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INTERNATIONAL/164: Sinkende Zahl der ärmsten Länder - Auslandsinvestitionen nicht immer entscheidend (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. August 2013

Entwicklung: Sinkende Zahl der ärmsten Länder - Auslandsinvestitionen nicht immer entscheidend

von Thalif Deen


Bild: © Louise Redvers

Kind in Luanda. Angola ist eines der ärmsten Länder der Welt
Bild: © Louise Redvers

New York, 1. August (IPS) - Die Zahl der ärmsten Länder der Welt (LDCs), die von 24 im Jahr 1971 auf 49 angestiegen ist, nimmt ab. Nachdem Botswana, den Kapverden und den Malediven der Ausstieg aus dieser Staatengruppe gelungen ist, stehen die Chancen gut, dass auch Tuvalu, Vanuatu, Kiribati, Angola, Samoa und Äquatorialguinea bis 2015 ausscheren werden.

Die Nachricht über die wachsende Schar der 'Aufrücker' fällt mit der Veröffentlichung eines neuen UN-Berichts zusammen, demzufolge die ausländischen Direktinvestitionen (FDIs) in die LDCs im letzten Jahr um 20 Prozent auf ein Rekordhoch von 26 Milliarden US-Dollar gestiegen sind. Die höchsten FDIs flossen der Untersuchung zufolge nach Kambodscha und in die fünf afrikanischen Länder Demokratische Republik Kongo (DRC), Liberia, Mauretanien, Mosambik und Uganda.

Wie aus dem Weltinvestitionsbericht 2013 der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) mit Sitz in Genf weiter hervorgeht, verzeichnet Liberia mit 167 Prozent den größten prozentualen FDI-Zuwachs. Mauretanien kann 105 Prozent vorweisen. Die DRC und Mosambik kommen auf jeweils 96 Prozent, Uganda und Kambodscha auf 93 Prozent beziehungsweise 73 Prozent.

Doch 20 LDCs sind noch immer in einer Abwärtsspirale gefangen. Dies gilt insbesondere für Angola, Burundi, Mali und die Solomonen. Die ärmsten Länder sind zugleich die strukturell schwächsten Volkswirtschaften, wobei häufig auch geophysikalische Handicaps, eine begrenzten Entwicklungsfähigkeit und die Anfälligkeit für externe Krisen eine Rolle spielen. Jüngstes LDC-Mitglied ist der Südsudan, der den Vereinten Nationen im Juli 2011 nach seiner Unabhängigkeit als 193. Mitgliedsstaat beigetreten ist.


Zweifel an Nachhaltigkeit der FDIs

Laut Arjun Karki, dem internationalen Koordinator von 'LDC Watch', lässt sich derzeit nicht abschätzen, ob die Zunahme der FDIs in den ärmsten Ländern ein kurzfristiger oder anhaltender Trend ist. LDC Watch ist eine globale zivilgesellschaftliche Allianz, die den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten auf Entwicklungsfragen legt, die vor allem die LDCs betreffen.

"Seitdem die ausländischen Direktinvestitionen in die Industriestaaten rückläufig sind, befinden sich die Entwicklungsländer auf dem FDI-Radar", meint Karki. Profitiert hätten aber vor allem ressourcenreiche LDCs wie Mauretanien, Mosambik und Uganda. Dass die meisten Investitionen im Bergbau getätigt würden, sei aus entwicklungspolitischer Sicht kein ermutigender Trend. "Ausländische Investitionen in den Rohstoffsektor garantieren kein nachhaltiges Wachstum."

Das UN-Komitee für Entwicklungspolitik (CDP) räumt Ländern unter bestimmten Umständen den LDC-Status ein. Maßgeblich sind Bevölkerungsfragen, Nationaleinkommen, Wirtschaftsindikatoren und andere Faktoren. Die wichtigste Voraussetzung ist jedoch, dass Staaten mit einer Aufnahme in die LDCs einverstandnen sind. Simbabwe zum Beispiel wurde zwar vom CDP als potenzielles LDC-Land identifiziert, weigerte sich aber, der LDC-Gruppe beizutreten.

Wie UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte, kommt der Anstieg der FDIs zur rechten Zeit: vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Millennniumsentwicklungsziele (MDGs) 2015. Übergeordnetes MDG ist die Beseitigung von Hunger und Armut. "Glaubhafte und objektive FDI-Angaben können diesem Doppelziel zum Erfolg verhelfen", meinte Ban.

Karki verweist auf das neue Istanbuler Aktionsprogramm für die LDCs, das für den Zeitraum 2011 bis 2020 eine kleine Verschiebung vom rohstofforientierten zum industriellen Wachstum vorsieht. Um den LDCs einen wirtschaftlichen Strukturwandel zu ermöglichen, müssten Produktivitätskapazitäten aufgebaut werden, sagt er.


Rohstoffreichtum geht an den Armen vorbei

Denn das Problem mit den in den Rohstoffsektor fließenden FDIs sei ihr geringes Potenzial, die Entwicklung in den armen Ländern voranzubringen. Die Nutznießer seien die transnationalen Unternehmen und Eliten der Rohstoffländer zu Lasten der armen und ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen. Karki zufolge sind wachsende soziale Ungleichheit und ungerechte Ressourcenverteilung die größten Entwicklungshemmnisse. Angesichts dieser Defizite ist es nach Ansicht des Experten besser, die Rohstoffe im Boden zu belassen.

Dass Angola, Burundi und Mali ein Negativwachstum verzeichnen, könnte mit der politischen Instabilität dieser LDCS in Verbindung gebracht werden. Doch Karki betont, dass dieses Argument keinem Realitätscheck standhalten wird. So hätten sowohl autoritär geführte Länder als auch Staaten mit schwachen Regierungen in Afrika und Asien FDIs anziehen können.

Wie der Koordinator von LDC Watch erklärt, muss ein FDI-Rückgang keine schlechte Nachricht sein. So könnte es armen Ländern durchaus an einem Entwicklungsmodell gelegen sein, das den nationalen Interessen und Rechten der Bevölkerung mehr Bedeutung beimesse als Profit und Ausbeutung. "Sollte dies der Fall sein, dann sind LDC-Staaten auf dem besten Weg, die strukturellen Ursachen von Armut und Ungerechtigkeit zu überwinden." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ldcwatch.org/
http://www.ipsnews.net/2013/07/worlds-poorest-nations-slowly-mending/

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IPS-Tagesdienst vom 1. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2013