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FRAUEN/562: US-Finanzhilfe für Vergewaltigungsopfer in Konfliktgebieten gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Dezember 2014

Menschenrechte: Abtreibungshilfen für Vergewaltigungsopfer in Konfliktgebieten - USA sollen Gelder bereitstellen

von Carey L. Biron


Bild: © Rosebell Kagumire/IPS

Vergewaltigungsopfer auf einem Workshop in Pader im Norden Ugandas
Bild: © Rosebell Kagumire/IPS

Washington, 17. Dezember (IPS) - Fast zwei Dutzend Gesundheits-, Menschenrechts- und Kirchengruppen haben US-Präsident Barack Obama dazu aufgefordert, sich aktiv dafür einzusetzen, dass Vergewaltigungsopfer in Kriegs- und Konfliktregionen die US-Hilfe bekommen, die sie brauchen, um abtreiben zu können.

Die Gruppen hatten sich kürzlich vor dem Weißen Haus in Washington eingefunden, um die Aufmerksamkeit auf die "Fehlinterpretation" eines mehr als 40 Jahre alten Gesetzes zu lenken. In dem 'Helms-Zusatz' (Helms Amendment) ist festgelegt, welche Frauengesundheitsleistungen die USA in Übersee fördern dürfen.

Doch die falsche Auslegung der Novelle habe das seelische Leid und die erlittene Schmach nur unnötig verlängert. "Seit mehr als 40 Jahren wird das Helms Amendment ausnahmslos als absolutes Verbot verstanden, Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen von US-Gesundheitsprogrammen zu finanzieren", kritisiert Purnima Mane, die Vorsitzende von 'Pathfinder International', einer Gruppe, die sich weltweit für sexuelle Gesundheit engagiert.

"Das hatte zur Folge, dass Pathfinder und andere von den USA bezuschusste Organisationen den Vergewaltigungsopfern nicht zu Schwangerschaftsabbrüchen verhelfen konnten, obwohl sie im Helms-Zusatz erlaubt sind. Mit einem Federstrich könnte Präsident Obama dafür sorgen, diesen Verstoß gegen grundlegende Menschenrechte und die Gefahr von Gesundheitsschäden nach mehr als 40 Jahren endlich zu beenden."

Den Befürwortern zufolge gibt es eine breite Mehrheit, die eine solche Neuorientierung unterstützen würde. Denn die Helms-Novelle ist in dieser Frage eigentlich eindeutig. Sie verbietet die Verwendung von US-Steuergeldern für die Durchführung von Abtreibungen als Methode der Familienplanung. Auch dürfen die Mittel nicht eingesetzt werden, um Frauen zu einem Abort zu überreden.

"Keine US-Regierung hat das Gesetz jemals korrekt angewendet und die möglichen Ausnahmefälle berücksichtigt", meint Serra Sippel, Vorsitzende des 'Center for Health and Gender Equity' (CHANGE), das die Demonstration vor dem Weißen Haus am 9. Dezember organisiert hatte.


Fehlinterpretation und langjährige Selbstzensur

Abtreibungen sind in den USA ein heikles Thema. Als der Oberste Gerichtshof 1973 ein Abtreibungsverbot eines Bundesstaatengerichts als verfassungswidrig aufhob, sorgte das Urteil landesweit für einen Aufschrei der Empörung. Dabei hatten Umfragen ergeben, dass eine Mehrheit der US-Amerikaner Abbrüche von Schwangerschaften, die durch eine Vergewaltigung oder Inzest zustande kommen oder die das Leben der Mütter in Gefahr bringen, grundsätzlich befürwortet.

Der Helms-Zusatz trat nur wenige Monate nach dem spektakulären Urteil in Kraft. Er hat dazu geführt, dass die US-amerikanische Unterstützung für Abtreibungen in anderen Ländern eingestellt wurde.

Es wäre anzumerken, dass die Eingriffe selbst in den USA und in vielen Ländern, in denen Washington Hilfsorganisationen und Regierungsstellen unterstützt, erlaubt sind. Bei vielen Hilfsorganisationen hat sich dennoch der Eindruck verfestigt, dass schon die Weitergabe von Informationen an Frauen und sogar an Vergewaltigungsopfer ein Problem darstellt - obwohl der Helms-Zusatz dies nicht ausdrücklich verbietet.

"Diese Beschränkungen haben den falschen Eindruck erweckt, dass die US-Außenpolitik in Abtreibungsfragen schärfer ist als das Gesetz. Das hat für Verwirrung, Missverständnisse und eine Unterbindung der Hilfe im Zusammenhang mit abtreibungsrelevanten Aktivitäten über die eigentlichen Dienstleistungen hinaus geführt", heißt es in einer Publikation des auf sexuelle Gesundheit spezialisierten 'Guttmacher Institute' aus dem letzten Jahr.

"Bewusst oder unbewusst sind Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und US-Beamte gleichermaßen zu Gesetzesbrechern und Opfern geworden, indem sie das Anti-Abtreibungsgesetz falsch ausgelegt und falsch angewendet haben. Aufgrund dieser Fehlinterpretation und Selbstzensur haben die NGOs ihre Abtreibungsberatungen und Überweisungen eingestellt.

Wie globale Zahlen belegen, ist es sehr schwer, Vergewaltigungen und die daraus resultierenden Schwangerschaften zu verhindern. Untersuchungen von 'Human Rights Watch' (HRW) von 2004 zeigen, dass in Liberia, wo Vergewaltigungen gezielt als Form der Kriegsführung eingesetzt wurden, 15 Prozent aller Vergewaltigungen eine Schwangerschaft mit sich brachten.


Ungewollte Schwangerschaften produzieren neues Leid

"Menschenrechtsaktivisten und staatliche Gesundheitshelfer aus Bosnien, der Demokratischen Republik Kongo, Kolumbien und anderen Ländern haben von überlebenden Vergewaltigungsopfern erfahren, dass beides, die Vergewaltigung und die daraus resultierende Schwangerschaft, für die betroffenen Frauen und Mädchen verheerende Folgen haben", bestätigt Liesl Gerntholtz, Leiterin der Frauenrechtsabteilung bei HRW. Sie seien mit ihren ungewollten Kindern, die sie an das erfahrene Leid erinnerten und die sie oft nicht versorgen könnten, allein gelassen. Die Kinder wiederum würden häufig ausgesetzt, misshandelt oder stigmatisiert.

Den Aktivisten zufolge ist in den letzten eineinhalb Jahren ein Umdenken in dieser Frage erkennbar, was sie auf den Konflikt in Syrien und den Siegeszug des Islamischen Staates sowie die Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) und die Rolle der sexuellen Gewalt in jedem dieser Konflikte zurückführen.

"Wir wissen, dass Vergewaltigungen im Verlauf der Geschichte gezielt als Methode der Kriegsführung eingesetzt wurden", berichtet Sippel. "Wir wollen natürlich, dass Vergewaltigungen gar nicht erst stattfinden. Doch wenn es zu einer solchen Form der Gewalt kommt, sollte sichergestellt sein, dass die Organisationen und Regierungsbehörden den Vergewaltigungsopfern die Hilfe bieten, die sie brauchen, und Abtreibungsangebote müssen Teil des Pakets sein."

Die USA haben sich in den letzten Jahren als engagierte Streiter im Kampf gegen sexuelle Gewalt auch in Hinblick auf Konfliktsituationen positioniert. Präsident Obama hat den ersten US-Aktionsplan zur Rolle von Frauen bei der Friedenssicherung vorgelegt. Dabei handelt es sich um eine Strategie der US-Regierung gegen geschlechtsbedingte Gewalt.

Nach Ansicht der Organisationen, die vor dem Weißen Haus gegen die Fehlinterpretation des Helms-Zusatzes protestiert hatten, muss in einem nächsten Schritt eine Richtigstellung erfolgen. Ihnen zufolge haben sich US-Regierungsvertreter mit Aktivisten getroffen, die sich für ein Ende der sexuellen Gewalt in Kolumbien, der Demokratischen Republik Kongo und anderen Ländern engagieren. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/12/groups-push-obama-to-clarify-u-s-abortion-funding-for-wartime-rape/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2014