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ARBEIT/2403: FU Berlin erforscht Probleme und Lösungen überlanger Arbeitszeiten (idw)


Freie Universität Berlin - 13.02.2015

Wisssenschaftler der Freien Universität erforschen Probleme und Lösungen überlanger Arbeitszeiten

Überlange Arbeitszeiten als Problem und mögliche Lösungen


Wissenschaftler des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin erforschen in einem neuen Projekt die Probleme, die aus der Praxis überlanger Arbeitszeiten und stetiger Erreichbarkeit für Unternehmen und Mitarbeiter in der Unternehmensberatungsbranche entstehen. Von April an untersucht das Forscherteam, weshalb sich diese Verhaltensweise trotz zahlreicher Wandelbemühungen nicht verändern lässt. Ziel des Vorhabens ist es branchenbezogene Wandelbarrieren zu identifizieren und Vorschläge für ihre Überwindung auszuarbeiten.

Die Leitung des Projektes liegt bei Georg Schreyögg, Professor für Organisation und Führung am Management-Department der Freien Universität. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt für die Dauer von zwei Jahren mit rund 190.000 Euro.

"Überlange Arbeitszeiten und stetige Erreichbarkeit sind in wissensintensiven Unternehmen, wie Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, seit den 1980er Jahren zunehmend zur Selbstverständlichkeit geworden. Lange Zeit galten sie als Zeichen für Exzellenz und Elitezugehörigkeit. Man hat sie einfach akzeptiert und nicht weiter hinterfragt", erklärt Prof. Dr. Georg Schreyögg. Dies habe sich jedoch im Laufe der letzten Jahre stark verändert. Das fest etablierte "Arbeitszeitregime" gerate zunehmend in Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität. Demografiewandel, Fachkräftemangel, Globalisierung und das Ankommen der "Generation Y" - also der zwischen 1977 und 1998 Geborenen - seien dabei die zentralen Triebkräfte. "Der Wettbewerb um Toptalente nimmt zu. Viele gut ausgebildete Angehörige der Generation Y sind nicht mehr bereit, ihrer Karriere alles andere unterzuordnen. Die Unternehmen reagieren zwar mit zahlreicheren Initiativen zur besseren Work-Life-Balance, aber die Programme werden in der Praxis selten gelebt", erläutert Prof. Schreyögg. Die betroffenen Unternehmen sähen sich mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, wenn sie versuchten ihre historisch gewachsenen Arbeitszeitregime zu verändern. An dieser Stelle setzt das von der DFG geförderte Projekt der Freien Universität an. Unter dem Titel "Zur Persistenz der Politik überlanger Arbeitszeiten in deutschen Top-Beratungsgesellschaften - Ein Fall von Branchen-Pfadabhängigkeit?" untersuchen Wissenschaftler des Management-Departments der Freien Universität diese Beharrungstendenz in der deutschen Top-Beratungsbranche.

Das neue Projekt schließt direkt an die am DFG-Graduiertenkolleg "Pfade organisatorischer Prozesse" entstandene Dissertation von Blagoy Blagoev an. Unter dem Titel "Arbeitszeitregime im Lock-in? Untersuchung der Wandelbarrieren in einer Unternehmensberatung" analysierte Blagoy Blagoev in seinem Promotionsprojekt die Entstehung und zunehmende Verfestigung des Arbeitszeitregimes einer international tätigen Beratungsfirma. In seiner Arbeit zeichnet er nach, wie das etablierte Zeitmodell als Folge einer in den 1980er Jahren eingeführten Vermarktungsstrategie entstand. "Man wollte das Vertrauen der Klienten gewinnen und entschied sich dafür, Beratungsprojekte nicht mehr in den eigenen Büros durchzuführen, sondern vor Ort beim Kunden. Dabei wurde die zeitliche Verfügbarkeit von Beraterinnen und Beratern zum wichtigsten Verkaufsargument gegenüber den Klienten eingesetzt. Die Strategie war zwar sehr erfolgreich, aber je mehr Beratungsprojekte nach diesem Muster verkauft wurden, desto mehr verschoben sich auch die Arbeitszeiten in den Abend hinein", erläutert Blagoy Blagoev. Die Ergebnisse der Studie hätten aber auch gezeigt, dass das Weiterbestehen dieses Zeitregimes nicht nur anhand von firmenspezifischen Mechanismen erklärt werden kann. Vielmehr seien firmenübergreifende Dynamiken, wie Wettbewerbsfaktoren und die interaktive Anpassung von Kundenerwartungen, von zentraler Bedeutung. "Gerade diese Mechanismen hinter dem scheinbaren Branchen-Lock-in gelte es nun im Anschlussprojekt zu untersuchen", erklärt Prof. Dr. Georg Schreyögg.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution9

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Freie Universität Berlin, Carsten Wette, 13.02.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2015

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