Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


INTERNATIONAL/263: "Ethical Fashion Initiative" bringt Afrikas Designer auf internationale Laufstege (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2015

Handel: 'Ethical Fashion Initiative' bringt Afrikas Designer auf internationale Laufstege

von A.D. McKenzie



Bild: © ITC Ethical Fashion Initiative 5

Die haitianische-italienische Modeschöpferin Stella Jean (rechts) arbeitet mit EFI zusammen
Bild: © ITC Ethical Fashion Initiative 5

PARIS (IPS) - "Arbeit bedeutet Würde", sagt Simone Cipriani. "Menschen wollen eine Beschäftigung, keine Almosen." 2009 gründete der gebürtige Italiener die 'Ethical Fashion Initiative' (EFI), die weltbekannte Modedesigner wie Stella McCartney und Vivienne Westwood mit unbekannten Talenten zusammenbringt, die mehrheitlich aus Ost- und Westafrika, Haiti und dem Westjordanland stammen.

Das 'Leuchtturm'-Programm des Internationales Handelszentrums, das gemeinsam von den Vereinten Nationen und der Welthandelsorganisation WTO geleitet wird, will nach eigenen Angaben die Entwicklung und Produktion "hochwertiger, ethisch korrekter Modeartikel" durch Künstler fördern, die in armen Verhältnissen in Städten oder ländlichen Gebieten leben.

Eines der Ziele sei, "die aufstrebenden Modetalente Afrikas in die Lage zu versetzen, auf umweltverträglicher und nachhaltiger Basis mit lokalen Kunsthandwerkern zusammenzuarbeiten". Unter dem Slogan "Keine Almosen, nur Arbeit" setzt sich die Initiative für eine gerechtere globale Textilwirtschaft ein.


Erste Zusammenarbeit mit 'Pitti Immagine Uomo' in Florenz

In diesem Jahr kooperiert EFI zum ersten Mal mit der weltweit wichtigsten Messe für Herrenmode, 'Pitti Immagine Uomo', die vom 16. bis 19. Juni in Florenz stattfindet. Bereits auf dem internationalen Markt bekannte Designer aus vier afrikanischen Ländern führen dort im Rahmen des 'Guest Nation Project' ihre Kreationen vor, wie der Geschäftsführer der Messe, Raffaello Napelone erklärt.

Die Label 'Dent de Man', 'MaXhosa by Laduma', 'Orange Culture' und 'Projeto Mental', bei denen Designer aus Côte d'Ivoire, Südafrika, Nigeria und Angola mitarbeiten, werden sich auf der Modenschau 'Constellation Africa' präsentieren. Ausgewählt wurden sie im vergangenen Dezember bei einem von EFI ausgelobten Wettbewerb für afrikanische Modeschöpfer.

"Unsere globale Gesellschaft ist immer stärker verbunden. Die globale und die lokale Dimension treffen in der Mode aufeinander", sagt Cipriani. Marktanalysten gehen davon aus, dass der Gesamtwert des Textileinzelhandelssektors zwischen 2014 und 2017 um etwa 20 Prozent auf rund 1,5 Milliarden US-Dollar steigen wird. Dadurch könnten in vielen Regionen immer mehr Arbeitsplätze entstehen.


"Ist Mode rassistisch?"

In den vergangenen Jahren wurde kontrovers darüber diskutiert, dass Modedesigner und Models aus Afrika auf den großen internationalen Modewochen nicht vertreten waren. "Ist Mode rassistisch?" lautet der provokante Titel eines Kapitels in Tansy E. Hoskins' 2014 erschienenem Buch 'Stitched up: The Anti-Capitalist Book of Fashion', das einen kritischen Blick auf die Modeindustrie wirft. Jahrzehnte nachdem ein renommiertes Modemagazin erstmals ein schwarzes Model auf dem Cover zeigte, sei der Anblick weißer Mannequins auf Laufstegen und in Werbekampagnen nach wie vor die Norm, kritisiert Hoskins.

EFI will in erster Linie gegen Armut angehen und einen ethisch korrekten Umgang mit Designern und Kunsthandwerkern erreichen. Cipriani erkennt aber an, dass Rassismus ein Problem sei. Armut könne sowohl mit der Herkunft als auch mit dem Geschlecht zusammenhängen.

Es gibt aber sehr wohl Modeunternehmen, die sich an ethische Standards halten und angemessene Arbeitsbedingungen sowie ökologische Nachhaltigkeit zu garantieren versuchen. Etwa 30 international tätige Hersteller haben sich bisher dem EFI-Projekt angeschlossen. Doch nicht jedes Unternehmen kann durch sein Vorgehen überzeugen.


Bild: © A.D. McKenzie/IPS

Simone Cipriani, Gründer der 'Ethical Fashion Initiative' (EFI)
Bild: © A.D. McKenzie/IPS

"Wir versuchen vor allem mit den Marken zusammenzuarbeiten, die klar herausstellen, wie sie verantwortungsvolles Unternehmertum und soziales Engagement umsetzen wollen. Ansonsten laufen wir Gefahr, lediglich benutzt zu werden", sagt Cipriani.


EFI fordert Sicherheit am Arbeitsplatz und angemessene Löhne

Sichere und würdige Arbeitsbedingungen stehen für EFI und andere Aktivisten im Vordergrund. Vor zwei Jahren starben in Bangladesch mehr als 1.100 Textilarbeiterinnen beim Einsturz der Fabrik Rana Plaza. Weitere 2.500 wurden verletzt. Warnungen vor Sicherheitsgefahren waren ignoriert worden.

Die Arbeiterinnen nähten Kleidungsstücke für internationale Modefirmen wie Benetton. Erst in diesem Jahr teilte das italienische Unternehmen mit, in einem Entschädigungsfonds für die Opfer einzuzahlen. Zuvor hatten etwa eine Million Menschen eine Online-Petition unterzeichnet, die Benetton zum Handeln aufforderte.

Cipriani kritisiert, dass Beschäftigte in Zulieferbetrieben der Modeunternehmen mit ihren Einkommen oft nicht über die Runden kämen. "Mit ihrem Verdienst können sie kein würdiges Leben führen und bleiben gesellschaftlich ausgegrenzt."

In dem Karibikstaat Haiti, der für seine Armut ebenso bekannt ist wie für sein Kunsthandwerk, sehen Aktivisten durch die Kooperation zwischen international bekannten Modedesignern und lokalen Talenten bereits Fortschritte erreicht. Die haitianisch-italienische Designerin Stella Jean, seit 2013 Partnerin von EFI, verschönert ihre Kreationen aus afrikanischen Textilien mit haitianischen Stickereien und Perlengeflechten.


Haitianische Designerin kooperiert mit afrikanischen Textilproduzenten

Laut Cipriani begann die Zusammenarbeit mit einem Besuch in dem afrikanischen Staat Burkina Faso, dem größten Baumwollproduzenten des Kontinents, in dem Stoffe traditionell per Hand gewebt werden. Jean entschied sich dafür, diese nach ethischen Grundsätzen hergestellten Textilien für ihre Frauen- und Männermodekollektionen zu verwenden.

Im vergangenen Jahr stellte sie eine neue Handtaschenserie vor, die in Kenia unter Verwendung von Textilien angefertigt werden, die aus Burkina Faso und Mali stammen. Das mit Pflanzenfarbe gefärbte Leder kommt hingegen aus Kenia. Aus jeder Tasche werde somit ein "panafrikanisches Produkt", sagt Jean.

In dem ostafrikanischen Land haben Stella McCartney (die sich allerdings nicht interviewen lassen wollte) und Vivienne Westwood bereits mehrere Bestellungen aufgegeben. EFI führt Untersuchungen durch, um festzustellen, ob dabei gerechte Arbeitsbedingungen garantiert werden. Zudem will die Initiative in Erfahrung bringen, welche Auswirkungen diese Zusammenarbeit auf die lokale Bevölkerung hat.


Kapitalismus versus ethische Grundsätze

Mehrere afrikanische Produzenten haben EFI mitgeteilt, dass sich ihre Lebensbedingungen durch solche Aufträge verbessert hätten. Sie könnten nun ihre Miete zahlen und ihre Kinder zur Schule schicken. Hoskins hält diese Entwicklungen für wichtig. Dennoch ist sie der Ansicht, dass sich die Modeindustrie ohne kollektive Aktionen nicht grundlegend verändern werde.

Ethisch korrekte Mode sei seit etwa 20 Jahren ein öffentlichkeitswirksames Schlagwort, sagt sie. Ihr globaler Marktanteil sei aber mit rund einem Prozent verschwindend gering. Wie der Kapitalismus könne auch die Modebranche niemals ethischen Prinzipien gerecht werden, betont sie. Denn die Geschäfte basierten auf Ausbeutung, Konkurrenzdenken und vor allem auf Profitstreben. (Ende/IPS/ck/04.06.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/06/ethical-fashion-champions-marginalised-artisans-from-south/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang