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INTERNATIONAL/156: Migration - Sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse in reichen Ländern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2013

Migration: Die dunklen Seiten ausgeblendet - Sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse in reichen Ländern

von Thalif Deen



New York, 4. Oktober (IPS) - Trotz einer Flut von Berichten, wonach Arbeitsmigranten aus dem Süden in reichen Staaten wie Sklaven ausgebeutet werden, nimmt die Zahl der internationalen Migranten immer weiter zu.

Die internationale Migration hat mit 232 Millionen Menschen, die außerhalb ihrer Herkunftsländer leben, ein Rekordhoch erreicht. Ihre jährlichen Überweisungen in die alte Heimat bewegen sich um die 400 Milliarden US-Dollar. Damit sind sie fast vier Mal so hoch wie die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA), die sich im letzten Jahr auf 126 Milliarden Dollar belief.

Die für Entwicklungsländer wie Indien, Bangladesch, Marokko, Mexiko, Sri Lanka, Nepal, Ägypten und die Philippinen bestimmten Geldtransfers gehören zu den positiven Auswirkungen der Migration. Doch diese haben einen hohen Preis: Arbeitsverhältnisse, die an die Zeiten der Sklaverei erinnern.

Laut Joseph Chamie, einem ehemaligen Direktor der Abteilung für Bevölkerung, die der UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten untersteht, wird die skrupellose Ausbeutung der Migranten zwar international verurteilt. Doch da der Missbrauch vor allem in Haushalten und kleinen Betrieben stattfinde, sei es schwierig, ihn zu ahnden und zu verhindern. Ein Instrument, das hier Abhilfe schaffen soll, ist die im letzten Monat in Kraft getretene Übereinkunft für Haushaltshilfen.

"Menschen sind keine Gegenstände, sondern menschliche Wesen", meinte Abdelhamid El Jamri, Vorsitzender des UN-Komitees über die Rechte von Wanderarbeitnehmern, anlässlich eines hochrangigen Dialogs über internationale Migration und Entwicklung vom 3. bis 4. Oktober in New York. "Es ist wichtiger denn je, die Muster von Migration, Ausbeutung und Diskriminierung, wie sie Arbeitsmigranten auf dem Bau, in der Landwirtschaft und in anderen Sektoren erleiden, zu überwinden."


Wichtiges UN-Instrument von wenigen Staaten ratifiziert

Die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gehört zu den wichtigsten globalen Menschenrechtsabkommen. Obwohl sie bereits vor zehn Jahren in Kraft getreten ist, wurde sie erst von 47 der 193 UN-Mitgliedstaaten ratifiziert. Die Hauptzielländer für Migranten und Regionen wie die USA, die EU-Staaten und die Golfstaaten, in denen Millionen Migranten leben und arbeiten, gehören nicht dazu.

Wie der Nepalese Kul Gautam, ein ehemaliger beigeordneter UN-Generalsekretär und ehemaliger Vize-Exekutivdirektor des Weltkinderhilfswerks UNICEF, gegenüber IPS erklärte, sind die Auslandsüberweisungen nepalesischer Wanderarbeiter von jährlich vier Milliarden Dollar beziehungsweise von 25 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) die Haupteinnahmequelle seines Heimatlandes.

Von den 400.000 jungen Nepalesen, die jährlich auf den Arbeitsmarkt strömten, suchten 300.000 ihr Glück im Ausland, erläuterte Gautam. Die Mehrheit dieser Wanderarbeitnehmer arbeite in Katar und Malaysia (jeweils 400.000) sowie in Saudi-Arabien und den Golfstaaten.


Missbrauch auf auf WM-Baustellen

Wie Gautam betonte, kommen die jüngsten Klagen über Formen moderner Sklaverei aus Katar, wo viele seiner Landsleute arbeiteten. So hatten unlängst Journalisten der britischen Zeitung 'The Guardian' herausgefunden, dass es bei den Arbeiten zum Bau der Infrastrukturen für die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar zu schweren arbeitsrechtlichen Verstößen gegenüber den dort Beschäftigten gekommen sei.

Den Recherchen zufolge schuften dort tausende Bauarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen und ohne Schutzausrüstung und wurden über lange Zeiträume nicht bezahlt. Die Regierung in Katar will die Vorwürfe nun über eine internatonale Anwaltskanzlei prüfen lassen. Die nepalesische Regierung hat inzwischen ihrerseits mitgeteilt, dass auf den WM-Baustellen in dem Emirat in den letzten zwei Jahren 70 Nepalesen ums Leben gekommen sind.

Aus Gründen der Fairness müsse gesagt werden, dass die Misshandlung und Ausbeutung der Wanderarbeiter sicherlich nicht im Sinne der katarischen Regierung seien, meinte Gautam. Hinter den menschlichen Tragödien steckten vielmehr skrupellose Privatunternehmer und Mittelsmänner in Katar und Nepal.

Wie Chamie gegenüber IPS betonte, muss die UN diese Übergriffe und gravierenden Verstöße gegen die Rechte von Wanderarbeitern ganz oben auf ihre Agenda setzen. Doch die Chancen, dass dies geschieht, hält er selbst für unwahrscheinlich. Das Thema werde jetzt und in Zukunft außerhalb des UN-Systems über das informelle, unverbindliche und freiwillige Globale Forum für Migration und Entwicklung der UN-Mitgliedstaaten verhandelt. Auf die Frage, warum das so sei, antwortete er: "Weil die Zielstaaten der Migration, besonders die entwickelten Länder, es so wollen." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.un.org/en/development/desa/population/
http://www.un.org/esa/population/meetings/HLD2013/mainhld2013.html
http://www.gfmd.org/en/
http://www.ipsnews.net/2013/10/the-dark-side-of-international-migration/

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IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2013