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INTERNATIONAL/071: D. R. Kongo - Lebenshilfe, Ausbildung und Therapie für ehemalige Kindersoldaten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Januar 2012

D. R. Kongo: Lebenshilfe - Ausbildung und Therapie für ehemalige Kindersoldaten

von Grit Porsch


Berlin, 18. Januar (IPS) - Ghesmit will Mechaniker werden. Seine Ausbildung erhält der 17-jährige ehemalige Kindersoldat, den Milizen und reguläre Soldaten während des Bürgerkriegs in der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu als Kämpfer zwangsrekrutiert hatten, im Übergangs- und Orientierungszentrum in Bukavu.

"Im Zentrum sind derzeit 101 Kinder und Jugendliche zwischen elf und 17 Jahren untergebracht", berichtet Cornelia Walther, Pressesprecherin des Weltkinderhilfswerks UNICEF in der Demokratischen Republik Kongo (DRC). Die Leiterin des UNICEF-Kinderschutzprogramms im Kongo, Alessandra Dentice, schätzt, dass seit 2004 landesweit mindestens 33.000 Kindersoldaten demobilisiert wurden, die in der Armee oder in bewaffneten Gruppen gekämpft hatten.

Einem Bericht der UN-Informationsdienstes IRIN zufolge hat allein das kongolesische Freiwilligen-Büro für Kinder (BVES) seit 2002 mehr 2.500 junge Kämpfer demobilisiert. Es leitet das Übergangs- und Orientierungszentrum und überwacht die Demobilisierung. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz bemüht sich, die seit dem Krieg verschollenen Familien der Jungen und Mädchen ausfindig zu machen und bietet medizinische Hilfe an.


In Pflegefamilien untergebracht

Ein in entlegenen Regionen aufgebautes Netzwerk von 34 Familien nimmt Jugendliche auf, die einmal in ihrer Nachbarschaft zu Hause waren. Freiwillige Gemeindehelfer überwachen die soziale Wiedereingliederung der Kindersoldaten. Das Welternährungsprogramm beliefert das Zentrum mit Lebensmitteln.

Weil nach UN-Angaben im Kongo nicht einmal jedes dritte Kind eine Geburtsurkunde besitzt, ist die Identifizierung ehemaliger Kindersoldaten schwierig. "Ohne ein solches Dokument existieren sie für die Bürokratie nicht", erklärte kürzlich BVES-Direktor Murhabazi Namegabe. "Wie soll man einem Kommandanten nachweisen, dass er Kinder zu Kämpfern gemacht hat, wenn er sich darauf beruft, deren Alter nicht gekannt zu haben?"

Auch bei der Reintegration in die Familien gibt es Probleme. "Bei der Rückkehr nach Hause droht ihnen erneut die Zwangsrekrutierung durch bewaffnete Gruppen. Viele Familien wollen die ehemaligen Kämpfer nicht aufnehmen, weil sie sich vor möglichen Gewalttaten fürchten", berichtete Namegabe.


Unterrichtung und Berufsperspektive

Doch das Übergangs- und Orientierungszentrum bietet den Kindern und Jugendlichen Unterricht und Berufsberatung an und damit eine Zukunftsperspektive. In Diskussionsgruppen sollen sie ihr Schicksal aufarbeiten.

Die Mädchen werden nach ihrer Demobilisierung im Panzi-Hospital in Bukavu untergebracht. Hier erhalten sie medizinische Hilfe. Viele sind traumatisiert, weil sie vergewaltigt und häufig schwanger wurden. "Ich wurde in Ruanda geboren und habe meine Eltern nie gekannt", berichtete eine 17-Jährige, die sich Julia nennt, UNICEF-Mitarbeitern. "Mit 16 Jahren wurde ich von einem Offizier der Nationalarmee vergewaltigt. Als ich schwanger wurde, jagte er mich davon."

In dem Flüchtlingslager, in das sie sich retten konnte, wurde sie ein zweites Mal missbraucht. "Doch hier sind wir, mein Baby und ich, in Sicherheit", sagt Julia, die später gern einen kleinen Laden aufmachen und selbst für sich und ihr Kind sorgen will.

"Mädchen haben es besonders schwer, von ihren Familien wieder aufgenommen zu werden", erläutert Rohanne Rosine. Sie kümmert sich im Übergangs- und Orientierungszentrum um den Schutz ehemaliger Kämpferinnen. Viele Familien sind so arm, dass sie finanzielle oder Lebensmittelhilfe fordern, bevor sie ihre Töchter zurücknehmen. Ohne diese Unterstützung können sie, die ohnehin nicht genug zu essen haben, einen weiteren Hungerleider nicht durchfüttern. (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.unicef.org
http://www.bves-rdc.org/
http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=94655

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Januar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2012