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MELDUNG/077: US-Ausschuss für Einschnitte bei den UN-Beitragszahlungen - US-Bürger dagegen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Oktober 2011

UN: US-Ausschuss für Einschnitte bei den Beitragszahlungen - US-Bürger dagegen

von Jim Lobe


Washington, 14. Oktober (IPS) - In den USA hat ein einflussreicher Kongressausschuss für die Verabschiedung eines Gesetzes gestimmt, das die Vereinten Nationen über gravierende Finanzierungseinschnitte zur Umsetzung weit reichender Reformen zwingen soll.

Mit einer Mehrheit von 23 zu 15 Stimmen sprach sich der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des US-amerikanischen Repräsentantenhauses für den sogenannten 'United Nations Transparency, Accountability and Reform Act' aus. Das Gesetz sieht die Halbierung der US-amerikanischen UN-Beiträge vor, bis die Weltorganisation auf ein System freiwilliger Beitragszahlungen an die UN-Organisationen und Programme umstellt, die "den Interessen und Werten der USA entsprechen".

Ein Inkrafttreten des umstrittenen Gesetzes würde der US-Regierung den Austritt aus dem UN-Menschenrechtsrat abverlangen sowie die Einstellung aller US-Zahlungen an das seit 1949 existierende Hilfswerk der UN für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und an alle UN-Organisationen und Programme, die den derzeitigen Beobachterstatus der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) aufwerten.

Die Zukunft des Gesetzes ist allerdings ungewiss. Ein Termin zur Abstimmung über die Vorlage im von den Republikanern dominierten Repräsentantenhaus liegt bisher nicht vor. Selbst wenn der Entwurf angenommen würde, wäre ein Mitziehen des Senats unwahrscheinlich, in dem die Demokraten in der Mehrheit sind. Selbst für den unrealistischen Fall, dass der Senat zustimmen würde, will US-Außenministerin Hillary Clinton dafür sorgen, dass Präsident Barack Obama sein Veto einlegt.

Das Gesetz sehe Maßnahmen vor, die eine UN-Mitwirkung der Vereinigten Staaten erheblich einschränkten, feststehende Vereinbarungen mit den UN zunichte machen und die Sicherheit der Amerikaner ernstlich gefährden würden, warnte Clinton am 12. Oktober in einem Schreiben an Ileana Ros-Lehtinen, die treibende Kraft hinter der Vorlage und Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, und an den Demokraten Howard Berman.


Entscheidung ernst nehmen

Beobachtern zufolge gibt die Entscheidung des Auswärtigen Ausschusses durchaus Anlass zur Sorge. Auch wenn das Gesetz in diesem Jahr nicht durchkomme, müsse es trotzdem ernst genommen werden, denn es gebe den künftigen Kurs der Republikaner vor, warnte Don Kraus von 'Citizens for Global Solutions' (CGS), einer US-amerikanischen Graswurzelorganisation. "Für den Fall, dass sich die Machtverhältnisse im Kongress und Weißen Haus verschieben, wäre die Wahrscheinlichkeit für die Verabschiedung des Gesetzes 2013 ungleich höher."

Das Gesetz ist Teil einer breiten Kampagne von Republikanern gegen die UN und einige ihrer Programme. So hatte der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten in der ersten Oktoberwoche Maßnahmen eingeleitet, die auf ein Finanzierungsverbot des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) abzielen, das nach Ansicht der republikanischen Rechten Abtreibungen und Chinas Ein-Kind-Politik fördert. Erwartet wird, dass das Verbot mit der Zusage des Senats über die Zahlung von 40 Millionen Dollar an UNFPA abgeglichen wird.

Im August hatte ein von Republikanern dominierter Ausschuss über die Mittelverwendung die von der US-Regierung für die Vereinten Nationen und deren Friedenseinsätze beantragten 3,5 Milliarden um 600 Millionen US-Dollar gekürzt. Völlig gestrichen wurden die Zuwendungen für den UN-Menschenrechtsrat. Darüber hinaus drängen republikanische Abgeordnete die Obama-Regierung, sich UN-Plänen zu widersetzen, ein neues Büro in Turtle Bay in New York zu eröffnen.

Seit der UN-Gründung in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs sind die USA größter UN-Beitragszahler. Washington finanziert derzeit 22 Prozent des regulären UN-Haushalts und etwa 27 Prozent des Budgets für UN-Friedensmissionen. Das diesjährige Budget der Weltorganisation beträgt 22,3 Milliarden Dollar. Washington trägt dazu 6,4 Milliarden Dollar bei.


US-Bürger schätzen UN

Meinungsumfragen zeigen seit Jahrzehnten, dass die Mehrheit der US-Bürger die Arbeit der Vereinten Nationen zu schätzen wissen. Am 12. Oktober, am Vorabend der Abstimmung im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses, wurden die Ergebnisse einer Umfrage bekannt, die den Vereinten Nationen einen breiten Rückhalt in der US-amerikanischen Bevölkerung bescheinigt. So betonten 86 Prozent der 900 Millionen Umfrageteilnehmer, dass sie eine aktive Rolle der USA innerhalb der Vereinten Nationen für wichtig erachten. Zwei von drei Umfrageteilnehmern (64 Prozent) vertraten die Meinung, dass Washington seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Weltorganisation nachkommen und die Beiträge für die UN-Blauhelmeinsätze rechtzeitig und vollständig überweisen solle.

67 Prozent der den Demokraten nahe stehenden Umfrageteilnehmern lehnten das vom Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten inzwischen gebilligte Gesetz ab. Eine Minderheit von 44 Prozent der den Republikanern wohl gesinnten Umfrageteilnehmer äußerste sich zugunsten der vorgeschlagenen Kürzungen. Von den parteiunabhängigen Bürgern sprachen sich 41 Prozent für und 51 Prozent gegen die Kürzungen aus.

"Die Umfrage zeigt, dass Amerikaner nicht damit einverstanden sind, dass die USA ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Vereinten Nationen schuldig bleiben", sagte Timothy Wirth, ein ehemaliger Senator und derzeitiger Vorsitzender der 'U.N. Foundation'.

In der ersten Oktoberwoche hatten sich einflussreiche US-Diplomaten, Militäroffiziere und Abgeordnete in einer Mitteilung für die Vereinten Nationen und gegen das umstrittene Gesetz stark gemacht. "Ein Zurückhalten der US-Beiträge würde den Einfluss der USA und die Unterstützung unserer Prioritäten schwächen und unsere Gegner stärken", hieß es in dem von zahlreichen Republikanern wie dem früheren US-Außenminister George Shultz und dem ehemaligen Verteidigungsminister William Cohen unterzeichneten Brief.

Doch Ros-Lehtinen drückte ihr Gesetz im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten durch. "Wir werden keine dauerhaften und durchgreifenden Reformen erreichen, wenn die USA weiterhin für das zahlen müssen, was uns die UN diktieren", sagte sie. Das Gesetz ziele darauf ab, die Weltorganisation dazu zu zwingen, innerhalb von zwei Jahren dafür zu sorgen, dass die US-Beiträge zu 80 Prozent auf freiwilliger Basis zu entrichten sind. Auch müssten die UN nachweisen, dass die US-Beiträge zweckgebunden verwendet werden. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2011