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INTERNATIONAL/034: Bangladesch - Prügel und sexueller Missbrauch, junge Schmuggler leben gefährlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Juni 2011

Bangladesch: Prügel und sexueller Missbrauch - Junge Schmuggler leben gefährlich

Von Sujoy Dhar

Kinder wie diese sind als Schmuggler im Einsatz - Bild: © Sujoy Dhar/IPS

Kinder wie diese sind als Schmuggler im Einsatz
Bild: © Sujoy Dhar/IPS

Benapole, Bangladesch, 30. Juni (IPS) - Tag für Tag spielt Jamal Katz und Maus mit den indischen Grenzschützern. Der 13-jährige schmuggelt regelmäßig Waren aus dem indischen Bundesstaat Westbengalen in den Grenzdistrikt Jessore im Südwesten von Bangladesch.

Jamal, der eigentlich anders heißt, ist so flink, dass er den Soldaten lange Zeit entkommen konnte. Doch vor einigen Monaten hatte er Pech, als er sich auf der Flucht in einem Stacheldrahtzaun verfing. Der Junge versuchte sich zu befreien und auf die andere Seite der Grenze zu kommen. Der bullige Grenzer zerrte ihn jedoch zurück und der Stacheldraht riss tiefe Wunden in Jamals Haut. "Mit seinem schweren Stiefel hat er dann auf meine Hand getreten", berichtet der Teenager.

Schließlich schaffte es Jamal, wieder nach Bangladesch zu kommen. Seine Ware musste er aber zurücklassen. Dass er verletzt war, beunruhigte ihn weniger als der Verlust seiner Tageseinnahmen von umgerechnet vier US-Dollar.

Für Kinder aus armen Familien ist das Leben an der indisch-bangladeschischen Grenze gefährlich geworden. Auf beiden Seiten gibt es immer mehr junge Schmuggler, die Vieh, Obst, Drogen, Waffen oder einfach Schokolade illegal von einem Land ins andere bringen.

Kinderschützern zufolge werden viele Minderjährige misshandelt und sexuell missbraucht. Frauen, die sich zu Schmugglergeschäften verleiten ließen, hätten oftmals keine andere Wahl, als sich zu prostituieren, um von den Grenzern nicht verfolgt zu werden, sagt Tariqul Islam von der unabhängigen Organisation 'Rights Jessore'. Trotz scharfer Kritik von Menschenrechtsgruppen setzen vor allem indische Grenzsoldaten ihre Übergriffe fort.


Willkürliche Gewalt, Festnahmen, Tötungen

Die Organisation 'Human Rights Watch' (HRW) lastet in einem im vergangenen Dezember veröffentlichten Bericht den indischen Grenzern zahlreiche Fälle von willkürlicher Gewalt und Festnahmen, Misshandlungen und Tötungen an. Bislang wurde dafür niemand zur Verantwortung gezogen.

Die Grenztruppen auf der indischen Seite sind ihren Kollegen in Bangladesch zahlenmäßig und an Ausrüstung weit überlegen. Ihre Aufgabe ist es, die mehr als 4.000 Kilometer lange, schlecht gesicherte Grenze zu überwachen. Die jungen Schmuggler sind vor allem auf einem rund 1.100 Kilometer langen Streifen an der südlichen Grenze zu Westbengalen aktiv.

"Ich muss jeden Tag vor vier bis fünf indischen Grenzern auf der Hut sein, um meine Waren auf die andere Seite zu bringen", erzählt Raju Barman aus dem indischen Westbengalen, der die Schule nach der fünften Klasse abgebrochen hat. "Ich verdiene täglich 70 Rupien (1,5 US-Dollar)."

Barman übergibt sein Schmuggelgut jenseits der Grenze einem bangladeschischen Kurier. Fünf Mal ist er jeden Tag zwischen den beiden Ländern unterwegs. Selim, sein Partner auf der anderen Seite, händigt ihm ebenfalls Waren aus, die er in Indien verkaufen muss. Allerdings funktionieren die Geschäfte in die andere Richtung besser.

Auch Barman hat unangenehme Erfahrungen mit den Soldaten gemacht: "Wir werden oft verprügelt, trotzdem machen wir weiter. Wir sind schließlich arm." Sind die Kuriere noch klein, lassen die Grenzer sie meist schnell wieder laufen. Im Teenageralter werden jedoch nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen Opfer sexueller Belästigung, wie Menschenrechtler anprangern.


Behörden in Bangladesch geben sich hilflos

Die Behörden in Bangladesch geben zu, dass es zu solchen Übergriffen kommt. Ausrichten können sie dagegen angeblich nur wenig. "Unsere Kapazitäten sind begrenzt", entgegnet lapidar ein Richter aus Jessore. Bislang beschränkt man sich darauf, den Familien ein wenig finanzielle Unterstützung zu leisten, damit sie ihre Kinder zur Schule schicken können.

Wie der indische Inspektor General Ashok Kumar erklärt, sind auch die indischen Behörden bemüht, dafür zu sorgen, dass die Kinder wieder zur Schule gehen. Zu den Missbrauchsfällen wollte sich der General jedoch nicht näher äußern. In indischen Militärkreisen ist man der Meinung, dass die Kinderrechte erst dann besser geschützt werden können, wenn sich die Regierungen beider Staaten des Problems annehmen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.hrw.org/en/reports/2010/12/09/trigger-happy
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=56261

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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2011