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KIND/067: Papua-Neuguinea - Durch Armut auf die Straße getrieben, viele Kinder arbeiten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juli 2012

Papua-Neuguinea: Durch Armut auf die Straße getrieben - Viele Kinder arbeiten

von Catherine Wilson


Kinder in Not erhalten Schutz, Nahrung und Bildung - Bild: © Catherine Wilson/IPS

Kinder in Not erhalten Schutz, Nahrung und Bildung
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Port Moresby, 20. Juli (IPS) - In einer Elendssiedlung mit etwa 10.000 Einwohnern am Rande von Port Moresby, der Hauptstadt von Papua-Neuguinea, bietet eine Initiative allein gelassenenen Kindern Schutz, Nahrung und Bildung. Ohne diese Unterstützung wären sie wie zahlreiche andere Minderjährige in dem Pazifikstaat dazu gezwungen zu arbeiten. Der Anteil der Kinder, die in dem Land Geld verdienen statt zur Schule zu gehen, gehört zu den höchsten der Welt.

Die Gründer von 'Tembari Children's Care', Hayward Sagembo und seine Frau Penny, beobachteten mit Sorge, dass viele Kinder in der so genannten 'Neun-Meilen-Siedlung' nahe Port Moresby ohne ihre Familie aufwuchsen. Die Eltern hatten sie entweder im Stich gelassen oder waren an AIDS oder anderen Krankheiten gestorben. Wie Sagembo erzählt, startete das Projekt 2003 in der Nähe ihres Hauses und wurde acht Jahre lang von dem Paar geleitet.

Zwei Schiffscontainer, die von der 'Digicel Foundation' gestiftet wurden, dienen als Klassenzimmer. Lokale Firmen spenden außerdem Lebensmittel und andere notwendige Güter. So erhalten diejenigen Kinder, die die meiste Unterstützung benötigen, tägliche Mahlzeiten, Schulgeld und Kleidung. 120 Kinder besuchen in der Siedlung die Grundschule, und insgesamt 280 obdachlose Minderjährige werden tagsüber betreut.

"Die meisten Kinder sind unterernährt. Seit sie von uns versorgt werden, hat sich ihr Gesundheitszustand deutlich verbessert", berichtet Sagembo. "Unsere Früherziehungsprogramme haben ihnen mehr Selbstvertrauen vermittelt. Manche von ihnen haben in der Schule sogar Preise gewonnen."

Laut Sagembo sind aber noch wesentlich mehr Kinder auf Hilfe angewiesen. "60 Prozent der Kinder in der Siedlung sind gefährdet. Unser Zentrum ist das einzige am Ort, und wir können nicht mehr als 30 bis 40 Prozent der Kinder unterstützen. Wenn es das Zentrum nicht gäbe, würden die Kinder ohne jeden Schutz auf der Straße leben und müssten arbeiten, um zu überleben."


Asien-Pazifik-Region mit dem global höchsten Kinderanteil

Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation ILO gibt es in der Asien-Pazifik-Region den größten Anteil von Kindern weltweit. Dort leben auch die meisten Kinderarbeiter im Alter zwischen fünf und 17 Jahren. Dabei ist die Zahl der arbeitenden Kinder von 122,3 Millionen im Jahr 2004 auf 96,4 Millionen 2008 bereits stark zurückgegangen.

Anfang dieses Jahres haben das Internationale Programm zur Beseitigung der Kinderarbeit (IPEC) sowie das auf vier Jahre angelegte Projekt 'Tackle' der Europäischen Union, der AKP-Staaten (Afrika, Karibik und Pazifik) und der ILO einen Bericht über Kinderarbeit in Papua-Neuguinea veröffentlicht.

Zwischen 2010 und 2011 wurden im Rahmen der Studie Kinderarbeiter auf den Straßen und Minderjährige im Sexgewerbe in Port Moresby befragt. Das Team fand heraus, dass 19 Prozent der 2,5 Millionen arbeitenden Menschen in dem Land Kinder waren. Zugrunde lag den Daten eine Befragung von 404 Kindern in der Hauptstadt Port Moresby. Verlässliche staatliche Statistiken liegen bisher nicht vor.

Die meisten befragten Kinder gaben an, nicht zur Schule zu gehen. Oftmals waren sie zur Prostitution oder zum Stehlen gezwungen. 68 Prozent verrichteten gefährliche Tätigkeiten und suchten etwa nach Altmetall, arbeiteten lang und waren körperlichen oder verbalen Angriffen ausgesetzt.

Zunehmend werden Kinder durch häusliche Gewalt, das Auseinanderbrechen ihrer Familien und die Arbeitslosigkeit ihrer Verwandten auf die Straße getrieben. Untersuchungen zufolge tragen dazu auch politische Instabilität, das Versagen der Regierung und die negativen Folgen von Strukturanpassungsprogrammen bei.

Der Hauptgrund für Kinderarbeit in Port Moresby ist die Armut. Jährlich entstehen etwa 20 neue informelle Siedlungen in der Stadt oder in Gebieten, in denen es weder Trinkwasser noch sanitäre Anlagen gibt. In diesen Slums lebt inzwischen etwa die Hälfte der rund 500.000 Einwohner von Port Moresby.

Da zunehmend Menschen, die Arbeit und Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung suchen, die ländlichen Regionen verlassen, schreitet die Verstädterung rapide voran. Doch der Ausbau der Infrastruktur und des bezahlbaren Wohnraums hat mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten. Die öffentlichen Dienstleistungen reichen ebenfalls nicht aus.

Laut dem Report kommen die meisten Straßenkinder aus Siedlungen, deren Bewohner durchschnittlich umgerechnet 62 bis 156 US-Dollar monatlich verdienen. Die steigenden Lebenshaltungskosten verschärfen die Not vieler Familien. Zahlreiche Kinder müssen daher auf eine Schulbildung verzichten, auf die sie eigentlich ein Anrecht haben.


Befreiung von Schulgebühren noch keine Lösung des Problems

Seit diesem Jahr hat die Regierung alle Schüler bis zur Klasse 10 von den Schulgebühren befreit. Nach Ansicht von Larry George von der unabhängigen Organisation 'City Mission PNG' hat diese Strategie nur geringe Auswirkungen. Denn viele Familien hätten nach wie vor nicht genug Geld für Essen und würden ihre Kinder eher zum Arbeiten als zur Schule schicken.

Obwohl Papua-Neuguinea die Kinderrechtskonvention CRC sowie zwei ILO-Konventionen ratifiziert hat, die ein Mindestalter für den Arbeitsbeginn festlegen und gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit angehen, ist der Staat nach wie vor nicht in der Lage, Minderjährigen ausreichenden Schutz zu bieten. Obgleich es in Papua-Neuguinea Kinderschutzgesetze gebe, sei deren Umsetzung unbefriedigend, kritisierte die ILO.

Die Verfasser des Berichts empfehlen, Kindern besseren Zugang zu Bildung zu ermöglichen, stärker auf die Einhaltung von Gesetzen zu achten und Armen mehr soziale Sicherheit zu garantieren. (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.ilo.org/suva/what-we-do/publications/WCMS_178379/lang--en/index.htm
http://tembari.blogspot.de/
http://www.ipsnews.net/2012/07/poverty-drives-child-labour/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2012