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MELDUNG/117: Resolutionsentwurf kritisiert elektronischen Lauschangriff, nicht aber die USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Oktober 2013

UN: Resolutionsentwurf kritisiert elektronischen Lauschangriff, nicht aber die USA

Von Thalif Deen


Bild: © UN/Mark Garten

Bundeskanzlerin Merkel wurde offenbar schon 2002 abgehört (hier mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon)
Bild: © UN/Mark Garten

New York, 31. Oktober (IPS) - Die 193 Mitglieder zählende

UN-Vollversammlung wird Mitte November eine Resolution erlassen, in der die elektronische Überwachung von Staaten durch Staaten verurteilt werden wird. Die USA jedoch, die den größten Abhörskandal der Weltgeschichte zu verantworten haben, werden darin nicht gerügt.

Dies legt ein Resolutionsentwurf nahe, der derzeit in limitierter Auflage im UN-Gebäude im New York zirkuliert und IPS vorliegt. Darin wird "die Durchführung von extraterritorialen Überwachungsmaßnahmen" und "das Abfangen von Gesprächen innerhalb ausländischer Zuständigkeitsbereiche" kritisiert.

Der US-amerikanische Geheimdienst NSA und die Regierung in Washington, die Verantwortlichen des großen Lauschangriffs auf 35 Staats- und Regierungschefs einschließlich der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, werden hingegen mit keinem Wort erwähnt.

Auch wenn in einem bestimmten Sicherheitskontext das Sammeln gewisser sensitiver Informationen gerechtfertigt sei, müssten die UN-Mitgliedstaaten gewährleisten, dass sie auf der Grundlage internationaler Menschenrechtsabkommen agierten, heißt es in der Resolutionsvorlage.

Darüber hinaus werden die illegale Überwachung privater Gespräche und das willkürliche Abhören persönlicher Daten als höchst übergriffige Aktivitäten gegeißelt, die gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Privatsphäre verstießen und die Pfeiler einer demokratischen Gesellschaft ins Wanken bringen könnten.


Ruf nach Kontrollen

Die Resolution beinhaltet zudem die Forderung nach der Einführung eines unabhängigen Kontrollmechanismus, der in der Lage ist, Transparenz und Verantwortlichkeit staatlicher Datenkontrolle zu gewährleisten. Ferner ist vorgesehen, die derzeitige UN-Menschenrechtshochkommissarin Navi Pillay mit der Erstellung eines Interimsberichts zum Thema Menschenrechte, extraterritoriale und öffentliche Überwachung zu beauftragen. Der Zwischenbericht soll dann auf der 69. Sitzung der UN-Vollversammlung im nächsten September, der Abschlussbericht auf der 70. Sitzung 2015 vorliegen.

Dem indischen Journalisten Chakravarthi Raghavan zufolge, der seit den 1960er Jahren über die UN-Aktivitäten in New York und Genf berichtet, könnte die Resolution Gespräche über die nationalen Sicherheitsinteressen der einzelnen Staaten, über die internationale Sicherheit, über das Recht auf Privatsphäre und über die Menschenrechte in Gang bringen, die dann in einem internationalen Abkommen münden müssten. "Ansonsten wird die UN-Weltordnung zusammenbrechen, was niemand unbeschadet überstehen wird."

Viel werde von der Entschlossenheit abhängen, die Resolutionsforderungen der UN-Vollversammlung umzusetzen. "Allerdings nehme ich manchen Ländern nicht ab, in dieser Frage ehrlich zu sein", meinte Raghavan, emeritierter Redakteur des 'South-North Development Monitor' (SUNS) mit Sitz in Genf. "Denn wären sie es, hätte Edward Snowden längst in einem europäischen Land Asyl erhalten."

Dass der US-Lauschangriff überhaupt an die Öffentlichkeit gelangte, ist dem US-Whistleblower Snowden zu verdanken, der als ehemaliger Mitarbeiter einer NSA-Beratungsfirma die Machenschaften aufdeckte und derzeit im russischen Exil lebt. Die USA wollen ihm den Prozess machen.


Unschuldsmienen fehl am Platz

Einem südlichen UN-Diplomaten zufolge, der sich Anonymität ausbat, kann der Resolutionsentwurf noch bis Mitte November verändert werden. Allerdings geht er nicht davon aus, dass die US-Regierung mit einem Tadel rechnen muss. Dazu seien die Bedeutung der USA innerhalb der Vereinten Nationen und der Druck zu groß, den die USA anwende, um Verbündete und Hilfsempfängerländer auf Linie zu trimmen. Außerdem werde das Spionagespiel von allen Ländern gespielt, die sich eine Unschuldsmiene somit nicht leisten könnten.

Ko-Sponsoren der Resolution sind Deutschland und Brasilien, die das US-Eindringen in ihre Kommunikationsnetzwerke lautstark verurteilt haben. Den bisherigen Erkenntnissen zufolge war Merkel bereits 2002, drei Jahre vor ihrem Amtsantritt als Bundeskanzlerin, ausgespäht worden. Die US-Abhöranlage soll sich in der US-Botschaft in Berlin befinden.

Es gibt die lange Tradition, dass sich die 'fünf Augen' - USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland - nicht gegenseitig bespitzeln. Die elektronische Überwachung europäischer Staats- und Regierungschefs hat jedoch für heftige Kritik von Seiten der 28 EU-Mitgliedsländer gesorgt.

Raghavan zufolge stellen die NSA-Lauschangriffe eklatante Verstöße gegen zahlreiche internationale Verträge dar: die UN-Charta, die jedes ungenehmigte Eindringen in nationale Sphären grundsätzlich verbietet; das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) und das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) der Welthandelsorganisation (WTO), die Abkommen und Protokolle der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO); die Allgemeine Menschenrechtserklärung und deren Konventionen sowie die Wiener Übereinkunft über diplomatische Beziehungen. Sie alle sind Eckpfeiler des internationalen Rechts und des internationalen öffentlichen Rechts. (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/10/u-n-will-censure-illegal-spying-but-not-u-s/

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IPS-Tagesdienst vom 31. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2013