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AGRAR/1813: Brexit - Mögliche Auswirkungen auf den deutschen Agrarhandel (idw)


Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei - 31.03.2017

Brexit: Mögliche Auswirkungen auf den deutschen Agrarhandel

Thünen-Institut schätzt Effekte ab / Handelsrückgänge werden vor allem verarbeitete Nahrungsmittel betreffen


Am 29. März 2017 wurde die EU-Austrittserklärung des Vereinigten Königreichs beim Europäischen Rat in Brüssel eingereicht. Damit steht zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union ein Austritt auf der Tagesordnung.

Als Folge des Brexit steht eine Neuausrichtung der Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich mit der Europäischen Union ganz oben auf der politischen Agenda der britischen Regierung. Hiervon wären auch die deutschen Agrar- und Nahrungsmittelmärkte betroffen. Um was es dabei geht, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Mit rund 4,5 Mrd. Euro und 7 % der gesamten Agrar- und Nahrungsmittelausfuhren war das Vereinigte Königreich 2016 ein wichtiger Handelspartner für die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft. Im Gegenzug hat das Vereinigte Königreich im Jahr 2016 Agrarprodukte im Wert von 1,4 Mrd. Euro nach Deutschland exportiert. Experten des Thünen-Instituts für Marktanalyse in Braunschweig haben nun mit einem Handelsmodell berechnet, wie sich der Brexit auf die deutsche Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft auswirken könnte.

Sie legten dabei ein "Extremszenario" zugrunde, bei dem die EU wie auch das Vereinigte Königreich im Außenhandel wieder Zölle erheben. Weiterhin, dass die EU die Briten bezüglich der Zollhöhe entsprechend der WTO-Regeln genauso behandelt wie derzeit beispielsweise die USA, Brasilien oder China. Im Gegenzug, so wurde angenommen, würde sich das Vereinigte Königreich ähnlich verhalten und Zollschranken entsprechend der WTO-Regeln gegenüber den EU-Mitgliedstaaten erhöhen.

Agrarhandelsüberschuss verringert sich

Die Ergebnisse zeigen, dass sich der deutsche Agrarhandelsüberschuss mit dem Vereinigten Königreich in diesem Szenario um rund 700 Mio. Euro verringern würde. Betrachtet man einzelne Gütergruppen, so wird deutlich, dass die heimische Schweine- und Geflügelfleisch- sowie die Milchindustrie zusammen mit den vorgelagerten Lieferbereichen am stärksten von dem Brexit betroffen wären. Durch den Rückgang der Handelsmengen würde der Produktionswert von Schweine- und Geflügelfleisch um über 2 % und der von Milchprodukten um über 1 % sinken. Insgesamt wäre der Handel mit verarbeiteten Nahrungsmitteln stärker von einem Brexit betroffen als der Handel mit unverarbeiteten Agrarprodukten.

Die Berechnungen beruhen auf der Annahme, dass die (verbliebenen) EU-27 und das Vereinigte Königreich im Rahmen der Austrittsverhandlungen keine Konzessionen, z.B. im Rahmen eines möglichen Freihandelsabkommen eingehen, sondern Zölle entsprechend den WTO-Regeln erheben. Damit beschreiben die Ergebnisse ein mögliches 'worst case' Szenario. Wie realistisch diese Annahme ist, wird sich in den kommenden Monaten erweisen, wenn die Austrittsverhandlungen geführt werden. Dr. Martin Banse, Leiter des Thünen-Instituts für Marktanalyse: "Im Falle eines erleichterten gegenseitigen Marktzugangs, der wohl anzunehmen ist, dürften die hier vorgestellten Effekte deutlich geringer ausfallen."

Die 18-seitige Studie über die möglichen Auswirkungen eines Brexit auf den deutschen Agrarhandel ist als Thünen Working Paper 70 veröffentlicht und auf der Webseite des Thünen-Instituts (www.thuenen.de) als PDF zum Download verfügbar.


Weitere Informationen unter:

http://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-
workingpaper/ThuenenWorkingPaper_70.pdf

- Thünen Working Paper 70 (PDF zum Download)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1208

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für
Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Dr. Michael Welling, 31.03.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2017

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