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ENERGIE/1872: Chile - Energiesektor in der Krise, Regierung setzt auf Flüssiggas (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Juni 2014

Chile: Energiesektor in der Krise - Regierung setzt auf Flüssiggas

von Marianela Jarroud


Bild: © Marianela Jarroud/IPS

Der von Präsidentin Michelle Bachelet am 14. Mai eingeweihte Erdgasspeicher
Bild: © Marianela Jarroud/IPS

Santiago, 18. Juni (IPS) - Seit April hat Argentinien seine Gasexporte nach Chile kontinuierlich reduziert und das Nachbarland damit in eine schwere Energiekrise gestürzt. Zehn Jahre später scheint nun eine Lösung des Energieproblems in Sicht.

In der Hafenstadt Mejillones, 1.400 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago, wird in der Regasifizierungsanlage GNLM Flüssiggas (LNG) in Erdgas zurückgewandelt. Hier, im wasserarmen Norden des Landes, befindet sich das Epizentrum der Bergbauindustrie.

Staatspräsidentin Michelle Bachelet ist zuversichtlich, dass Erdgas zusammen mit erneuerbaren Energien einen wichtigen Beitrag zur erforderlichen Diversifizierung des Energiemixes in Chile leisten kann. "Was wir jetzt tun oder unterlassen, wird Folgen für die Zukunft haben", erklärte sie.

Mitte Mai hatte Bachelet den Gaslagertank des Regasifizierungsterminals in Mejillones, der größten Anlage dieser Art in Lateinamerika und einer der größten der Welt, eingeweiht. Das französisch-belgische Energieunternehmen 'GDF Suez' hält 63 Prozent der Anteile an dem Terminal. Der Rest ist im Besitz des staatlichen chilenischen Kupferproduzenten 'Codelco'.

Bachelet hatte während ihrer ersten Amtszeit von 2006 bis 2010 den Grundstein für den Industriekomplex gelegt. Im Februar 2010 traf der erste Tanker mit Methangas ein. Im Mai diesen Jahres weihte sie dann den riesigen, doppelwandigen Gaslagertank ein, der über ein Fassungsvermögen von 187.000 Kubikmetern verfügt. Die Innenwanne besteht aus Nickelstahl, die Außenwand aus Beton.


Erdbeben- und Tsunami-sicherer Tank

Laut dem Geschäftsführer von GDF Suez, Gerard Mestrallet, wurde der Riesentank nach den höchsten Sicherheitsstandards gebaut und kann sowohl Erdbeben als auch Tsunamis unbehelligt überstehen.

Der Ausbau von GNLM erforderte zusätzliche 200 Millionen US-Dollar, die zu den anfänglichen Investitionen in Höhe von 550 Millionen Dollar hinzukamen. Das durch den Regasifizierungsprozess entstehende Gas wird durch die Pipelines 'Nor Andino' und 'Gas Atacama' zu den Kunden, mehrheitlich Bergbaufirmen, geliefert. Vertragspartner sind derzeit der anglo-australische Multi 'BHP Billiton' sowie Codelco und der chilenische Energieversorger 'Generadora E-CL' in Besitz von GDF Suez.

Am Tag ihres Amtsantritts im März hatte Bachelet die Energie-Agenda ihrer Regierung vorgelegt, die sich auf saubere Energieträger und die Verwendung von Flüssiggas anstelle von Diesel sowohl in der Industrie als auch in den Privathaushalten konzentriert.

In Chile gibt es außer der Anlage in Mejillones noch einen zweiten LNG-Terminal in Quintero, 154 Kilometer nördlich von Santiago, der sich im Besitz der 'BC Group PLC' aus London und der staatlichen chilenischen Erdöl- und -gasgesellschaft 'ENAP' befindet.


Kritik von Umweltschützern

Die Leiterin der Lateinamerikanischen Beobachtungsstelle für Umweltkonflikte (OLCA), Lucia Cuenca, sieht die Pläne der Regierung jedoch kritisch. Ihrer Meinung nach hat es die Regierung versäumt, den Import von hochwertigem Gas aus Bolivien oder Argentinien in Erwägung zu ziehen. Stattdessen greife man auf das umstrittene hydraulische Fracking zurück.

Die Fracking-Methode erfordert enorme Wassermengen und Chemikalien. Im Zuge des Verfahrens werden große Mengen von Flüssigabfällen freigesetzt, die gelöste Chemikalien und andere Schadstoffe enthalten, die vor ihrer Wiederaufbereitung oder Entsorgung einer besonderen Behandlung unterzogen werden müssen.

Chile importiert zurzeit hauptsächlich Gas aus dem Karibikstaat Trinidad und Tobago und aus Katar. Angenommen wird, dass die Regierung mit den USA über künftige Lieferungen von Schiefergas verhandeln wird. "Flüssiggas gilt als Übergangstreibstoff. Es ist ökologisch gesehen zwar etwas besser als Kohle, jedoch im Vergleich mit sauberen Energien nicht die beste Option", erklärt Cuenca.

In Chile werden Wärmekraftwerke mit drei Treibstoffen betrieben: Diesel, die schmutzige und besonders teure Variante, Kohle, die reichlich und preiswert vorhanden ist, aber die Umwelt ebenfalls stark belastet, sowie Gas, das am wenigsten umweltschädlich ist, jedoch etwa 30 Prozent mehr kostet als Kohle.

1991, ein Jahr nach der Rückkehr des Landes zur Demokratie, unterzeichneten die Regierungen von Argentinien und Chile ein Wirtschaftsabkommen, das die Grundlagen für Gasleitungen zwischen den beiden Staaten legte. Der inzwischen verstorbene Néstor Kirchner, der 2003 in Argentinien Präsident wurde, stellte allerdings angesichts der geringen Verfügbarkeit von Erdgas die Versorgung im eigenen Land in den Vordergrund.

Die Verringerung der Gasexporte hatte für Chile gravierende wirtschaftliche Folgen. Kraftwerke mussten nun Erdöl nutzen, das sich auf dem internationalen Markt deutlich verteuert hatte. Zu dem Zeitpunkt, als Argentinien die Ausfuhren in das Nachbarland einschränkte, nutzten fast 90 Prozent der Industriebetriebe in Santiago Erdgas aus dem Nachbarstaat. Auch die Versorgung der Privathaushalte hing stark von Argentinien ab.

Chile plant unter Beteiligung des staatlichen Energieversorgers ENAP nun den Bau einer dritten Flüssiggasanlage im mittleren Süden des Landes. Laut Cuenca nutzt diese Strategie vor allem den großen Bergwerksbetrieben, die reichlich preiswerten Strom benötigen. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/06/natural-gas-crisis-solution-chile/
http://www.ipsnoticias.net/2014/06/el-gas-es-crisis-y-solucion-para-chile/

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IPS-Tagesdienst vom 18. Juni 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2014