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MELDUNG/118: Kritik an Kandidatur Saudi-Arabiens um Sitz im Menschenrechtsrat (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. November 2013

UN: 'Pyromane als Chef der Feuerwehr' - Kritik an Kandidatur Saudi-Arabiens um Sitz im Menschenrechtsrat

von Thalif Deen


Bild: © Rebecca Murray/IPS

In Saudi-Arabien unterstehen Frauen einer männlichen Vormundschaft
Bild: © Rebecca Murray/IPS

New York, 1. November (IPS) - Das Königreich Saudi-Arabien hat den Frauen zwar das Wahlrecht in Aussicht gestellt, doch Auto fahren dürfen sie nicht. Ein Zeitungscartoon aus dem letzten Jahr stellt die Absurdität dieser Doppelmoral deutlich heraus: Zu sehen sind in Burkas gekleidete Frauen vor einem Wahllokal, denen ein aggressiv dreinblickender Wahlhelfer erklärt: "Wir haben hier ein kleines Problem. Wir brauchen zur Feststellung Ihrer Identität Ihren Führerschein."

Ausgerechnet das einzige Land der Welt, in dem Frauen noch immer keine Fahrerlaubnis haben, bewirbt sich um einen Sitz im Genfer UN-Menschenrechtsrat (HRC). Insgesamt vier freie Sitze sind zu vergeben. Nach dem geltenden Rotationsprinzip werden sich am 12. November in der UN-Vollversammlung ausschließlich asiatische Kandidaten aus fünf Ländern zur Wahl stellen: aus China, Jordanien, den Malediven, Vietnam und Saudi-Arabien.

Saudi-Arabien war im letzten Monat erstmals als nichtständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat gewählt worden, lehnte den Sitz dann aber aus Unzufriedenheit mit der Syrienpolitik des mächtigsten UN-Entscheidungsgremiums ab. Nun stellen sich viele die Frage, ob das Königreich nach einer möglichen Wahl in den 47-köpfigen HRC gleichermaßen verfahren könnte.

Dazu meint Adam Coogle von der Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW): "Unser Team in Genf hat sich umgehört, Doch bislang ist niemandem zu Ohren gekommen, dass Saudi-Arabien im Fall seiner Wahl auf einen HRC-Sitz verzichten würde. Das muss natürlich nichts heißen. Doch zu diesem Zeitpunkt wollen wir lieber keinen Kommentar abgeben."

Wie Suad Abu-Dayyeh von 'Equality Now' mit Sitz in New York gegenüber IPS erklärte, muss Saudi-Arabien wie viele andere Länder der Welt noch einiges für die Verbesserung der Rechte von Frauen und Mädchen tun. "Fundamentale Menschenrechtsverletzungen wie das Fehlen eines Heiratsmindestalters und das Fahrverbot für Frauen sind bestens dokumentiert."


Mündel der Männer

In Saudi-Arabien stehen Frauen und Mädchen quasi unter Dauerkontrolle männlicher Angehöriger. Dadurch seien sie in ihrer Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt, betonte die Menschenrechtsaktivistin. Es gebe zwar vielversprechende Schritte, die Probleme anzugehen, doch seien sie bei weitem nicht ausreichend.

Ende Oktober hatten Saudi-Araberinnen demonstrativ gegen das Fahrverbot verstoßen. Berichten zufolge wurden etliche Auto fahrende Frauen von der Polizei angehalten und zu der schriftlichen Erklärung genötigt, sich künftig nicht mehr hinter das Steuer zu setzen.

Der saudi-arabische Kleriker Sheik Mohammed al-Nujaimi ist ein vehementer Verfechter des Frauenfahrverbots. Eine Fahrerlaubnis hätte zerrüttete Ehen, eine niedrige Geburtenrate, Ehebruch, eine Zunahme der Verkehrsunfälle und "exzessive Ausgaben für Schönheitsprodukte" zur Folge, warnt er.

Etwa zeitgleich zu den Protesten der Frauen in Saudi-Arabien war das Königreich Gegenstand der Universellen Periodischen Überprüfung (UPR) des HRC. Dazu meinte Coogle vom HRW, dass sich das Engagement von Saudi-Arabien bei der UPR auf die Vorlage vorbereiteter Statements beschränkt habe, in denen man nicht auf die detaillierte Kritik an der Menschenrechts-Performance des Königreichs eingegangen sei. "Saudi-Arabien betrachtet die UPR als eine außenpolitische Routine-Verpflichtung und nicht als Chance, um dringend erforderliche Reformen auf den Weg zu bringen", sagte er.

In einem jüngsten Papier hat HRW etliche Menschenrechtsverletzungen aufgelistet, die Saudi-Arabien zur Last gelegt werden. So hat der Wüstenstaat seit Anfang des Jahres sieben prominente Menschenrechtler und zivilgesellschaftliche Aktivisten auf der Grundlage vager Anschuldigungen wie versuchter Rufschädigung, Illoyalität gegenüber dem König oder der ungenehmigten Gründung einer Organisation verurteilt.

Joe Stork, Vizedirektor der HRW-Nahost-Abteilung, räumt zwar ein, dass es viele Länder mit schlechter Menschenrechtsbilanz gebe, doch würden sie von Saudi-Arabien getoppt. Die Unterdrückung in dem Königreich sei außergewöhnlich groß, und Versprechen, die das Land dem UN-Menschenrechtsrat gemacht habe, blieben unerfüllt.


Reformversprechen gebrochen

"Obwohl die Regierung in Riad seit langem Reformen verspricht, sind substanzielle Veränderungen ausgeblieben", heißt es in einer HRW-Mitteilung. Insbesondere sollte sie das willkürliche Strafrechtssystem verbessern, das Prinzip der männlichen Vormundschaft über Frauen abschaffen und die Rechte der derzeit rechtlosen Arbeitsmigranten stärken, die sogar der Gefahr der Zwangsarbeit ausgeliefert seien.

Saudi-Arabien fällt auch aus der Reihe, weil es die Empfehlungen der HRC bei der letzten Überprüfung im Februar 2009 nicht beherzigt hat. HRW zufolge sollte es zentrale Menschenrechtsabkommen wie den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Internationale Übereinkunft zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung und die Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeiter und ihrer Familien unterzeichnen und ratifizieren.

Berichten zufolge hat Hillel Neuer, Geschäftsführer von 'UN-Watch', einer pro-israelischen Nichtregierungsorganisation, die Bewerbung Saudi-Arabiens um einen Sitz im UN-Menschenrechtsrats mit den Worten kommentiert: "Saudi-Arabien zum obersten Richter über Frauenrechte und religiöse Freiheiten zu machen, wäre so, als würde man einem Pyromanen die Leitung der städtischen Feuerwehr überlassen." (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/10/saudi-arabia-sans-human-rights-seeks-council-seat/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2013