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INTERNATIONAL/048: Deutsche Bank soll Abwicklung des russischen Staatseigentums managen (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 38 vom 23. September 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Alles muss raus!
Deutsche Bank soll Abwicklung des russischen Staatseigentums managen

von Willi Gerns


Die Privatisierung des von den Völkern der Sowjetunion in sieben Jahrzehnten geschaffenen Staatseigentums fand in den 90er Jahren unter Jelzin ihren Höhepunkt. Mit Hilfe derjenigen, die in der Konterrevolution die politische Macht an sich gerissen hatten, konnten Günstlinge des Kreml, Mafiosi und andere Neureiche in einem gigantischen Raubzug die Filetstücke des Volkseigentums an sich reißen. Auf diese Weise entstanden die "Oligarchen" als Oberschicht der neuen russischen Kapitalistenklasse.

Unter der Präsidentschaft Putins und Medwedjews hat die Übergabe des Staatseigentums in die Hände der Oligarchen und anderer Profitmacher - wenn auch mit weniger kriminellen Methoden - in immer neuen Wellen ihren Fortgang genommen. Anfang August hat die russische Regierung auf Drängen Präsident Medwedjews einen erweiterten Privatisierungsplan für die Jahre 2012 bis 2017 vorgelegt. Nach der Zeitschrift "Ost-West-Contact" (9/2011) sieht der Plan bis 2017 eine Anteilsveräußerung an den 14 größten staatseigenen Unternehmen vor. Dabei wird die Grenze, unter die die Beteiligung des Staates in Unternehmen von Schlüsselbereichen wie Finanzen, Erdöl, Telekommunikation und Transport nicht absinken soll, künftig nicht mehr bei 50 Prozent der Anteile liegen, sondern bis auf ein so genanntes Blockpaket (25 Prozent plus einer Aktie) oder sogar auf Null reduziert werden können.

Privatisiert werden soll u. a. die VTB-Bank, das zweitgrößte russische Geldinstitut, an dem der Staat nach dem Verkauf von 10 Prozent für 95,7 Milliarden Rubel (2,3 Mrd. Euro) im Februar derzeit noch 75 Prozent hält. Zudem geht es bei den Großunternehmen um die Russian Agricultural Bank, den Flughafen Scheremetjewo in Moskau, die Fluglinie Aeroflot, den Telekommunikationskonzern Rostelecom, den Erdölkonzern Rosneft, das Erdölunternehmen JSC Sarubezhneft, die auf Flüssiggas- und Öltransporte spezialisierte Großreederei Sovcomflot, das Unternehmen GTLK (Transportleasing), das Elektroenergie-Unternehmen Inter RAO, das Energie-Unternehmen RusHydro, den weltgrößten Diamantenproduzenten ALROSA, den Agrarkonzern Rosagroleasing und die im internationalen Getreidehandel tätige United Grain Company. Insgesamt liegt die Zahl der noch in staatlichem Voll- oder Teileigentum befindlichen Unternehmen bei etwa 6 500. Davon sollen 950 allein von 2011-2013 privatisiert werden. Es wird damit gerechnet, dass aus dem Verkauf des staatlichen Eigentums jährlich mindestens 300 Milliarden Rubel (7,2 Mrd. Euro) in die Staatskasse fließen. Nach "Ost-West-Contact" hat das russische Wirtschaftsministerium für "die Abwicklung der Transaktionen ... eine begrenzte Anzahl von im Russlandgeschäft erfahrenen Banken vorgesehen, unter anderem die Deutsche Bank und die Credit Suisse". Das muss nicht überraschen, da nicht nur das russische, sondern auch das ausländische Kapital eingeladen ist, das Staatseigentum zu erwerben. Die forcierte Privatisierung verfolgt nicht nur ideologische Ziele im Sinne der neoliberalen Doktrin. Mit den Milliarden aus den Verkäufen sollen vor allem die sich aus der Abhängigkeit Russlands von Rohstoffexporten ergebenden Unwägbarkeiten schwankender Marktpreise aufgefangen, Haushaltsdefizite und das wachsende Defizit des russischen Föderalen Pensionsfonds gedeckt werden. Wie die Wirtschaftszeitung "Komersant" berichtete, hat das Wirtschaftsministerium dem Finanzministerium eine Prognose der Privatisierungserlöse für die Jahre 2012-2014 übermittelt, mit der die im August getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Kreml und der Regierung über den Verkauf staatlicher Aktiva nun endgültig fixiert werden. Damit habe man laut "Komersant" das forcierte Privatisierungstempo, das Medwedjew gefordert hatte, für das Jahr 2012 zurückgenommen, da dies infolge aktuell steigender Ölpreise und der auch durch die bessere Wirtschaftsentwicklung wachsenden Steuereinnahmen nicht erforderlich sei. Darum soll u.a. auch der Verkauf von Paketen der Russischen Staatsbahnen auf 2014 verschoben werden.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Der Ausverkauf dessen, was vom Staatseigentum übriggeblieben ist, geht weiter. Zu denjenigen, die es sich aneignen, gehören neben russischen Oligarchen auch immer mehr ausländische Kapitalhaie.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, 38 vom 23. September 2011, Seite ...
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2011