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MELDUNG/055: Memorandum 2010 vorgestellt (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik)


Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik - 29. April 2010

MEMORANDUM 2010
Sozial-ökologische Regulierung statt Sparpolitik und Steuergeschenken

Nachhaltige Krisenbewältigung erfordert sozial-ökologische Regulierung


Nur durch eine kurzfristige Abkehr der Wirtschaftspolitik von einer reinen neoliberalen Marktorientierung konnten in Deutschland die Folgen der internationalen Krise abgemildert werden. Die Krisenursachen einer in der Vergangenheit vollzogenen massiven Umverteilung von unten nach oben werden allerdings bis heute weder problematisiert noch sollen sie in Zukunft beseitigt werden - im Gegenteil, die Umverteilungsprofiteure wollen an der verhängnisvollen neoliberalen Wirtschaftspolitik festhalten. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert dagegen ein massives und tabuloses Umdenken. Es geht um die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft.

Notwendig ist eine gerechtete Verteilung des in Summe großen Reichtums in Deutschland und die Redefinition einer aktiven Rolle des Staates. Die zur Krisenbewältigung eingesetzten finanziellen Mittel können ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn zugleich der soziale und ökologische Umbau des ins Wanken geratenen Systems in Angriff genommen wird. Im Detail: Die gesamtwirtschaftlichen Folgen der internationalen Finanzkrise sind weniger stark ausgefallen, als von vielen zunächst befürchtet. Getroffen wurde in Deutschland vor allem die Exportwirtschaft und der Finanzsektor. In der Krise offenbarten sich die Folgen und Risiken einer hemmungslosen Umverteilungspolitik zu den Gewinn- und Vermögenseinkommen und eine zerstörerische neoliberale Liberalisierung und Globalisierung. Gemildert wurden die Folgen der schwersten Krise seit achtzig Jahren durch die pragmatische Abkehr von neoliberalen Glaubensgrundsätzen und eine "Bastard-Keynesianische" Wirtschaftspolitik mit einer stark zunehmenden Staatsverschuldung, deren Abbau in Zukunft die Umverteilungsverlierer bezahlen sollen. Die öffentlichen Haushalte stehen vor dem Absturz. Dennoch fordern Profiteure der Antikrisenpolitik Sparprogramme und Steuersenkungen. Konjunkturprogramme, Kurzarbeit und andere Formen der Arbeitszeitverkürzung haben zwar dazu beigetragen, dass die Krise nicht mit voller Wucht auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen ist. Dennoch müssen die abhängig Beschäftigten mit enormen Einkommensverlusten die Last der Krise tragen - die noch lange nicht überwunden ist,. Der sogenannte Aufschwung steht allenfalls auf tönenden Füßen.

Aktuell wird die soziale Polarisierung weiter verstärkt. Bildungsoffensiven versickern. Ökologische Reformen werden verschleppt. Vor diesem Hintergrund fordert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik ein umfassendes wirtschaftspolitisches Programm, das auf eine sozial-ökologische Regulierung setzt, das in die Zukunft investiert und Beschäftigung sichert. Die Finanzmärkte müssen einer klaren und strikten Regulierung unterworfen werden. Die Steuerpolitik muss die Krisenverursacher zur Kasse bitten und einen chronisch unterfinanzierten Staat mit Steuererhöhungen aus der Schuldenfalle führen. Dabei geht es nicht zuletzt auch darum den Kollaps der Gemeindefinanzen zu verhindern.


Die Arbeitsgruppe legte erstmals im November 1975 (kurz nach Verabschiedung des 1. Haushaltsstrukturgesetzes, mit dem der Sozialabbau in der Bundesrepublik eingeleitet wurde) ein "Memorandum für eine wirksame und soziale Wirtschaftspolitik" vor. Seit 1977 wird in jedem Jahr in der Woche vor dem 1. Mai ein weiteres Memorandum für eine alternative Wirtschaftspolitik veröffentlicht. Zusätzlich sind zahlreiche Stellungnahmen zu aktuellen wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Fragen erstellt worden. Mittlerweile gilt das Memorandum vielfach als "Gegengutachten" zum jährlichen Gutachten des "Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" (der "fünf Weisen").


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Quelle:
Pressemitteilung vom 29. April 2010
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
Postfach 33 04 47, 28334 Bremen
Telefon: 069.26 02 49 50, Fax: 069.43 05 17 64
E-Mail: memorandum@t-online.de
Internet: www.memo.uni-bremen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2010