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MELDUNG/092: Ureinwohner - Recht auf Selbstbestimmung, Ständiges Forum fordert Anerkennung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Mai 2012

Ureinwohner: Recht auf Selbstbestimmung - Ständiges Forum fordert Anerkennung

von Haider Rizvi


Indigene Frauen in Guatemala - Bild: © Danilo Valladares/IPS

Indigene Frauen in Guatemala
Bild: © Danilo Valladares/IPS

New York, 10. Mai (IPS) - Die Vertreter der weltweit 370 Millionen Indigenen verlangen nicht nur eine Revision der nationalen Gesetze, die den Schutz ihrer Territorien, Ressourcen und Kultur unterlaufen. Sie fordern auch das ihnen in der UN-Ureinwohner-Deklaration garantierte Recht auf Selbstbestimmung.

Wie die Teilnehmer des elften Ständigen Forums für indigene Angelegenheiten vom 7. bis 18. Mai in New York kritisierten, bedienen sich die führenden Weltmächte auch weiterhin alter aber gültiger Gesetze, um die Ausbeutung und den Missbrauch der autochthonen Gemeinschaften zu rechtfertigen. Das vom UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) eingerichtete Forum besteht aus 16 unabhängigen Experten, die das UN-System in indigenen Angelegenheiten beraten.

"Dabei steht es uns zu, Regressansprüche für Verluste zu stellen", meinte die indigene US-Aktivistin und Anwältin Tonya Frichner, die dem Ständigen Forum angehört. "So steht es in der UN-Erklärung der Rechte der indigenen Völker."

Artikel drei der vom UN-Sicherheitsrat 2007 angenommenen Deklaration räumt den indigenen Völkern ein Recht auf Selbstbestimmung ein. Nach Artikel 28 steht ihnen eine Wiedergutmachung zu, wenn Land, Territorien und Ressourcen ohne ihre Zustimmung genommen, besetzt oder beschädigt wurden. In Artikel 37 wiederum heißt es: "Indigene Völker haben das Recht darauf, dass die mit Staaten oder ihren Nachfolgern geschlossenen Verträge, sonstigen Übereinkünfte und anderen konstruktiven Vereinbarungen anerkannt, befolgt und angewandt werden und dass die Staaten diese Verträge, sonstigen Übereinkünfte und anderen konstruktiven Vereinbarungen einhalten und achten."


Lange Geschichte der Repression

Teilnehmer der Sitzung des Ständigen Forums sehen in der alten "Entdeckungsdoktrin" des 15. Jahrhunderts die Wurzel allen Übels. Damals hätten westeuropäische Christen einfach beschlossen, dass Christen grundsätzlich dazu berechtigt seien, die Gebiete von Nichtchristen für sich zu beanspruchen.

"Diese Doktrin diente als rechtliche Grundlage zur Unterwerfung der indigenen Völker", sagte Frichner. "Sie ist die moralische Rechtfertigung dafür, andere zu dominieren." Diese Form des zwischenmenschlichen Miteinanders sei für alle Beteiligten gleichermaßen unbefriedigend und bereite Rassismus und Sexismus den Boden.

Gegenüber IPS äußerten sich etliche Teilnehmer des Ständigen Forums besorgt über die weltweite Ausbeutung der natürlichen Ressourcen auf ihre(r)[n] Territorien und die Bereitschaft der politischen Entscheidungsträger, den Holz- und Bergbaukonzernen zu Diensten zu sein.

"520 Jahre sind vergangen, doch die Entdeckungsdoktrin hat überlebt", meinte Marlon Santi, ein Indigener aus dem ecuadorianischen Amazonasgebiet. "Sie handelt von Extremismus, Völkermord, Land Grabbing und sogar Sklaverei. All dies geschieht im Namen eines Christengotts und der Entwicklung."

"Das Erdölunternehmen Chevron hat unseren Fluss verseucht, Phillips unsere Territorien überrannt. Der Amazonas ist Lebensader und Mutter unseres Volkes", sagte er. "In unserem Teil der Welt hat sich nicht viel verändert. Die derzeitige Regierung ist genauso schlecht wie ihre Vorgängerinnen."

Santi zufolge, der sich mit einer Klage wegen Sabotage und Terrorismus konfrontiert sieht, weil er den Widerstand gegen das Eindringen großer Öl- und Kohleunternehmen organisiert, hat die ecuadorianische Regierung in diesem Jahr vier Millionen Hektar Land an ausländische Unternehmen vergeben - ohne die Zustimmung der betroffenen indigenen Gemeinschaften.


Indigene wollen Sitz im UN-Sicherheitsrat

Angesichts der Tatsache, dass Gespräche über indigene Fragen auf UN-Ebene meist von nicht-indigenen Regierungsvertretern dominiert werden, plädierten Sitzungsteilnehmer dafür, um einen eigenen Sitz im UN-Sicherheitsrat anzusuchen.

Wie die ehemalige Forumsvorsitzende, die Nicaraguanerin Mirna Cunningham, auf dem Forum erklärte, sei es höchste Zeit, dass die Regierungen Gesetzesreformen zum Schutz der wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Rechte der Indigenen durchführten. "Wir wehren uns nicht nur gegen das konventionelle Entwicklungsmodell, sondern wollen den Menschen begreiflich machen, dass sie selbst davon profitieren könnten, wenn sie sich unsere Standpunkte anhören würden", sagte Cunningham.

Von allen UN-Mitgliedstaaten haben lediglich Bolivien und Nicaragua die in der Erklärung der Rechte der indigenen Völker festgeschriebenen Prinzipien in nationales Recht überführt. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://social.un.org/index/IndigenousPeoples.aspx
http://www.humanitaeres-voelkerrecht.de/ERiV.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107719

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2012