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INTERNATIONAL/247: Patentschutz auf den Prüfstand stellen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Februar 2015

Entwicklung: Patentschutz auf den Prüfstand stellen

von Carlos M. Correa


In diesem Gastbeitrag setzt sich Carlos M. Correa, Sonderberater für Handel und Fragen des intellektuellen Eigentums des 'South Centre', kritisch mit Patentrechtsbestimmungen auseinander. Seiner Meinung gehört das Patentsystem auf den Prüfstand, weil sich die daran geknüpften Erwartungen nicht erfüllt haben. Das South Centre mit Sitz in Genf ist eine von Entwicklungsländern 1995 gegründete Organisation, die mit Expertise, Meinungsaustausch und Networking die Süd-Süd-Zusammenarbeit stärken will.

Genf, 5. Februar (IPS) - Die Forderungen von Industrie und Politik nach einer weltweiten Ausdehnung der Patentrechtsbestimmungen werden meist damit begründet, dass Patente innovationsfördernd wirken und sich somit - unabhängig vom Entwicklungsstand der Länder, in denen sie erteilt und umgesetzt werden -, sozial, politisch und wirtschaftlich auszahlen.

Diese Sichtweise ignoriert jedoch die Tatsache, dass Patente in Ländern mit unterschiedlicher industrieller Basis, mit divergierendem Forschungs- und Entwicklungsstand (R&D) und mit eingeschränktem Kapital zur Finanzierung von Innovationen nicht die gleiche Wirkung entfalten können.

Kein Wunder, dass immer mehr akademische Studien die Bedeutung von Patenten als Innovationsmotoren inzwischen sogar in den Industrieländern in Frage stellen oder sogar ablehnen. Während eine Gruppe von Wissenschaftlern für eine substanzielle Reform des Patentsystems eintritt, fordert eine andere gar seine Abschaffung.

In dem Papier 'The Case Against Patents' ('Argumente gegen Patente') betonen Michele Boldrin und David K. Levine, "dass wir trotz einer zunehmenden Zahl von Patenten und eines größeren rechtlichen Schutzes, den diese genießen, keine nennenswerte Beschleunigung des technologischen Fortschritts und keine Zunahme der Investitionen in Forschung und Entwicklung feststellen konnten. Stattdessen mehren sich die Hinweise, dass Patente vor allem negative Folgen haben."

Beide Beobachtungen deckten sich mit denjenigen Innovationstheorien, die Wettbewerb und Wissensvorsprung für die wahren Innovationstriebfedern halten. Gleichzeitig sind sie mit denjenigen Theorien unvereinbar, denen zufolge von staatlicher Seite gewährte Monopole wichtig sind, um Anreize für Innovationen zu schaffen.

Der Nutzen des Patentsystems - vor allem für die Entwicklungsländer - ist umstritten. In den letzten 25 Jahren wurde dem Konzept des intellektuellen Eigentums als dem 'wahren Eigentum' besondere Bedeutung beigemessen. Bemüht, Geltungsbereich und Ausmaß der Patentrechtsbestimmungen auszuweiten, warteten die Industrieländer mit immer neueren Ansätzen auf, um ihre diesbezüglichen Forderungen zu rechtfertigen.

Patentschutz bedeutet ein Vermarktungsverbot einer geschützten Erfindung für den Patentzeitraum, es sei denn, dies geschieht mit der Genehmigung des Patenthalters oder im Rahmen von Zwangslizenzen, die jedoch eher selten sind. Angesichts ihrer ausschließenden Wirkung werden Patente oft als 'Monopole' bezeichnet.

Doch den durch Patente verliehenen Rechten liegen oftmals einseitige und sachlich fehlerhafte Bestimmungen zugrunde. Im Verlauf des Überprüfungsverfahrens ist es den Patentämtern nicht gestattet, eine definitive Beurteilung der Patentfähigkeit abzugeben. Die Patentansprüche sind in vielen Fällen irreführend, und es bleibt unklar, um was es bei dem geschützten Gegenstand eigentlich geht. Der australische Wissenschaftler Peter Drahos hat darauf hingewiesen, dass "Patente, anders als Parzellen, keiner Eingrenzung unterliegen."

In den meisten Fällen werden Patentanträge dahingehend geprüft, ob eine Entwicklung die Voraussetzungen für eine Patentierung in Übereinstimmung mit den geltenden nationalen Patentierungsstandards erfüllt. In der Regel werden Patente für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

Doch gibt es einige Staaten wie Luxemburg und Südafrika, die einen Patentschutz ohne solche substanziellen Überprüfungen genehmigen. Die Zahl der Patentanträge ist in Entwicklungsländern (außer China) deutlich niedriger als in Industriestaaten. Länder wie Argentinien, Indien und Thailand haben Gesetze oder Bestimmungen eingeführt, die eine rigorose Untersuchung der Anmeldungen vorschreiben, um die Verbreitung von Patenten vor allem im pharmazeutischen Bereich zu verringern.

Inzwischen denkt auch die südafrikanische Regierung über die Einführung solcher Prüfverfahren nach, um auf diese Weise zumindest im pharmazeutischen Bereich eine substanzielle Überprüfung von Patentanträgen zu gewährleisten. Der Vorschlag stößt jedoch bei der Pharmaindustrie auf heftigen Widerstand, deren Lobbyisten bereits fleißig dabei sein sollen, die Initiative zu verhindern. Man kann davon ausgehen, dass die Einführung eines solchen Prüfungsverfahrens und die damit einhergehende Erhebung von Patentgebühren einen Rückgang der Patentanträge mit sich bringen werden.

Leider herrscht in vielen Patentierungsbehörden die Meinung vor, dass es darum geht, möglichst viele Patente zuzulassen. Deshalb ist die Gefahr groß, dass auch zweifelhafte Patentanträge gebilligt werden. Patentanmelder werden häufig wie 'Kunden' behandelt.

[Der Experte] Dominique Foray hat darauf hingewiesen, dass Patentämter seit Anfang der 1980er Jahre dazu neigen, möglichst viele Patente zu bewilligen. Wurden die Antragsteller zuvor eher misstrauisch beäugt, sind sie nun zu 'Kunden' geworden, die möglichst rasch mit Hilfe schneller und preiswerter Verfahren zufriedengestellt werden sollen. Das Ende vom Lied ist eine vollständige Verschlechterung der Überprüfungsverfahren.

Ein Patentamt sollte im öffentlichen Interesse handeln, nicht im Interesse der Patentierer. Es gilt die Öffentlichkeit vor Patenten zu schützen, die nur unnötige Kosten verursachen und die Macht des Marktes stärken. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/02/opinion-patent-examination-and-legal-fictions-how-rights-are-created-on-feet-of-clay/

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IPS-Tagesdienst vom 5. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2015

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