Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → SOZIALES


FRAUEN/650: Auf der Suche nach urbanen Frauengeschichten (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 137, 3/16

Auf der Suche nach urbanen Frauengeschichten

Straßennamen als Ausdruck von Machtstrukturen im Geschlechterverhältnis

von Christine Judt


Straßennamen dienen als kollektiver Erinnerungsspeicher und würdigen die Vermächtnisse sogenannter berühmter Persönlichkeiten. Sie charakterisieren die urbane Identität und machen Machtstrukturen im Geschlechterverhältnis sichtbar. Trotz Initiativen, die Frauenquote zu erhöhen, sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert.


Auch heute sind in sieben Weltmetropolen nur knapp ein Viertel der Straßen nach Frauen benannt. Zu diesem Ergebnis kamen die indische Informatikerin Aruna Sankaranarayanan und ihre Kolleg_innen von der Open-Source-Plattform Mapbox. Sie untersuchten die Geschlechterverteilung bei der Benennung von Straßen in London, Paris, San Francisco sowie in den indischen Städten Mumbai, New Delhi, Chennai und Bangalore. Das Resultat visualisierten sie in einer interaktiven Karte.

In Rom sind 580 Straßen Frauen, hingegen 7.575 Männern gewidmet. Ähnliche Verhältnisse finden sich in den meisten Großstädten. In der afghanischen Hauptstadt Kabul scheint sogar nur eine Straße einer Frau Tribut zu zollen, verlautbarte Habiba Sarabi - seit 2005 erste und bislang einzige Gouverneurin Afghanistans - in einem BBC-Interview. In einigen Städten versucht man das Ungleichgewicht in der Namensgebung zu verringern und räumt wichtigen Wegbereiterinnen mehr Platz im öffentlichen Raum ein. In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires verbindet die Puente de la Mujer (Frauenbrücke) das Zentrum mit dem jüngsten Stadtteil Puerto Madero. Der moderne Wohnbezirk huldigt ausschließlich heimischen Pionierinnen und setzt damit ein wichtiges Zeichen.

In New Mexico, USA, wurden seit 1935 mehr als 600 historische Gedenktafeln angebracht. Dank der 2006 ins Leben gerufenen Historic Women Marker Initiative (Initiative für Gedenktafeln historischer Frauen) erinnern mittlerweile zumindest 75 davon an die Errungenschaften bedeutender Frauen.

Und auch in dem neuen Wiener Stadtbezirk Seestadt Aspern einigte sich das 30-köpfige interdisziplinäre Planungsteam, alle nach Personen benannten Plätze und Straßen berühmten Frauen zu widmen. Trotzdem tragen laut Genderatlas, gemessen an ihrer Länge, nach wie vor nur 3 % der Wiener Straßen Frauen-, hingegen 42,4 % Männernamen. In Anbetracht steigender städtischer Bevölkerung, zunehmender Migration und sozialer Ungleichheit spielen Manifestationen im öffentlichen Raum eine wichtige Rolle. Denn Gedenken und Erinnerung dienen als Orientierung für das Heute und Morgen. Sie sind prägende Faktoren im kollektiven Gedächtnis für ein harmonisches Zusammenleben und die Gleichstellung von Mann und Frau.


Lesetipp:
Kühberger, C.:
Erinnerungskulturen als Teil des historisch-politischen Lernens.
In: Informationen zur Politischen Bildung Nr. 32. Forum Politische Bildung.
http://www.politischebildung.com/pdfs/32_fachdid.pdf

Webtipps:
www.mapbox.com/blog/streets-and-gender
www.lan.com/onlyinsouthamerica/puerto-madero-homage-argentinian-women
www.nmhistoricpreservation.org/outreach/historic-women-marker-initiative.html
www.bbc.com/news/magazine-17203823
www.aspern-seestadt.at/investieren-mitgestalten/aspern-seestadt-citylab/

Zur Autorin:
Christine Judt studierte Ernährungswissenschaften sowie Agrar- und Ernährungswirtschaft und lebt in Wien. Vor kurzem absolvierte sie den Journalismuslehrgang "Lehrredaktion 2022" des Österreichischen Journalismusclubs.

*

Quelle:
Frauensolidarität Nr. 137, 3/2016, S. 20
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Sensengasse 3, A-1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org
 
Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro plus Porto
Jahresabo: Österreich 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang