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INTERNATIONAL/102: Vor Solarkrieg gegen China? (Gerhard Feldbauer)


Vor Solarkrieg gegen China?

Nachdem vor allem deutsche Solarfirmen gegen chinesische Konkurrenten hoffnungslos unterlegen sind, reichen EU-Länder Anti-Dumping-Klage ein

von Gerhard Feldbauer, 1. August 2012



Die USA aber auch EU-Länder liegen schon in der Auseinandersetzung, zutreffend Wirtschaftskrieg genannt, über die nach ihrer Ansicht unterbewertete chinesische Währung, im Dauerclinch. Nun scheint ein neuer Konflikt hinzuzukommen, diesmal in der Solarbranche.

Nachdem europäische und besonders deutsche Solarunternehmen im Konkurrenzkampf gegen chinesische Firmen hoffnungslos unterlegen sind, haben sie jetzt bei der europäischen Kommission eine Anti-Dumping-Klage eingereicht. Die preisgünstigeren Angebote der chinesischen Firmen werden als Wettbewerbsverzerrung umschrieben und unfaire Handelspraktiken genannt. Die Wettbewerbsvorteile werden auf die chinesischen Firmen gewährten milliardenschweren staatliche Kredite bzw. Subventionen zurückgeführt. Als wenn die Bundesregierung der deutschen Autoindustrie nicht erst unlängst über fünf Milliarden Euro als Abwrackprämie geschenkt hätte.


USA verhängen bereits Strafzölle bis zu 250 Prozent

Voraussetzung der Eröffnung eines Verfahrens bei der EU ist, dass 25 Prozent der europäischen Solarfirmen die Klage einreichen. Mit 25 Unternehmen aus Deutschland, Italien, Spanien und weiteren EU-Ländern, die sich in einer Initiative "EU Prosun" zusammengeschlossen haben, dürfte diese Voraussetzung erfüllt sein. Die Kläger verlangen Solare Zölle gegen China nach dem Vorbild der USA, die Strafzölle bis zu 250 Prozent auf chinesische Solarprodukte verhängt haben. Das soll offensichtlich dazu beitragen, dass ihre First Solar, der zweitgrößte Hersteller der Branche, der nach einer dpa-Meldung 2011 Solarzellen mit einer Leistung von 1981 Megawatt produzierte, rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr (1412 Megawatt), seine Spitzenplatz im Weltranking halten oder besser noch auf Platz eins vorrücken kann. Unter Insidern kursiert auch die Meinung, aus den USA könnten die EU-Kläger zu dem Vorgehen angestachelt worden sein, um deren sonst gute Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zu Peking zu stören.


Deutsche Solarworld auf Platz 20 abgefallen

Wie aus einem Bericht des "Handelsblatt" hervorgeht, ist vor allem die deutsche Solarworld schwer angeschlagen und von Platz sieben der Weltrangliste 2007 auf Rang 20 zurückgefallen. Der Solarmodulhersteller produzierte 2011 noch 525 Megawatt an Leistung. Der frühere Weltmarktführer, die deutsche Q-Cells, sank auf Rang 13 ab. Nachdem die Leistung von 1014 Megawatt 2010 auf 790 2011 rutschte, meldete das Unternehmen aus Bitterfeld-Wolfen am 3. April 2012 Insolvenz an. Das Schicksal der deutschen Konzerne teilen die Japaner. Wie dpa meldete, fiel Kyocera, 2007 der viertgrößte Solarhersteller, auf Platz 18 des Rankings. Laut AFP belegte Sharp, früher die Nummer Zwei, 2011 Platz 16. xx


Vier Chinesen unter den Top fünf

Die Solarzellenhersteller der Volksrepublik rückten dagegen laut Agenturmeldungen (dapd, Reuters) in atemberaubenden Tempo auf die vorderen Plätze vor. Trina stieg zum fünftgrößten Solarzellenhersteller auf. 2011 produzierte der Chinese mit 1550 Megawatt knapp 48 Prozent mehr als im Vorjahr; Yingli erbrachte 2011 einen Zuwachs von rund 51 Prozent gegenüber der Vorjahresleistung von 1060 Megawatt; JA Solar legt mit 1700 Megawatt 2011 um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu und stieg zum Drittgrößten Produzenten der Branche auf. Den Vogel schoss Suntech Power ab, der zum größten Solarzellenhersteller der Welt aufstieg. Nach einem AFP-Bericht produzierte das chinesische Unternehmen 2011 Zellen mit einer Leistung von 2220 Megawatt, ein Jahr zuvor waren es nur 1585. Das Wachstum hält unvermindert an: Damit dominiert die Volksrepublik die Solarbranche. Vier Unternehmen in den Top fünf kommen aus dem Reich der Mitte.


Peking kaufte weltgrößten Hersteller von Windrädern in Europa

Einen Anstoß zum Vorgehen der Europäer dürfte auch gegeben haben, dass Peking inzwischen - wie in anderen Industriezweigen auch - in Europa alternative Energie-Unternehmen aufkauft. Im Juni 2011 übernahm der Titan-Konzern, der größte chinesische Windradproduzent den dänischen weltgrößten Hersteller von Windrädern. Die Rede war davon, dass China damit einen "Brückenkopf" in Europa errichtet habe.

Das Managermagazin online berichtete, dass die chinesische Solarbranche hart auf die Klage reagiert. "Wir werden bei der chinesische Regierung vorsprechen und fordern, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um die legitimen Interessen der chinesischen Solarindustrie zu schützen", sagte Yingli-Chef Wang Yiyu auf einer Pressekonferenz mit den drei Firmenmanagern. Mögliche Strafzölle auf Solarimporte aus China würden "einen umfassenden Handelskrieg zwischen der EU und China auslösen, der auf beiden Seiten nur zu enormen Verluste führen wird." Schutzmaßnahmen seitens der EU wären ein "tödlicher Schlag", warnten die Manager in einer gemeinsamen Erklärung.


Bundesrepublik will Handelsvolumen mit der Volksrepublik auf 280 Mrd. Dollar steigern

Nicht zuletzt deshalb ist die Klage wegen einer befürchteten Schädigung der engen Kooperation der Wirtschaften der meisten EU-Länder, vor allem aber der Deutschlands mit Chinas, und der damit bezweifelten Erfolgschancen umstritten. Das deutsche Handelvolumen mit China beträgt derzeit schon 140 Mrd. Dollar und soll bis 2015 verdoppelt werden. Dann hat auch die chinesische Solarindustrie laut "Spiegel" (6/2012) in der deutschen durch Beteiligungen und Zulieferverträge bereits starken Einfluss. Die Befürwortung der Klage durch Umweltminister Peter Altmaier (CDU) stieß deshalb bisher auf wenig Gegenliebe. Vorherrschende Kritik kommt nicht nur von den Grünen oder der Linksfraktion im Bundestag, sondern verhalten u. a. auch vom Bundesverband der deutschen Solarwirtschaft, der sich betont unparteiisch gibt, um die engen Beziehungen der deutschen mit der chinesischen Branche nicht zu beschädigen. Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Hans Josef Fell, nannte die Klage "ein Harakiriprogramm", das die Energiewende behindere, weil sie einen weiteren Preisrutsch der Module ausbremse. Er forderte im Gegenteil von der EU-Kommission, sich für freien Wettbewerb einzusetzen. Die energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion sah in der Klage nicht den richtigen Weg aus der Misere, die die Folge "einer verfehlten Industriepolitik der Bundesregierung" sei.

Mit einer raschen Verhängung von Strafzöllen ist, wenn überhaupt, nicht zu rechnen. Ohnehin hat die EU-Kommission 45 Tage Zeit, um über eine Annahme der Klage zu entscheiden. Eine Entscheidung wäre dann erst 2013 zu erwarten.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2012