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INTERNATIONAL/170: Brasilien - Schuldenerlass für afrikanische Länder, beide Seiten profitieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. September 2013

Brasilien: Schuldenerlass für afrikanische Länder - Beide Seiten profitieren

von Fabiana Frayssinet


Bild: © Mario Osava/IPS

Das brasilianische Unternehmen Odebrecht baut ein Kraftwerk in Angola
Bild: © Mario Osava/IPS

Rio de Janeiro, 12. September (IPS) - Die Regierung Brasiliens plant, etwa einem Dutzend afrikanischer Staaten fast 900 Millionen Euro Schulden zu erlassen. Hinter dem "Akt der Solidarität" stehen aber durchaus politische und wirtschaftliche Interessen.

Über die Initiative der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff wird derzeit im Parlament in Brasilia beraten. Nutznießer wäre in erster Linie die Republik Kongo (Kongo-Brazzaville), die Brasilien 350 Millionen US-Dollar schuldet. Tansania steht mit 237 Millionen und Sambia mit 113 Millionen Dollar in der Kreide. Auch Côte d'Ivoire, Gabun, Guinea-Bissau, Mauretanien, die Demokratische Republik Kongo, Guinea, São Tomé und Principe sowie Senegal und der Sudan würden profitieren.


Opposition wirft afrikanischen Staaten Korruption vor

Rousseff sprach von einer "zweispurigen Fahrbahn, die sowohl den afrikanischen Ländern als auch Brasilien zugutekommt". Doch Widerstand kommt von der Opposition. So gibt es einige Senatoren, die das Vorhaben verhindern wollen. Sie argumentieren, dass Staaten wie Kongo-Brazzaville, Gabun und Sudan Korruption und sogar Völkermord vorgeworfen werde.

So erklärte Senator José Agripino von der oppositionellen Demokratischen Partei, dass es innerhalb der Regierungen dieser Länder korrupte "Figuren" gebe, die sich Louis-Vuitton-Accessoires und Mercedes-Luxusautos leisteten. "Schulden von Staaten abzuschreiben, deren Vertreter derartige Privilegien genießen, ist die falsche Botschaft", sagte er.

Das brasilianische Außenministerium teilte derweil mit, der geplante Schuldenerlass basiere auf Regeln und Grundsätzen des Pariser Clubs der reichen Geberstaaten zur Verringerung der Schuldenlast für arme Länder. Die Maßnahme sei Teil "einer internationalen Praxis mit klaren Zielen, die verhindern soll, dass Schulden ein Hindernis für Wirtschaftswachstum und Strategien zur Armutsbekämpfung darstellen".

Den Einwand der Opposition lässt der Politikwissenschaftler Williams Gonçalves von der Universität des Staates Rio de Janeiro nicht gelten. Die Gegner der Schuldenerlasse hätten geschwiegen, als die USA und andere Wirtschaftsmächte Diktaturen in Lateinamerika protegiert und finanziert hätten. "Und heute schützen sie ähnliche Regime in Nahost", sagte er.

Brasiliens Außenpolitik gründe auf dem Respekt gegenüber der nationalen Souveränität, erklärte Gonçalves. "Politische Bedingungen zu stellen und sich in die inneren Angelegenheiten eines Landes einzumischen, ist bei den USA und anderen einflussreichen Staaten an der Tagesordnung. So wie wir werden auch andere nicht wollen, dass sich irgendjemand in unsere Politik einmischt. "

Senator Alvaro Dias von der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens wies darauf hin, dass eine Streichung der Schulden die Aufnahme neuer Kredite bei der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES zulassen und das Engagement führender brasilianischer Konsortien in den betreffenden afrikanischen Staaten stärken werde.

Nach Angaben des brasilianischen Außenministeriums stieg das Volumen des Handels zwischen Brasilien und Afrika von fünf Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 auf 26,5 Milliarden Dollar 2012. Staatliche und private Unternehmen Brasiliens investieren in Afrika in Bereiche wie Erdölförderung, Bergbau und Infrastruktur.


Geostrategische Ziele

Wie Marcelo Carreiro, Historiker an der Föderalen Universität von Rio de Janeiro, erläuterte, verfolgt Brasiliens Afrika-Politik "strategische Ziele", was sich auch in der Auswahl der begünstigten Länder widerspiegle, von denen sich viele in Westafrika befänden.

Geografisch betrachtet lägen diese Länder auf der anderen Seite des Ozeans dem verarmten, aber rasch wachsenden Nordosten Brasiliens gegenüber, erklärte Carreiro. Somit könne eine "geostrategische brasilianische Sphäre im Südatlantik" geschaffen werden. Das Land könne seine Grenze weiter in Richtung der westafrikanischen Küste zugunsten eines "mare brasiliensis" verschieben. Brasilien würde auf diese Weise unter anderem seine Tiefsee-Erdölvorkommen schützen können, die vor seiner Küste unter einer dicken Salzschicht lagerten.

"Die neue Aufteilung Afrikas" lasse sich gut am Beispiel Sudan aufzeigen, "dem einzigen Land der Welt, in dem ein vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermordes angeklagter Präsident (Omar al-Baschir) das Sagen hat", sagte Carreiro. "Der Sudan ist gleich auf dreifache Weise attraktiv für Brasilien: Er hat reiche Ölvorkommen, benötigt neue Infrastrukturen und hungert nach Industrie- und Agrargütern. Für die brasilianische Wirtschaft ist dies vermutlich der vorteilhafteste Markt." Brasilien könnte sich durch die engeren Kontakte zu Afrika außerdem Unterstützung bei seinem Bestreben erhoffen, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erhalten.

Investitionen des südamerikanischen Giganten erreichen Afrika nicht nur über die BNDES, sondern auch über die Brasilianische Behörde für Kooperation (ABC), die 2010 insgesamt 50 Millionen Dollar für Landwirtschaft, Gesundheit und Bildung bereitstellte. Carreiro wies darauf hin, dass die Regierung im Mai eine Reform der ABC angekündigt hatte. Damit würden die Hilfszahlungen um 300 Millionen Dollar aufgestockt, die vorwiegend für Afrika bestimmt seien. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.abc.gov.br/
http://www.bndes.gov.br/
http://www.ipsnews.net/2013/09/africa-in-debt-to-brazil-forgiveness-isnt-always-free

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IPS-Tagesdienst vom 12. September 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2013