Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

FRAUEN/489: Afghanistan - Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen gefährdet (medica mondiale)


medica mondiale - 16. Mai 2013

Afghanistan: Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen gefährdet

medica mondiale befürchtet gravierende Verschlechterungen wie Einschränkungen in der juristischen Handhabe gegen Täter



Am 18. Mai 2013 soll das Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (EVAW Law, Elimination of Violence against Women) dem Afghanischen Parlament zur Prüfung vorgelegt werden. Nach jahrelangem Druck von Frauenrechtlerinnen hatte Präsident Hamid Karzai das EVAW Law im August 2009 als gesetzgebendes Dekret erlassen mit dem Ziel, Frauen zu schützen und Gewalt gegen Frauen zu bestrafen. Seitdem ist das Gesetz, das beispielsweise festlegt, dass Vergewaltigung strafbar ist, landesweit hundertfach bei Polizei, Staatsanwaltschaft und vor Gericht angewendet worden. Medica Afghanistan und andere afghanische Frauenorganisationen befürchten nun, dass im Rahmen der parlamentarischen Prüfung zentrale Bestimmungen des EVAW-Law wie das Verbot der Zwangsverheiratung neu verhandelt und zum Schlechteren verändert werden. Schon im Vorfeld waren in parlamentarischen Diskussionen verschiedene Korrekturen erörtert worden, beispielsweise die Herabsetzung des Heiratsalters für Mädchen. Auch steht das Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen grundsätzlich auf dem Spiel. Sollte es im Parlament keine Mehrheit finden, wäre damit ebenfalls das präsidiale Dekret hinfällig.

"Ich bin äußerst besorgt über diese Entwicklung", erklärt Monika Hauser, Gründerin von medica mondiale. "Mögliche Aufweichungen schwächen nicht nur die Rechte der Frauen erheblich, sie fördern und legitimieren auch Gewalt gegen Frauen. Die hart erkämpfte Kriminalisierung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen darf auf keinen Fall in Frage gestellt oder unterlaufen werden." medica mondiale fordert deshalb die deutsche Bundesregierung auf, das Gesetzgebungsverfahren in Afghanistan kritisch zu beobachten und ihre Handlungsspielräume für die Stärkung der Rechte afghanischer Frauen und Mädchen zu nutzen. Hauser weiter: "Dazu gehört auch, die Afghanische Regierung an die bei der Afghanistan-Konferenz im Juli 2012 in Tokyo getroffenen Vereinbarungen zu erinnern." Hier wurde als Indikator für konkreten Fortschritt beim zivilen Wiederaufbau die Umsetzung des Gesetzes zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen festgelegt. Die internationale Gemeinschaft knüpfte bei der Tokyo-Konferenz ihre zukünftige Unterstützung für Afghanistan daran, dass die afghanische Regierung diese Verpflichtungen erfüllt.

Über Medica Afghanistan
Seit 2001 engagiert sich medica mondiale in Afghanistan. Das Programm umfasst neben psychosozialer und medizinischer Unterstützung eine umfassende Rechtsberatung für von Gewalt betroffene Afghaninnnen. Viele Frauen werden nach einer Vergewaltigung aufgrund sogenannter moralischer Verbrechen inhaftiert, etwa weil ihnen Ehebruch vorgeworfen wird. In solchen Verfahren findet seit 2009 das EVAW Law Anwendung, an dessen Erarbeitung auch Mitarbeiterinnen von Medica Afghanistan beteiligt waren. Bis heute konnten die Anwältinnen von Medica Afghanistan mit Hilfe des EWAV Law für Frauen in zahlreichen Gerichtsverfahren ein geringeres Strafmaß oder einen Freispruch erwirken. Medica Afghanistan ist nach neunjährigem Aufbau seit Ende 2010 eine eigenständige Frauenrechtsorganisation.

*

Quelle:
medica mondiale e.V.
Pressemitteilung vom 16. Mai 2013
Hülchrather Str. 4, 50670 Köln
Telefon: +49-(0)221 / 93 18 98-0, Fax: +49-(0)221 / 93 18 98-1
E-Mail: info@medicamondiale.org
Internet: www.medicamondiale.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2013