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INTERNATIONAL/383: Mexiko - Wasser statt Bier. Baustopp für Brauerei (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko
Wasser statt Bier - Baustopp für Brauerei

Von Gerold Schmidt


Bei einer Befragung im nordmexikanischen Mexicali erklärte sich eine Mehrheit gegen Weiterbau und Betrieb einer Großbrauerei des US-Konzerns Constellation Brands.

(Mexiko-Stadt, 11. April 2020, npla) - Mehr als drei Jahre engagierten sich verschiedene Initiativen in der nordmexikanischen Grenzstadt Mexicali im Bundesstaat Baja California gegen den Bau einer Großbrauerei des US-Konzerns Constellation Brands. Trotz aller Proteste schritt die Errichtung des Komplexes voran. Die Behörden erteilten eine Genehmigung nach der anderen. Nun machte das Ergebnis einer von Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador kurzfristig angekündigten und am Wochenende des 21./22. März durchgeführten "Volksbefragung" [1] den Plänen der Unternehmensführung einen Strich durch die Rechnung. Zwar war die Wahlbeteiligung - wohl auch wegen des Coronavirus - sehr gering. Von etwa 700.000 potentiellen Wähler*innen stimmten nur knapp 37.000 ab. Doch 76,1 Prozent derjenigen, die zu den 27 Wahllokalen gingen, erklärten sich gegen Weiterbau und Betrieb der Brauerei in Mexicali. López Obrador interpretierte dieses Votum als bindend. Sein Angebot: Die Brauerei könne ihr Projekt in einem anderen Bundesstaat mit umfangreicheren Wasserreserven verwirklichen.

Kurzfristig schien ein juristisches Vorgehen einschließlich einer Entschädigungsklage gegen den mexikanischen Staat im Raum zu stehen. Nach Unternehmensangaben wurden von vorgesehenen 1,4 Milliarden bereits 900 Millionen Dollar in die Brauerei investiert. Doch während mexikanische Dachverbände der Privatwirtschaft teilweise wutschnaubend auf die Regierungsentscheidung reagierten, lenkte der US-Konzern überraschend schnell ein. Ein Grund dafür könnten von López Obrador gemachte Korruptionsvorwürfe in Bezug auf frühere Genehmigungsverfahren und angekündigte Ermittlungen gewesen sein. Schon am 31. März traf sich die Konzernspitze inklusive seines internationalen CEO Bill Newlands und Anwälten mit dem mexikanischen Präsidenten im Nationalpalast, um über Alternativen zu sprechen. Als Ausweichstandorte für die Brauerei werden die Bundesstaaten Nayarit und Tabasco genannt. Es soll weitere Gespräche geben.


Ergebnis ist Erfolg für Basisinitiativen

Die vor wenigen Wochen noch nicht vorhersehbare Entwicklung weist interessante Nebenaspekte auf. Eine kurzfristig angesetzte Volksbefragung à la López Obrador stieß vielen Aktivist*innen in Mexicali aus verschiedenen Gründen übel auf. In einer Region mit knappen Wasserressourcen, in der die Stadtbewohner*innen auf Trinkwasser und die Bäuer*innen auf ausreichendes Wasser für die Feldbewirtschaftung angewiesen seien, sei das Menschenrecht auf Wasser nicht im Rahmen einer Befragung verhandelbar, argumentierten Teile der Initiativen. Misstrauen erweckte zudem eine im Vorfeld der Befragung zirkulierende Regierungsbroschüre. Darin versuchte die Nationale Wasserbehörde Conagua, Bedenken bezüglich eines unverhältnismäßig hohen Wasserverbrauches durch Constellation Brands zu zerstreuen. Die Conagua schlug sich damit recht eindeutig auf die Seite des Konzerns. Am ersten Tag der Abstimmung wurden nach Einschätzung der Aktivist*innen zudem Befürworter*innen der Brauerei in Pick-ups angekarrt - kein ungewöhnliches Vorgehen in Mexiko. Trotzdem entschieden sich die Initiativen für die Teilnahme an der Befragung. Das Ergebnis ist letztendlich auch ein Erfolg ihrer jahrelangen Basisarbeit in Mexicali und dürfte die Stimmung in der Gesamtbevölkerung trotz der schwachen Beteiligung im Wesentlichen widerspiegeln.

Den Gegner*innen der Brauerei half möglicherweise auch, dass López Obrador ein Statement setzen wollte. Der gut vernetzte Zeitungskommentator Salvador García Soto weist auf eine anonyme Regierungsquelle hin: Demnach war die Entscheidung des Präsidenten weniger gegen den Großkonzern Constellation Brands gerichtet als gegen Valentín Diez Morodo, einen Großaktionär der Brauereigruppe Modelo. Dessen Engagement gegen seine Präsidentschaftskandidatur 2018 hat López Obrador offenbar nicht vergessen. Die ehemals mexikanische Brauereigruppe Modelo (mit den Marken Corona, Modelo, Pacífico, Victoria) ist seit 2013 im Besitz des Konzerns Anheuser-Busch InBev. Die Markenrechte für Modelo in den USA besitzt jedoch Constellation Brands.

Constellation Brands dürfte den Baustopp in Mexicali bereits mittelfristig gut verkraften können. Der expandierende Konzern ist weltweit tätig. In den USA ist das Unternehmen einer der größten Hersteller und Vermarkter von alkoholischen Getränken. Zudem ist Constellation Brands in den vergangenen Jahren verstärkt in das lukrative legale Cannabis-Geschäft eingestiegen.


Anmerkung:
[1] https://desinformemonos.org/anuncian-consulta-federal-para-instalacion-de-cervecera-en-mexicali/


URL des Artikels:
https://www.npla.de/thema/umwelt-wirtschaft/wasser-statt-bier-baustopp-fuer-brauerei/


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2020

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