Chile - Indigene klagen Mitspracherecht ein, Bergbauprojekt in Atacama ausgesetzt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Mai 2012

Chile: Indigene klagen Mitspracherecht ein - Bergbauprojekt in Atacama ausgesetzt

von Marianela Jarroud



Santiago, 15. Mai (IPS) - In Chile haben indigene Diaguita einen Sieg im Kampf um die Anerkennung ihrer Landrechte davongetragen. So bestätigte der Oberste Gerichtshof des südamerikanischen Landes das Urteil eines Berufungsverfahrens, das dem kanadischen Bergbaukonzern 'Goldcorp' die Genehmigung für den Betrieb einer Gold- und Kupfermine im nördlichen Atacama entzogen hatte, weil die betroffenen Ureinwohner nicht am Entscheidungsprozess beteiligt worden waren.

Nach Angaben von Goldcorp wurden sämtliche Arbeiten an der El-Morro-Übertage-Anlage eingestellt. Dem Obersten Gericht zufolge ist es nun an der kanadischen Bergbaufirma, das Gespräch mit den Diaguita zu suchen. Der Konzern müsse zudem die möglichen ökologischen Negativfolgen gründlicher untersuchen. Auch gelte es in einer neuen Umweltverträglichkeitsstudie den Umstand berücksichtigen, dass das Projekt Indigene zu einer Umsiedlung und Aufgabe ihrer traditionellen Lebensweise zwingen könnte.

Wie aus dem Urteil vom 27. April ferner hervorgeht, hat Goldcorp gegen die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), das chilenische Indigenenrecht und den Internationalen Pakt über zivile und bürgerliche Rechte verstoßen. Chile ist als Vertragspartner der ILO-Konvention 169 verpflichtet, dafür zu sorgen, dass indigene Völker durch geeignete Verfahren und insbesondere durch ihre repräsentativen Einrichtungen konsultiert werden, wann immer gesetzgeberische oder administrative Maßnahmen erwogen werden, die sie unmittelbar betreffen.


In Sachen indigene Mitsprache ein Nachzügler

"Bisher hinkt Chile, was die Anwendung der ILO-Konvention angeht, im Vergleich zu anderen südamerikanischen Ländern hinterher", kritisierte Hernando Silva vom Bürgerobservatorium, einer Nichtregierungsorganisation, die die Diaguita rechtlich vertritt. So hätten Bolivien und Peru das im ILO-Abkommen garantierte Mitspracherecht bereits in nationales Recht überführt. "In Chile hingegen gibt es lediglich das Dekret 124 von 2009, das der Implementierung des ILO-Abkommens eher im Wege steht."

Goldcorp ist zu 70 Prozent an der El Morro-Mine beteiligt. Im Rahmen des auf 14 Jahre vorgesehenen 3,9 Milliarden US-Dollar teuren Projekts sollen im Huasco-Tal pro Tag 2.200 Tonnen Kupferkonzentrat produziert werden. Betroffen wäre ein 2.500 Hektar großes Gebiet von den Anden bis zur Pazifikküste, das auch Territorien der Diaguita beinhaltet.

"Für unsere Entwicklung brauchen wir weder den Staat noch das Bergbauunternehmen", sagte Sergio Campusano, der Vorsitzende der Diaguita-Bauern der Region Huasco Alto. Die indigene Gemeinschaft sei an etlichen Initiativen beteiligt wie etwa der Einrichtung der größten indigenen Naturreservation Nordchiles. El Morro sei somit nicht nur eine Gefahr für die Umwelt, sondern auch für die Entwicklungspläne der Ureinwohner.


"Bergbauprojekte unpassend"

Wie Campusano betonte, lautet der Slogan der indigenen Initiative 'Wir sind Wächter der Natur'. "Denn das ist, was wir sind. Bergbauprojekte sind gänzlich unpassend", meinte er. "Wir haben uns nicht im Umfeld eines Bergbauprojekts angesiedelt. Vielmehr ist das Unternehmen zu uns gekommen und hat sich auf unserem Territorium breit gemacht."

Das jüngste Urteil zugunsten der Diaguita ist nicht das erste seiner Art. In den vergangenen drei Jahren haben Ureinwohner im ganzen Land die Einhaltung der ILO-Konvention 169 eingeklagt. Den ersten Prozess gewannen die Mapuche in der südchilenischen Stadt Lanco. Sie waren bei einem Mülldeponieprojekt in ihrer Nähe nicht zu Rate gezogen worden.

Einen weiteren Sieg konnten die Mapuche im Zusammenhang mit einem Windpark auf der Insel Chiloé verbuchen. Auch dieses Projekt wurde vom Obersten Gerichtshof auf Eis gelegt. "Der Fall El Morro ist das Ergebnis all dieser Entwicklungen", meinte Hernando Silva. In Anbetracht des indigenen Widerstands ist mittelfristig nicht damit zu rechnen, dass das El-Morro-Projekt fortgesetzt wird. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2012