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FRAUEN/678: Pakistan - Grenzen überwinden (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 139, 1/17

Grenzen überwinden

Feministischer Widerstand gegen religiösen Fundamentalismus in Pakistan

von Elaine Alam


Frauen werden in islamischen Ländern wie Pakistan im Namen der Religion diskriminiert. Religiöser Fundamentalismus hat das Image des Landes geschädigt, und dies wirkt sich auch auf den sozioökonomischen Status von Pakistan aus.


In vielen Ländern sind aktuell Nationalismen und Fundamentalismen auf dem Vormarsch. Durch die Ankunft von syrischen Geflüchteten in Deutschland und anderen EU-Ländern fühlen sich Teile der Bevölkerung in ihrer eigenen Identität verunsichert oder gar bedroht. Dieser Trend lässt sich auch in Folge des BREXIT oder der Machtübernahme des neuen US-Präsidenten Donald Trump beobachten: Bürger_innen stimmen nicht für eine regionale oder weltoffene Politik, sondern für eine nationalistische Agenda.

Fundamentalismen existieren schon lange. Sie sind entscheidend dafür, dass Menschen Konflikte oder Kriege über unterschiedliche Weltanschauungen geführt haben. Fundamentalismen tolerieren keine gegensätzlichen Sichtweisen oder Meinungen. Meistens wird Fundamentalismus mit Religion verknüpft, aber historisch gesehen gab es auch Formen, die aufgrund von Patriotismus entstanden sind. Neuerdings haben sich neue Formen von Fundamentalismen in Gesellschaften verbreitet, wie beispielsweise eine Art kapitalistischer Fundamentalismus. Fundamentalistische Zugänge schränken die Unabhängigkeit von Frauen ein. Es wird ihnen die Chance auf gleiche Rechte verweigert.

Frauen haben noch immer, vor allem in Ländern der so genannten Dritten Welt, eingeschränkte Rechte in Bezug auf politische Teilhabe. Sie müssen weiterhin für gleiche Rechte im ökonomischen, persönlichen und sozialen Sektor kämpfen.

Westliche feministische Positionen und Sichtweisen haben sich verändert. Über die Betrachtung von Geschlechterrollen hinaus werden inzwischen auch die spezifischen Kämpfe von Women of Colour einbezogen. Obwohl eine feministische Agenda in vielen Ländern existiert, gibt es weiterhin Vorurteile gegenüber bestimmten Kulturen, Religionen und anderen "races". Es zeigt sich also, dass Fundamentalismus - religiös oder nichtreligiös - schwerwiegende Folgen für Frauen hat. Diese Auswirkungen sind aus einer feministischen Perspektive neu zu beurteilen.


Die Lage der pakistanischen Frauen

Die Gesetzgebung in Pakistan ist auf vielen Ebenen diskriminierend gegenüber Frauen. Das hat u. a. Auswirkungen auf ihre ökonomische Situation. Der Global Gender Gap Report 2015 des World Economic Forum stufte die ökonomischen Teilhabemöglichkeiten von Frauen in Pakistan im Länderranking auf den vorletzten Platz, 144 von 145. Dies zeigt, dass Pakistan eines der Länder ist, in dem Frauen die geringste Wirtschaftsmacht besitzen. Die Regierung setzt keine konkreten Maßnahmen, um den Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern zu verringern. Der Staat hat kaum ein Interesse daran, Gesetze zu verabschieden, die die Situation von Frauen verbessern, egal ob am Arbeitsmarkt oder zuhause.

Die meisten Beschränkungen von Frauenrechten in Pakistan sind im tiefsitzenden religiösen Fundamentalismus der gegenwärtigen pakistanischen Gesellschaft begründet. Dieser religiöse Fundamentalismus ist zutiefst mit Nationalismus verwoben. Aus diesem Grund ist eine Auseinandersetzung mit den beiden Aspekten Patriotismus und Glauben unerlässlich, damit Frauen einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft erlangen können.

Ausgangspunkt für eine starke feministische Bewegung in Pakistan, welche sich für Frauenrechte einsetzt, können Erkenntnisse aus vorangegangenen sozialen Bewegungen sein. Weibliche Stimmen werden zunehmend gehört - über NGOs, Politik und Medien. Diese brauchen eine gemeinsame Plattform, um die benötigten Gesetzesänderungen einfordern zu können. Einige Frauen aus einflussreichen und liberalen Familien haben mit ihren Männern zusammengearbeitet und konnten dadurch Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften werden. Frauen sind trotzdem weiterhin weitestgehend aus dem politischen System ausgeschlossen.

Weibliche Perspektiven in die islamische Theologie zu inkludieren ist eine weitere Strategie, den Status von Frauen in Pakistan zu verbessern. Die westliche Moderne als Bedrohungsszenario und ein Revival von islamistischen Ideologien haben zu verstärkten Repressionen gegenüber Frauen in Pakistan geführt. Es gibt einen Mangel an religiösen Wissenschaftlerinnen, welche eine alternative, frauenzentrierte Lesart der religiösen Schriften anbieten könnten. Ihr Einfluss wäre wichtig, um die existierende Debatte um die Rolle der Frau im Islam zwischen säkularen Feminist_innen und religiösen Fundamentalist_innen in Pakistan und dem Rest der Welt zu diversifizieren - so wie die Inklusion von Männern in der ägyptischen feministischen Bewegung und in der bengalischen Renaissance diese ermutigt hat, für Frauenrechte einzustehen. Dies wäre ein effektiver Weg, eine Diskussion über Unterschiede und Gemeinsamkeiten der religiös zugewiesenen weiblichen Rollen in der pakistanischen Gesellschaft und Politik zu starten. Feminismus ist ein Werkzeug zur Bekämpfung von religiösem Fundamentalismus in Pakistan und dem Rest der Welt. Feministische Ideen liefern eine starke Basis für den Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen. Die Vorbilder von Frauen, die in der islamischen, christlichen und jüdischen Geschichte sowie in der hinduistischen Mythologie eine aktive Rolle inne hatten, kann Frauen Selbstvertrauen geben, für ihre Rechte einzutreten. Die Kampagnen einer religiös-feministischen Bewegung sollten darauf zielen, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Wenn feministische Ideen in der Gesellschaft verbreitet sind, dann wird auch der Einfluss von radikalen Führer_innen geringer.


Zur Autorin: Elaine Alam hat ihren Master in Poverty Reduction: Policy and Practice an der University of London abgeschlossen. Sie ist Mitbegründerin und Generalsekretärin der NGO Formation Awareness & Community Empowerment Society (FACES Pakistan). Sie lebt in Lahore, Pakistan.

Übersetzung aus dem Englischen: Linda Pasch

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 139, 1/2017, S. 24-25
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2017

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