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INTERNATIONAL/063: Kuba - Männer werben für internationale Plattform gegen sexuelle Gewalt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Januar 2012

Kuba: Männer werben für internationale Plattform gegen sexuelle Gewalt - Regierung und Medien Passivität vorgeworfen

von Dalia Acosta


Havanna, 2. Januar (IPS) - Im Zuge der bislang größten Kampagne von Männern gegen sexuelle Gewalt haben Sozialaktivisten auf Kuba im November und Dezember für die neue internationale Plattform 'Männer für Gewaltlosigkeit' geworben.

"Diese lebendige, horizontale Plattform lässt den langen Traum wahr werden, Aktivisten und Wissenschaftler zusammenzubringen", sagte Julio César González Pagés, der Koordinator des Iberoamerikanischen Netzwerks für Männlichkeit, im Gespräch mit IPS. Mit Hilfe der Forschung könnten wirksame Strategien gegen Gewalt gegen Frauen entwickelt werden.

Das Netzwerk, dem Experten aus 30 Ländern, darunter auch Spanien und Portugal angehören, will künftig auch in zehn afrikanischen Staaten präsent sein. Die Initiative hat sich außerdem mit der Oscar-Arnulfo-Romero-Gruppe für Reflexion und Solidarität (OAR) zusammengeschlossen. Die christliche Organisation, die nach dem 1981 ermordeten Erzbischof von San Salvador benannt ist, engagiert sich ebenfalls gegen sexuelle Gewalt.

An der Gründungsveranstaltung für die neue Plattform am 9. Dezember nahmen etwa 40 Männer aus Problemvierteln, Vertreter afrokubanischer Religionsgemeinschaften, der Baptisten, der Christlichen Studentenbewegung und der Katholischen Kirche sowie Verantwortliche für Kultur-, Umwelt- und Landentwicklungsprojekte teil. Der Gruppe schlossen sich außerdem 16 Frauen aus dem Stadtviertel Cerro in Havanna an.

Auf dem Workshop wurde zudem ein Teil der vom staatlichen kubanischen Fernsehen ausgestrahlten Telenovela 'Bajo el mismo sol' (Unter der gleichen Sonne) gezeigt. Es ist die erste Seifenoper, die das Problem der häuslichen Gewalt thematisiert.


Schweigen brechen

"Jeder von uns muss sich in seinem Umfeld mit Gewalt, Ausgrenzung oder Diskriminierung auseinandersetzen. Wenn wir eine einzige Frau vor Gewalt schützen können, ist das bereits ein Erfolg", erklärte der verantwortliche Koordinator von OAR, Gabriel Coderch. "Das komplizenhafte Schweigen muss gebrochen werden."

Die von der OAR geleitete fünfte Nationale Kampagne für Gewaltlosigkeit war Teil einer weltweiten Initiative, die UN-Generalsekretär Ban Ki-moon unter dem Motto 'Say no - Unite to End Violence against Women' im letzten Jahr gestartet hat.

Diese Kampagne ist nach Ansicht der Aktivisten von besonderer Bedeutung in einem Land wie Kuba, wo Regierung und Medien das Problem der häuslichen Gewalt lange ignoriert oder heruntergespielt haben. Indem auf gravierendere Situationen in anderen Ländern hingewiesen worden sei, habe der Karibikstaat nur eingeschränkt Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung der sexuellen Gewalt ergriffen.

Beobachter betrachten es als ersten bescheidenen Fortschritt, dass sexuelle Gewalt in dem zentralen Dokument der bevorstehenden nationalen Konferenz der regierenden Kommunistischen Partei am 28. Januar erwähnt wird.

"Eine der Herausforderungen liegt darin, das wahre Ausmaß von Gewalt in Kuba jenseits der angezeigten Straftaten zu erkennen", erklärte Mareelén Díaz vom Zentrum für psychologische und soziologische Forschung. Es gebe verschiedene Formen von Gewalt, über deren Verbreitung nur wenig bekannt sei.

Untersuchungen der Soziologin Clotilde Proveyer belegen, dass statistisch gesehen auf einen von seiner Frau getöteten Mann drei von ihren Männern umgebrachte Frauen kommen. Nach Erkenntnissen von Proveyer, die in der 1997 von der Regierung gegründeten Nationalen Gruppe zur Prävention häuslicher Gewalt tätig ist, war in den Fällen, in denen Kubanerinnen ihre Partner töteten, stets massive Gewalt gegen die Frauen der Auslöser gewesen. Sie hätten die Morde als allerletzten Ausweg aus ihrer Lage gesehen.

Aus dem vom Gesundheitsministerium herausgegebenen Jährlichen Handbuch der Gesundheitsstatistiken geht für 2010 hervor, dass in Kuba 128 Frauen und 376 Männer durch körperliche Gewalt ums Leben kamen. Wie in anderen Ländern geraten Männer vor allem außerhalb der eigenen vier Wände in Gefahr, während Frauen vor allem innerfamiliär bedroht werden.

"Die Männer müssen selbst einsehen, dass sie sich ändern müssen", sagte die Psychologin María Teresa Díaz, die ein OAR-Projekt leitet.


Gesetz gegen sexuelle Gewalt gefordert

In Kuba wird inzwischen immerhin über verschiedene Fragen diskutiert, die in der Vergangenheit bisher kaum Beachtung fanden. So werden ein Gesetz gegen sexuelle Gewalt und organisierte Hilfe für Opfer gefordert.

Während einer landesweiten Konzerttournee der kubanischen Sängerin Rochy Ameneiro im Januar werden das Iberoamerikanische Netzwerk für Maskulinität und das soziokulturelle Projekt 'Todas Contracorriente' (Alle gegen die Strömung) Workshops für Studenten abhalten. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.redmasculinidades.com/
http://www.sicsal.net/cuba/
http://www.un.org/en/events/endviolenceday/
http://www.ipsnoticias.net/print.asp?idnews=99894
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106343

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IPS-Tagesdienst vom 2. Januar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2012