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INTERNATIONAL/225: Strategischer Partner Mexiko - neuer Hoffnungsträger in Lateinamerika? (FES)


Friedrich-Ebert-Stiftung
Internationale Politikanalyse

Strategischer Partner Mexiko - neuer Hoffnungsträger in Lateinamerika?

von Thomas Manz
September 2014


Inhalt

1. Einleitung

2. Mexikos Wandel vom Underperformer zum Hoffnungsträger
2.1 Der Aufstieg zum »aztekischen Tiger«
2.2 Mexikos Wandel zu einer offenen Marktwirtschaft

3. Herausforderungen und Chancen der mexikanischen Ökonomie
3.1 Wo liegen die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen?
3.2 Unzureichende Investitionen und mangelnde Infrastruktur
3.3 Der Binnenmarkt als Wachstumspotenzial?
3.4 Nachholbedarf bei der Rechtsstaatskultur

4. Strategischer Partner Mexiko - für wen?
4.1 Mexikos außenwirtschaftliche Agenda
4.2 Mexikos Blick nach Asien: Pazifik-Allianz und TPP
4.3 Nur zögerliche Annäherung an Brasilien

5. Fazit

Literatur


• Die Sicht auf Mexiko, das in der internationalen Wahrnehmung Lateinamerikas lange Zeit im Schatten von Brasilien stand, hat sich grundlegend gewandelt. Das von blutigem Drogenkrieg und wirtschaftlicher Stagnation geprägte Bild ist einer bisweilen euphorischen Darstellung Mexikos als neuem Hoffnungsträger in Lateinamerika gewichen.

• Ausschlaggebend für diesen Wandel sind die Erwartungen, die an die Umsetzung der Reformagenda geknüpft werden, welche von der Regierung des Präsidenten Enrique Peña Nieto mit großer Entschlossenheit vorangetrieben wurde und deren Kernstück die Öffnung der Erdöl- und Erdgasförderung für privates Kapital ist. Darüber hinaus hat Mexiko in den vergangenen Dekaden einen tiefgreifenden Wandel seiner Wirtschaftsstruktur durchlaufen, der das Land heute bei der Integration in den Weltmarkt gegenüber anderen Schwellenländern in eine vorteilhafte Position gebracht hat.

• Gleichwohl steht die mexikanische Wirtschaft vor enormen Herausforderungen. Neben der Erhöhung der Produktivität und der Verbesserung der sozialen und produktiven Infrastruktur ist insbesondere die Entwicklung des Binnenmarktes entscheidend. Schlüssel für die weitere Entwicklung sind die Demokratisierung der Arbeitsbeziehungen und die Anhebung des Lohnniveaus.

• Mexikos außenwirtschaftliche Agenda ist durch das Selbstverständnis als global free trade leader geprägt. Prioritär für das Land sind die Beteiligung an den Verhandlungen um ein transpazifisches Assoziationsabkommen sowie das Anliegen, im Rahmen der Pazifik-Allianz wirtschaftliche Außenöffnung und Freihandel wieder auf die lateinamerikanische Integrationsagenda zu setzen. Dagegen wird der Verbesserung der bilateralen Beziehungen zu Brasilien eine vergleichsweise geringe Bedeutung beigemessen.

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1. Einleitung

In den Diskussionen der letzten Jahre um die Verschiebungen in den globalen Kräfteverhältnissen und den Aufstieg der großen Schwellenländer des Südens spielte Mexiko kaum eine Rolle. Kam Mexiko nach dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm kurzzeitig noch die Rolle des Koordinators der sogenannten G5 zu - der Gruppe der Schwellenländer, mit denen die G8 einen Dialog auf Augenhöhe beginnen wollte -, wurde das Land schon kurz danach durch den Macht- und Prestigegewinn Chinas, Indiens und auch seines regionalen Rivalen Brasilien in den Hintergrund gedrängt. Das neue Akronym für die großen Schwellenländer BRIC (später BRICS: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) wurde zur Enttäuschung Mexikos ohne »M« geschrieben; aus diesem Club blieb das Land ausgeschlossen.

In der internationalen Wahrnehmung Lateinamerikas stand Mexiko meist im Schatten Brasiliens. Während Brasilien im Kreise der BRICS-Staaten zunehmend internationale Beachtung fand und an Einfluss gewann, wurde Mexiko vornehmlich als wirtschaftlich und politisch stagnierendes Land wahrgenommen, das sich kaum der gewalttätigen Bedrohung durch Drogenkartelle erwehren konnte. Diese Wahrnehmung hat sich zuletzt jedoch umgekehrt: Wird Brasilien angesichts der sozialen Proteste im Zusammenhang mit der kostspieligen Fußball-WM nunmehr in den internationalen Medien gerne als »Absteiger-Land« dargestellt, erfreut sich Mexiko neuerdings einer freundlicheren Wahrnehmung und wird als neuer Hoffnungsträger Lateinamerikas präsentiert.

Diese neue, in vielen internationalen Medien verbreitete Sicht auf Mexiko soll im Folgenden durch eine genauere Betrachtung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes auf den Prüfstand gestellt werden.


2. Mexikos Wandel vom Underperformer zum Hoffnungsträger

2.1 Der Aufstieg zum »aztekischen Tiger«

Mexiko hatte in der Weltöffentlichkeit lange Zeit ein schlechtes Image. Beeinflusst war das zum einen durch die mit dem »Drogenkrieg« ausgelöste Gewaltspirale. Einige Stimmen sahen Mexiko gar auf dem Wege zu einem failed state. Zum anderen blieb die wirtschaftliche Entwicklung deutlich hinter der der meisten anderen lateinamerikanischen Länder zurück. Das durchschnittliche Wachstum zwischen 2000 und 2010 betrug magere 1,6 Prozent; so wuchs das jährliche Pro-Kopf-Einkommen mit 0,9 Prozent nur halb so schnell wie im lateinamerikanischen Durchschnitt. Während in der Region beachtliche Fortschritte beim Abbau der Armut erreicht wurden, verharrte diese in Mexiko mit über 45 Prozent auf dem Niveau der 1980er Jahre. Mexiko war der Underperformer der Region.

Tabelle 1: Wachstumsraten ausgewählter Länder Lateinamerikas in Prozent 1990-2012.Quelle: CEPAL 2014



Mit dem Regierungsantritt von Präsident Enrique Peña Nieto, mit dem die Partei der Institutionellen Revolution (PRI) nach 12 Jahren Opposition wieder an die Macht zurückkehrte, hat sich die Wahrnehmung Mexikos im Ausland schlagartig geändert. Statt von einem Mexiko am Rande des failed state ist nun vom »Mexican moment« und dem Aufstieg des »aztekischen Tigers« die Rede; der Economist brachte diesen Wandel auf die Formel »from darkness to dawn«. Gefördert wurde dieser rasante Imagewandel zum einen durch eine professionelle Medienstrategie, die den noch jungen Präsidenten Peña Nieto als Vertreter einer »neuen PRI« darstellte, die mit der für Autoritarismus und Vetternwirtschaft stehenden Vergangenheit der PRI gebrochen habe. Der Regierung gelang es anfangs auch, die Berichterstattung über die prekäre Sicherheitslage aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Darüber hinaus setzte sie mit dem »Pakt für Mexiko«, in dem sie sich mit den beiden großen Oppositionsparteien auf ein umfangreiches Reformpaket verständigte, ein starkes Signal für ihre Entschlossenheit, die Stagnation der letzten Dekade zu überwinden.

Mit dem »Pakt« schuf die mexikanische Regierung auf internationaler Ebene das Vertrauen, dass sie die angekündigten Strukturreformen, insbesondere die Öffnung der Erdöl- und Erdgasförderung für privates und ausländisches Kapital, auch durchzusetzen vermag. Es sind gerade diese Reformankündigungen, die Mexiko, wie es der ehemalige US-Energieminister Bill Richardson kürzlich ausdrückte, »sexy« für internationale Investoren gemacht haben und die neue positive Sicht auf das Land schüren. Entsprechend groß ist der politische Druck - im In- wie im Ausland -, der Verfassungsreform zur Neuordnung des Energiesektors vom Dezember letzten Jahres nun schnell auch die Ausführungsgesetze folgen zu lassen. Die Ungeduld der business community angesichts des umstrittenen und zeitraubenden parlamentarischen Beratungsprozesses hat unlängst ihren Widerhall in einer deutlichen Abstufung Mexikos im internationalen Ranking zur Wettbewerbsfähigkeit gefunden, das vom Schweizer International Institute for Management Development jährlich veröffentlicht wird. Mexiko fiel gegenüber dem Vorjahr gleich um neun Plätze zurück.

2.2 Mexikos Wandel zu einer offenen Marktwirtschaft

Die Gründe für den Wahrnehmungswandel haben aber auch tiefer liegende Ursachen. Nach dem mexikanischen Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit (milagro mexicano) und den Krisen der 1980er und 1990er Jahre hat Mexiko in den letzten Dekaden einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen: zum einen den Wandel von einer »commodity-basierten« Wirtschaft zu einer von der verarbeitenden Industrie und dem Dienstleistungssektor dominierten Ökonomie, zum anderen vor allem einen Wandel zu einer exportorientierten Nation. Eine wichtige Triebfeder war dabei sicherlich das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA). Seit Inkrafttreten von NAFTA 1994 wuchsen die mexikanischen Exporte im Durchschnitt um mehr als zehn Prozent jährlich. Der Anteil des Außenhandels am Sozialprodukt stieg auf 65 Prozent, derjenige Brasiliens liegt im Vergleich bei etwa 25 Prozent. Mexiko ist mit einem Exportvolumen von 370 Milliarden US-Dollar Lateinamerikas »Exportchampion«, deutlich vor Brasilien mit einem Exportvolumen von ca. 250 Milliarden US-Dollar. Dabei erhöhte sich auch der Anteil der verarbeiteten Produkte an den Exporten auf ca. 75 Prozent der Gesamtexporte; Transportausrüstung (vor allem Autos) und elektronische Produkte machen heute zusammen fast die Hälfe des Exportwertes aus. Nach China konnte Mexiko in der letzten Dekade weltweit den größten Zuwachs bei seinem Anteil an verarbeiteten Produkten auf dem Weltmarkt verzeichnen. So ist Mexiko in den letzten Jahren zum achtgrößten Produzenten von Fahrzeugen und zum viertgrößten Automobilexporteur weltweit aufgestiegen. Die Automobilindustrie (inklusive der Zulieferindustrie) bietet heute mehr als einer halben Million Menschen Beschäftigung und trägt 3,8 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei; ein Wert, der seit dem Jahr 2000 um 27 Prozent gestiegen ist.(1)

Dieser Wandel Mexikos zu einer offenen Wirtschaft erweist sich bei der Integration in den Weltmarkt heute als ein Vorteil gegenüber anderen Schwellenländern. Neben NAFTA hat Mexiko auch Freihandelsabkommen mit gut 40 weiteren Ländern abgeschlossen. Diese Vielzahl von Handelsabkommen wurde lange belächelt, da sie kaum zu einer Diversifizierung der Handelsbeziehungen beitrugen. Für diese ist weiterhin, insbesondere bei den Exporten, der nordamerikanische Markt bestimmend. Knapp 80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen in die USA. Heute zeigt sich jedoch, dass die durch dieses Netz an Handelsabkommen garantierten präferenzbegünstigten Marktzugänge für Mexikos Integration in die globalen Wertschöpfungsketten von großem Nutzen sind. Gleichwohl darf dabei nicht übersehen werden, dass der nationale Wertschöpfungsanteil an den Exportprodukten Mexikos relativ gering ist, dass Importe von Kapitalgütern eine wesentliche Basis für die mexikanischen Exporte darstellen. Der ehemalige WTO-Generaldirektor Pascal Lamy merkte jüngst an, dass man in Bezug auf Mexikos Exporte eher von Produkten made in the world denn made in Mexico sprechen müsse.(2) Die nationale Wertschöpfung an den Exporten hat in der letzten Dekade von 67 auf 60 Prozent abgenommen. Brasiliens nationale Wertschöpfung liegt im Vergleich dazu bei etwa 84 Prozent (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Nationale Wertschöpfung an den Exporten in ausgewählten Ländern Lateinamerikas (in Prozent).Quelle: CEPAL 2014



Mexikos Exportsektor konzentriert sich auf nur wenige, vor allem transnationale Unternehmen. Etwa 50 Prozent aller Exporte von verarbeiteten Produkten entfallen auf 100 Unternehmen; 41 Prozent aller Exporte insgesamt werden von 50 Unternehmen getätigt, allein fünf Unternehmen bestreiten 16 Prozent. Dagegen schätzt die OECD, dass nur ein Prozent der Klein- und Mittelbetriebe konsolidierte Exportunternehmen sind.(3) Zudem ist der Exportsektor nur unzureichend mit dem Rest der Wirtschaft verwoben. Die Branche der Transportausrüstung verarbeitet beispielsweise nur zu 30 Prozent nationale Produkte gegenüber 70 Prozent externer Zulieferung; im Falle Brasiliens ist das Verhältnis umgekehrt: 78 Prozent nationale Vorprodukte gegenüber 22 Prozent externen.(4)

Expert_innen sprechen gar von zwei unterschiedlichen Nationalökonomien in Mexiko, die sich zudem weiter auseinanderentwickeln: eine hochentwickelte, exportorientierte moderne Wirtschaft mit der Automobil-, der Luftfahrt- und der elektronischen Industrie auf der einen Seite und auf der anderen Seite die »traditionelle« Wirtschaft der Klein- und Mittelunternehmen mit niedriger Produktivität, wenig Investitionen in Forschung und Entwicklung und unzureichendem Zugang zu Krediten. Insgesamt ist dann auch die Produktivität der mexikanischen Wirtschaft in den letzten Jahren nicht gewachsen; seit 1990 ging sie im jährlichen Durchschnitt gar um 0,4 Prozent zurück. Das Produktivitätsproblem zu überwinden, ist deshalb zu einem zentralen Anliegen der Regierung geworden.

Als zwiespältig erwiesen sich auch die Konsequenzen von NAFTA für den Agrarsektor. Zwar ist Mexiko heute zum weltführenden Exporteur von Avocados und zum zweitgrößten Exporteur von Mangos aufgestiegen, doch hat sich nach Informationen der FAO in der 20-jährigen NAFTA-Laufzeit die Abhängigkeit Mexikos von Lebensmittelimporten erhöht: von 24 Prozent 1994 auf 40 Prozent im Jahr 2012. Die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Mais, Weizen, Reis und Bohnen ist in zwei Dekaden nur um mäßige 23 Prozent angestiegen.

Fragt man danach, ob Mexikos Wirtschaft mit dem Wandel zu einer der offensten Wirtschaften weltweit im regionalen Vergleich heute besser aufgestellt ist als andere lateinamerikanische Länder, ergibt sich ein durchaus gemischtes Bild. Deutlich wird, dass es weiterer struktureller Reformen bedarf, weshalb das Land die Reformblockade der beiden konservativen Präsidentschaften von Vicente Fox (2000-2006) und Felipe Calderón (2006-2012) überwinden muss, will es den Aufbruch aus der Stagnation der letzten Dekade schaffen. Die Reformagenda von Präsident Peña Nieto setzt also das richtige Signal. Allerdings sind Zweifel angebracht, ob die von ihm eingeleiteten Strukturreformen im Einzelfall die erhoffte Wirkung erzielen und in der Gesamtheit ausreichen werden, Mexiko auf einen dynamischen und nachhaltigen Entwicklungspfad zu bringen. Kritische Stimmen sehen eine Unzulänglichkeit der Strukturreformen der Vergangenheit ebenso wie der aktuellen Reformagenda darin, dass sie einseitig auf Marktöffnung und Marktflexibilisierung setzen, die regulierende Funktion des Staates dagegen kaum in Stellung bringen, um sozial inklusives Wachstum zu fördern.


3. Herausforderungen und Chancen der mexikanischen Ökonomie
3.1 Wo liegen die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen?

Die Strukturreformen bzw. ihre Ankündigung - sie betreffen neben dem Energiesektor vor allem die Bereiche Telekommunikation, Steuer, Finanzwesen sowie Arbeitsrecht - haben bislang noch nicht die erhofften Wachstumsimpulse gebracht. Im Gegenteil: Die Fiskalreform des vergangenen Jahres wird von vielen wirtschaftsnahen (z. T. aber auch linken) Kritiker_innen dafür verantwortlich gemacht, dass nach dem enttäuschenden Wachstum des Vorjahrs von nur etwas mehr als einem Prozent auch 2014 die zunächst optimistischen Wachstumserwartungen wieder zurückgeschraubt werden müssen. Das Finanzministerium hat zur Jahresmitte seine Wachstumsprognose für 2014 von 3,9 auf 2,7 Prozent, also um fast ein Drittel, reduzieren müssen. Die Hoffnung ruht nun vor allem auf der Energiereform, deren Ausführungsgesetze derzeit im Kongress verhandelt werden. Ob diese den großen Wachstumsschub bringen wird, wie die Regierung verspricht, bleibt freilich abzuwarten. In den vergangenen Jahren sind die enormen Einnahmen des mexikanischen Staates aus den Erdölverkäufen, die zwischen 30 und 40 Prozent des Bundeshaushalts ausmachen, ohne erkennbar positiven Effekt auf die Wachstumsraten des Landes geblieben, da sie weitgehend für laufende Staatsausgaben »konsumiert« wurden; ein Motor der wirtschaftlichen Entwicklung waren sie jedenfalls nicht.(5) Ernsthafte Analysen wie die der Investmentbank JP Morgan rechnen zwar durchaus mit einem positiven Impuls der Energiesektor-Reform für das Wachstum von etwa einem Prozent jährlich - doch das erst ab 2018, also zum Ende der Amtszeit von Präsident Peña Nieto.

3.2 Unzureichende Investitionen und mangelnde Infrastruktur

Um ein dynamischeres und nachhaltiges Wachstum zu erreichen, bedarf es dringend einer Anhebung der öffentlichen und privaten Investitionen. Diese liegen derzeit auf einem Niveau von ca. 22 Prozent des BIP. Dabei sind insbesondere die Investitionen des Privatsektors mit knapp 16 Prozent unzureichend und liegen unter dem lateinamerikanischen Durchschnitt (siehe Tabelle 3). Mit Blick auf das Produktivitätsproblem wird Mexiko in Zukunft vor allem mehr als die bisherigen mageren 0,46 Prozent des Sozialprodukts in Forschung und Entwicklung investieren müssen; Brasilien steht diesbezüglich mit 1,16 Prozent deutlich besser da. Auch die Investitionen in Bildung und Infrastruktur müssen verstärkt werden. Obwohl Mexiko, gemessen an seinem Bruttosozialprodukt, heute die zwölftgrößte Wirtschaft der Welt ist, liegt es im internationalen Vergleich mit der Qualität seiner Infrastruktur nur auf Platz 68 (in einem Ranking von 134 Ländern). Die NGO México Evalúa schätzt, dass Mexiko über 20 Jahre hinweg jährlich 2,6 Prozent mehr als bisher in seine Infrastruktur investieren müsste, um den Deckungsgrad und die Qualität der Infrastruktur Südkoreas zu erreichen.(6)

Tabelle 3: Investitionen 2010-2011 (in Prozent des BIP).Quelle: CEPAL 2012


Mehr öffentliche Investitionen und Infrastruktur erfordern eine ausreichende Ressourcenausstattung des Staates; die ist in Mexiko bei einer der niedrigsten Steuerquoten in Lateinamerika von unter zehn Prozent bislang aber nicht gewährleistet. Die jüngste Fiskalreform ging zwar in die richtige Richtung, griff aber zu kurz. Deshalb kann sich die Zusicherung des Präsidenten Peña Nieto an den Privatsektor, in den nächsten Jahren keine weitere Steuerreform mehr vornehmen zu wollen, noch als gefährliche Fessel erweisen.

Mit der Reform des Energiesektors soll die enorme Steuerlast, die bislang auf dem parastaatlichen Erdölunternehmen PEMEX lag, reduziert werden. Dies wird nach Schätzungen des Zentrums für Wirtschaftsstudien der Privatwirtschaft (CEESP) vorübergehend ein Loch in Höhe von 150 Milliarden Pesos in die Staatsfinanzen reißen, wenn die rückläufigen Steuertransfers von PEMEX, das in den vergangenen Jahren zwischen 30 und 40 Prozent zum Staatshaushalt beitrug, nicht zügig durch die Besteuerung der Einnahmen der privaten Unternehmen mit Förderverträgen kompensiert werden. Der Fehlbetrag entspräche in etwa den gesamten durch die Fiskalreform von 2013 gewonnenen zusätzlichen Steuereinahmen.(7) Die Investitionskapazitäten des mexikanischen Staates werden durch die Energiereform jedenfalls nicht verbessert.

Auch der Finanzsektor wird für die schwache wirtschaftliche Dynamik der letzten Dekaden verantwortlich gemacht, da er nicht in ausreichendem Maße Kredite für produktive Investitionen bereitstellt. Obwohl Mexiko über einen ausreichend kapitalisierten und profitabel operierenden Bankensektor verfügt, ist das Kreditvolumen der Geschäftsbanken seit 1995 drastisch auf 27 Prozent des BSP gefallen - und damit weit unter den lateinamerikanischen Durchschnitt. In absoluten Zahlen liegt das Kreditvolumen mit 2.488 Millionen Pesos 2013 unter dem Niveau von 1994 (3.175 Millionen). Zudem finanziert ein Großteil der Kredite - vor allem über Kreditkarten - den privaten Konsum, während nur etwa ein Fünftel der Kreditmasse in produktive Investitionen fließt.(8) Mexiko fehlt es auch an einer der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES vergleichbar effizienten Finanzinstitution. Während die BNDES zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für den Ausbau der brasilianischen Infrastruktur geworden ist, ist das Kreditvolumen der mexikanischen Entwicklungsbanken zwischen 1995 und 2010 um fast 70 Prozent zurückgegangen. Dabei floss ein Großteil nicht in den Produktiv-, sondern in den Finanzsektor. Inwieweit die zum Reformpaket des »Paktes für Mexiko« gehörende Finanzmarktreform zu einer nachhaltigen Verbesserung der Kreditversorgung der mexikanischen Wirtschaft beitragen kann - insbesondere auch der Klein- und Mittelbetriebe, von denen derzeit etwa 80 Prozent ohne Zugang zu Krediten sind -, muss abgewartet werden. Die Erwartungen diesbezüglich sind eher verhalten.

3.3 Der Binnenmarkt als Wachstumspotenzial?

Um Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln, wird die Regierung nicht alleine auf die Effekte der Strukturreformen setzen können. Sie wird vor allem mehr tun müssen, um den schwachen Binnenmarkt zu fördern. Dabei erweist sich das niedrige Lohnniveau Mexikos als großes Hindernis. Hier zeigt sich ein deutlicher Kontrast zu Brasilien, dem es in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts gelungen ist, mit einem binnenmarktorientierten und konsumbasierten Wachstumsmodell weite Teile der ärmeren Bevölkerung in den Wirtschaftskreislauf zu integrieren. In Brasilien entstand so eine neue, breite Mittelschicht, die heute über beachtliche Kaufkraft verfügt und ein wichtiger Faktor für die weitere wirtschaftliche Entwicklung ist. Neben dem Sozialtransferprogramm Bolsa Familia trug zu dieser positiven Entwicklung ganz wesentlich die systematische und deutliche Anhebung des Mindestlohns bei - um durchschnittlich fast sechs Prozent in der letzten Dekade.

In Mexiko hat der Mindestlohn dagegen seit den 1970er Jahren um 70 Prozent an Kaufkraft eingebüßt. Fast 14 Prozent der Arbeitnehmer_innen, also knapp sieben Millionen Menschen, erhalten für ihre Arbeit nur den Mindestlohn, der bei etwa 2.000 Pesos (ca. 115 EUR) monatlich liegt. Mexiko ist das einzige Land Lateinamerikas mit einem Mindestlohn, der ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle darstellt.(9) Nach Schätzungen der nationalen Kommission zur Evaluierung der Sozialpolitik (CONEVAL) müsste der Mindestlohn um das Fünffache angehoben werden, um - wie die mexikanische Verfassung es vorschreibt - die Grundbedürfnisse einer Familie abzudecken. Und auch der Reallohn stagnierte in Mexiko in den letzten Jahren; gemäß Daten der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) nahm er in Mexiko seit 2005 um magere 2,6 Prozent zu - im Vergleich stieg er dagegen in Uruguay um fast 40 Prozent, in Chile um 23 Prozent, in Brasilien um 20 Prozent und in Kolumbien um gut zehn Prozent (siehe Tabelle 4). Real lag der mexikanische Durchschnittslohn 2012 fast auf dem gleichen Niveau wie 30 Jahre zuvor.(10) 29 Millionen abhängig Beschäftigte verdienen maximal drei Mindestlöhne, also etwa 345 EUR, und bleiben damit unter der Armutsgrenze. Zuletzt sind verstärkt Arbeitsplätze mit einem Einkommen von über drei Mindestlöhnen zu Gunsten von Arbeitsplätzen mit einem Einkommen unter drei Mindestlöhnen verloren gegangen, so dass selbst das Forschungsinstitut der Arbeitgeber CEESP von einer durch die Lohnentwicklung bedingten Bremse der Binnennachfrage spricht.(11)

Tabelle 4: Reallohnentwicklung in ausgewählten Ländern Lateinamerikas (2005 = 100).Quelle: CEPAL 2013



Der Anteil der Arbeitseinkommen am Sozialprodukt ist seit den 1980er Jahren konstant gefallen. Wie begrenzt die Kaufkraft der Mehrheit der Arbeitnehmer_innen ist, belegen die Zahlen des nationalen Statistikinstituts INEGI: Danach geben Haushalte mit einem Arbeitseinkommen deutlich mehr als die Hälfte davon nur für Lebensmittel und Getränke aus. Zwar ist Mexikos Mittelklasse zwischen 2000 und 2010 um beachtliche 8,5 Millionen Menschen gewachsen, doch macht sie weiterhin nur knapp 40 Prozent der Bevölkerung aus - gegenüber 59 Prozent ärmerer sozialer Schichten. 53 Millionen Mexikaner_innen leben in Armut; dies entspricht 45,5 Prozent der Bevölkerung - ein deutlich höherer Anteil als in Brasilien mit 21,4 Prozent Armutsbevölkerung.

Vor diesem Hintergrund ist die Binnennachfrage in Mexiko, ganz anders als in Brasilien, keine Triebfeder der wirtschaftlichen Entwicklung. Motor der wirtschaftlichen Entwicklung sind vor allem die exportorientierten Sektoren, insbesondere die Automobilindustrie. Während die Exporte von Autos zunehmen und inzwischen 12 Prozent aller in den USA gekauften Autos in Mexiko hergestellt wurden, ist der Absatz im Inland mit 16 Prozent der Gesamtproduktion unter das Niveau von 2001 gefallen. Auch haben die Arbeitnehmer_innen in der Automobilindustrie am Boom der Branche in den letzten Jahren nicht angemessen partizipiert; der Lohnanteil am Produktionswert der mexikanischen Automobilindustrie ist seit 2006 von 30 auf 22,3 Prozent gefallen. Angesichts der schwachen Dynamik des Binnenmarktes sprechen kritische Beobachter_innen deshalb ironisch von einer »Marktwirtschaft ohne Markt«.

Der Verfall des Mindestlohns und generell das niedrige Lohnniveau sind nicht zuletzt ein Spiegelbild der Arbeitsbeziehungen. Während es in Brasilien starke Gewerkschaften mit reeller Verhandlungsmacht gibt, ist die Verhandlungsmacht der korporativen Gewerkschaften Mexikos seit den 1980er Jahren weitgehend erodiert. Dazu tragen obsolete rechtliche Rahmenbedingungen ebenso bei wie staatliche Interventionen. Eine wirkliche Kultur freier Kollektivverhandlungen hat sich in Mexiko nicht herausgebildet. Nicht nur hat Mexiko die ILO-Konvention 98 zum Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen noch nicht ratifiziert. Vielmehr hat sich stattdessen eine Kultur der »Simulation« von Kollektivverhandlungen breitgemacht, in der korrupte Gewerkschaftsbürokrat_innen und dubiose, nicht legitimierte »Interessenvertreter_innen« hinter dem Rücken der Arbeitnehmer_innen »Tarifverträge« aushandeln, deren Funktion nicht die Verbesserung der Löhne und Arbeitsbedingungen ist, sondern der »Schutz« der Unternehmen vor authentischen Gewerkschaften.(12) Da daran leider auch die Arbeitsrechtsreform des Jahres 2012 nichts geändert hat, besteht akuter politischer Handlungsbedarf.

3.4 Nachholbedarf bei der Rechtsstaatskultur

Zu den noch nicht überwundenen Entwicklungsproblemen Mexikos gehört nicht zuletzt die schwach entwickelte Rechtsstaatskultur. Ein erst kürzlich veröffentlichter Bericht des nationalen Wahlinstituts IFE belegt wieder einmal, dass die Tradition der politischen Aushandlung des Rechts in Mexiko nach wie vor ungebrochen ist. 66 Prozent der Mexikaner_innen glauben, dass das Recht nicht oder nur wenig respektiert wird. Die evidente Kluft zwischen rechtlicher Norm und politischer Praxis ist in der politischen Kultur des Landes weithin akzeptiert.(13) Internationale Indizes zur Rechtsstaatlichkeit sehen Mexiko daher meist auf den unteren Rängen. Im Global Peace Index des Londoner Institute for Economics and Peace ist Mexiko seit 2007 um 54 Plätze abgerutscht und belegt derzeit Rang 133 unter 162 Ländern.

Zu den Hemmnissen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung gehört insbesondere die weit verbreitete Korruption. Im Korruptionsindex von Transparency International liegt Mexiko hinter vielen anderen Ländern der Region nur auf Rang 106 von insgesamt 177 bewerteten Ländern (siehe Tabelle 5). Transparency Mexico schätzt, dass die mexikanischen Haushalte im Schnitt 14 Prozent ihrer Einkommen für Schmiergelder ausgeben, um öffentliche oder private Dienstleistungen zu erhalten. Und schließlich erweist sich auch die grassierende Unsicherheit und Gewalt als schwere Last für Entwicklungsfortschritte; ihre Kosten belaufen sich nach seriösen Schätzungen auf 1,3 Prozent des BSP.

Tabelle 5: Korruptionsindex.Quelle: Transparency International 2013



4. Strategischer Partner Mexiko - für wen?

4.1 Mexikos außenwirtschaftliche Agenda

Nachdem Mexiko in den zwölf Jahren konservativer Regierungen (2000-2012) ein eher blasser internationaler Akteur gewesen war, hatte sich die nachfolgende PRI-Regierung von Enrique Peña Nieto auf die Fahnen geschrieben, Mexiko wieder präsenter und einflussreicher in der internationalen Politik zu machen. Als Ziel wurde formuliert, Mexiko zu einem »Akteur mit globaler Verantwortung« zu machen. Besonderer Nachdruck wird dabei auf die außenwirtschaftliche Agenda gelegt. Mexiko ist heute nicht nur eine der offensten Wirtschaften weltweit, sondern tritt international auch offensiv für Freihandel und offene Märkte ein. Es versteht sich als global free trade leader. Die Bewerbung seines Kandidaten Herminio Blanco für den Posten des WTOGeneraldirektors - der letztendlich dem brasilianischen Kandidaten Roberto Azevedo unterlag - wurde mit der Aussage betrieben, das Land trage den Freihandel in seiner DNA. Dieses Bekenntnis zu Freihandel und einer offenen Wirtschaft trifft in den USA und Europa auf viel Sympathie, weshalb sich Mexiko »im richtigen Lager« fühlen darf.

In Lateinamerika wird das Selbstverständnis Mexikos als free trade leader dagegen skeptischer gesehen. Nachdem das von den USA promovierte Projekt einer (Gesamt-)Amerikanischen Freihandelszone (ALCA) 2004 gescheitert war, wurden politischer Dialog und Konzertation zu den prioritären Zielen im lateinamerikanischen Integrationsprozess; die Stärkung des intraregionalen Handels trat dagegen in den Hintergrund. Dieser stagniert auf einem niedrigen Niveau von ca. 20 Prozent. Mexikos Handelsbeziehungen mit dem Rest Lateinamerikas sind trotz einer Intensivierung in den letzten Jahren schwach: Nur etwa sieben Prozent der mexikanischen Exporte gehen nach Lateinamerika, und ca. vier Prozent der Importe kommen aus der Region. Hier liegt noch viel Potenzial für Mexikos Bestreben einer Diversifizierung des Außenhandels.

4.2 Mexikos Blick nach Asien: Pazifik-Allianz und TPP

Vor diesem Hintergrund hat Mexiko mit der Gründung der Pazifik-Allianz, zu der es sich im Juni 2012 mit Chile, Kolumbien und Peru zusammenschloss, einen neuen Akzent gesetzt. Neben dem Bemühen um eine Neuausrichtung der wirtschaftlichen Aktivitäten auf Asien und den Pazifikraum ist es ein Anliegen der Allianz, wirtschaftliche Außenöffnung und Freihandel wieder auf die regionale Tagesordnung zu setzen. Die mexikanische Regierung bezeichnet die Pazifik-Allianz gar als eine »Avantgarde« des Freihandels, die im Kontrast zu protektionistischen Tendenzen in der Region stehe. Nicht ohne Grund wird die Allianz innerhalb der Region als Gegenpol oder gar Konkurrenz zu dem von Brasilien dominierten MERCOSUR gesehen, der mehr auf die Entwicklung eines regionalen Marktes setzt.

Die Entwicklung der Pazifik-Allianz wird derzeit mit viel Aufmerksamkeit verfolgt; ihr wird Dynamik und großes Entwicklungspotenzial zugesprochen. Manche wollen in ihr angesichts der neuerdings »enttäuschenden Abwärtsdrift« (Jorge Castañeda) in der wirtschaftlichen Dynamik der Region sogar schon einen »neuen Motor« für die Entwicklung Lateinamerikas sehen. Allerdings ist die Intensität des Handels unter den Allianzmitgliedern mit derzeit ca. 3,5 Prozent ihres Außenhandels noch weit davon entfernt, Wachstumsimpulse für die Region setzen zu können. Als ein Weckruf für die Rückkehr der Freihandelsagenda nach Lateinamerika vermag sie möglicherweise aber Anstöße für die stockende wirtschaftliche Integration in Südamerika und insbesondere die nicht mehr ausreichende Integrationsstrategie Brasiliens(14) zu geben.

Ein weiterer wichtiger Baustein in Mexikos außenwirtschaftlicher Agenda ist sein Beitritt zu den Verhandlungen über ein transpazifisches Assoziationsabkommen (TPP), die seit 2009 zwischen einer Reihe von Pazifikanrainern geführt werden. Mexiko schloss sich dieser Gruppe, in der die USA zweifellos eine dominante Rolle einnehmen, im Oktober 2012 an. Mit diesem Beitritt zu den TPP-Verhandlungen signalisiert Mexiko vor allem seinem nördlichen Nachbarn USA, dass es auf globaler Ebene zur Freihandelsagenda steht und unverzichtbarer Teil der Bestrebungen sein muss, Nordamerika als Region in den globalen Wertschöpfungsketten besser zu positionieren. Kurzfristige wirtschaftliche Vorteile für Mexiko sind so auch weniger durch den Zugang zu neuen Märkten zu erwarten als über eine effektivere Einbindung in die globalen Produktionsketten, insbesondere durch die Einbeziehung in eine nordamerikanische Produktionsplattform. Aus mexikanischer Perspektive wird das transpazifische Assoziationsabkommen dann vor allem als Neubelebung und Bekräftigung von NAFTA verstanden.(15)

4.3 Nur zögerliche Annäherung an Brasilien

Gegenüber dieser Prioritätensetzung in der außenwirtschaftlichen Agenda Mexikos ist die eher marginale Bedeutung, die den Beziehungen zu Brasilien beigemessen wird, auffällig. Im außenpolitischen Kapitel des nationalen Entwicklungsplans wird Brasilien nicht einmal erwähnt. Die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern sind auf einem niedrigen Niveau (ca. zwei Prozent der jeweiligen Exporte), und die Ende der 1990er Jahre aufgenommenen Verhandlungen um einen bilateralen Handelsvertrag liegen derzeit auf Eis. Zuletzt waren protektionistische Maßnahmen Brasiliens gegen mexikanische Automobilexporte (über 40 Prozent der mexikanischen Exporte nach Brasilien) Anlass zu Kontroversen, die bei mexikanischen Unternehmen eine ablehnende Haltung gegenüber einem Freihandelsvertrag mit Brasilien verstärkt haben. Eine 2007 ins Leben gerufene bilaterale Kommission zur Intensivierung der Beziehungen hat seither lediglich viermal getagt; bemerkenswerte Fortschritte sind, mit Ausnahme der Abschaffung des Visumszwangs zwischen beiden Ländern, nicht zu vermelden.


5. Fazit

Mexikos außenwirtschaftliche Agenda ist durch das Selbstverständnis als global free trade leader geprägt. Prioritär für das Land sind die Beteiligung an den Verhandlungen um ein transpazifisches Assoziationsabkommen sowie das Anliegen, im Rahmen der Pazifik-Allianz wirtschaftliche Außenöffnung und Freihandel wieder auf die lateinamerikanische Integrationsagenda zu setzen. Dagegen wird der Verbesserung der bilateralen Beziehungen zu Brasilien eine vergleichsweise geringe Bedeutung beigemessen.

Ein Grund für die allenfalls stockend zu nennende Annäherung zwischen den beiden größten Wirtschaften Lateinamerikas ist sicherlich in den unterschiedlichen Integrationsstrategien zu sehen. Als unvereinbar erscheinen diese aber bei nüchterner Betrachtung nicht. Dennoch dürfte die gegenwärtig mangelnde Einmütigkeit auf mittlere Sicht den Spielraum Lateinamerikas gegenüber anderen Regionen eher einengen. Und sie wird vor allem ein Hindernis sein, um die Regionalisierung der Produktion voranzutreiben, die für die Verbesserung der globalen Wettbewerbsfähigkeit Lateinamerikas so wichtig wäre.


Anmerkungen

(1) Alex Covarrubias Valdenebro, Explosión de la Industria Automotriz en México: De sus encadenamientos actuales a su potencial transformador, Friedrich-Ebert-Stiftung, Mexiko: Análisis 1/2014.

(2) Pascal Lamy, La política comercial de México: experiencia y avenidas de futuro, in: Leycegui Gardoqui, B. (Coord.): Reflexiones sobre la Política Comercial Internacional de México 2006-2012, ITAM/SE, México D. F., 2012, S. 31-36.

(3) Angel Gurría, La consolidación del proceso mexicano de liberalización comercial: beneficios y desafíos, in: ebd., S. 37-42.

(4) Hugo Beteta, Inserción Comercial: una visión desde Latinoamérica con especial énfasis en los países de la Alianza del Pacífico y Brasil. Vortrag zum Internationalen Forum »El Acuerdo de Asociación Transpacífico y sus implicaciones para México«, México D. F., 2.4.2014.

(5) Rogelio Ramírez de la O, Fondo Mexicano del Petróleo para la Estabilización y el Desarrollo, Friedrich-Ebert-Stiftung, Mexiko: Análisis No. 2/2014.

(6) México Evalúa, 10 puntos para entender el gasto en infraestructura en México, México D. F., 2011.

(7) La Reforma vom 14.4.2014.

(8) David Ibarra, Crisis y Reformismo en México, UNAM, México, 2013.

(9) CEPAL, Pactos para la igualdad: hacia un futuro sostenible, Santiago de Chile, 2014.

(10) Gerardo Esquivel, Shared Prosperity in Emerging Economies: Mexico, Discussion Paper, April 2014.

(11) El Financiero vom 19.6.2014.

(12) Thomas Manz, Gewerkschaften in Mexiko - fern der Basis, nahe der Macht, in. B. Schröter (Hrsg.), Das Politische System Mexikos, Wiesbaden, 2014.

(13) IFE Informe País sobre la Calidad de la Ciudadanía en México, México, 2014.

(14) Thomas Manz, Die Alianza del Pacifico. Ein »neuer Motor« für die Entwicklung Lateinamerikas, Friedrich-Ebert-Stiftung, Perspektive, Berlin, Juli 2013.

(15) Alejandro González Morgado, El camino incierto del TPP, in: González, G./Pellicer, O. (Hrsg.), La Política Exterior de México. Metas y Obstáculos, México D. F., 2013, S. 229-254.


Literatur

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Über den Autor

Dr. Thomas Manz war bis August 2014 Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mexiko und übernimmt zum Jahreswechsel 2014/2015 die Büroleitung in Brasilien.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2014