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FRAUEN/482: Kuba - Frauengefängnisse offenbaren Geschlechterdiskriminierung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. April 2013

Kuba: Frauengefängnisse offenbaren Geschlechterdiskriminierung

von Ivet González


© Jorge Luis Baños/IPS

Ein Frauengefängnis auf Kuba
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 15. April (IPS) - Gefängnisdirektoren auf Kuba fordern eine Reform des geltenden Strafrechts. Frauen, die ihren Mann oder Lebenspartner getötet haben, weil sie misshandelt oder vergewaltigt wurden, sollten ihrer Meinung nach deutlich milder bestraft werden.

63 Prozent der fast 4.000 weiblichen Insassen kubanischer Gefängnisse verbüßen Haftstrafen im Zusammenhang mit Veruntreuung oder Raub. Doch einige Frauen sitzen auch wegen Mordes ein. "Ein Großteil, weil sie ihre gewalttätigen Männer oder ihre einst übergriffigen Väter umgebracht haben", berichtet Sara Rubio, Direktorin des Frauengefängnisses in der kubanischen Provinz Havanna. "Diese Fälle müssen anders behandelt werden als Raubüberfälle."

Rubio hatte am 10. April Journalisten aus dem In- und Ausland Rede und Antwort gestanden. Es war das erste Mal seit 2004, dass internationale Pressevertreter einen Blick in die kubanischen Gefängnisse werfen durften.

Auch eine Reihe zivilgesellschaftlicher Organisationen plädiert dafür, Verbrechen misshandelter und missbrauchter Frauen anders zu werten und abzustrafen. Bereits seit 2007 führen sie mit Unterstützung staatlicher Einrichtungen eine Sensibilisierungskampagne durch, die das Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen schärfen soll.

Sara Rubio fordert zudem die Entkriminalisierung der Prostitution, die in Kuba verboten ist und mit Haft geahndet wird. Das von ihr geleitete Frauengefängnis 'El Guatao' - benannt nach dem Viertel von Havanna, in dem es sich befindet - ist eines von zwei landesweiten Gefängnissen, in denen Frauen im geschlossenen Vollzug einsitzen. Das andere befindet sich in Camagüey, 534 Kilometer im Osten der kubanischen Hauptstadt. Daneben gibt es in dem 11,2 Millionen Einwohner zählenden Inselstaat 16 Frauenstrafanstalten mit offenem Vollzug.


Zahl der Gefangenen gesunken

Nach Informationen des Vizechefs der Nationalen Direktion für Haftanstalten, Osmani Leyva, sitzen insgesamt 50.000 Menschen in den 200 Gefängnissen des Landes ein. Damit sei die Zahl gegenüber dem Vorjahr gesunken: 2012 waren es noch 57.337 Gefangene gewesen. "Jeden Tag werden Insassen aus Gründen wie guter Führung frühzeitig aus der Haft entlassen", berichtet Leyva. Einige Häftlinge dürfen alternativ zu einer Gefängnisstrafe auch einer Arbeit nachgehen.

Internationale Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsgruppen haben den kubanischen Strafvollzug in der Vergangenheit wiederholt kritisiert. Am 1. Mai muss die Regierung einen Bericht über ihre Politik im Rahmen des Universellen Periodischen Überprüfungsverfahrens des UN-Menschenrechtsrats vorlegen. Dieser tagt in diesem Jahr vom 22. April bis 3. Mai in Genf. Auch Deutschland muss in diesem Jahr zum zweiten Mal einen entsprechenden Bericht abliefern.

Experten zufolge hat möglicherweise eine Anti-Korruptions-Kampagne von 2009 dafür gesorgt, dass mehr Frauen hinter Gitter gebracht wurden. Rubio zufolge sitzen 63 Prozent der weiblichen Gefangenen des Landes wegen Veruntreuung, Betrug oder Raubüberfällen mit und ohne Gewaltanwendung ein. Ein Großteil der Delikte steht im Zusammenhang mit Wirtschaftsverbrechen und Korruption.


Nur geringe Anzahl von Wiederholungstäterinnen

In El Guatao büßen 400 Frauen eine Haftstrafe ab. Die meisten von ihnen sind zwischen 31 und 59 Jahren alt. Lediglich 15 Prozent von ihnen sind Wiederholungstäterinnen, wie Rubio berichtet. Die Frauen sind nicht in Zellen untergebracht, sondern in größeren Schlafsälen. Keine Gittertüren, sondern Sicht versperrende Türen führen zu den Unterkünften.

Das Gefängnis verfügt über einen Theatersaal, Fernsehraum, Speisesaal, über Sportplätze und Studierzimmer. Die Gefangenen dürfen zudem nach draußen telefonieren, einmal pro Woche Besuch von ihren Familien und alle 21 Tage intimen Besuch von ihren Männern empfangen.

Lázara López hat eine 15-jährige Tochter und einen achtjährigen Sohn. Sie verbüßt wegen Diebstahls derzeit eine sechsjährige Gefängnisstrafe - ein Jahr davon in Guatao. "Ich habe für meine Kinder gestohlen. Aber jetzt bedauere ich es, weil sie mich jetzt viel besser zu Hause gebrauchen könnten", sagt die 33-Jährige gegenüber IPS. "Die Große muss auf ihren kleinen Bruder aufpassen."

Die Regierung unter Ex-Präsident Fidel Castro hatte die Idee, Gefängnisse zu Schulen umzufunktionieren. Die Insassen sollen ihre Ausbildung fortführen oder wieder aufnehmen können oder einen Beruf erlernen. Die meisten Frauen melden sich freiwillig zu Arbeitsdiensten in staatlichen Einrichtungen, um zumindest für ein paar Stunden aus der Haftanstalt herauszukommen.

Nur zwei Prozent der Strafgefangenen sind zwischen 16 und 30 Jahren alt. In El Guatao liegt der Anteil bei drei Prozent. Zu ihnen gehört die Grundschullehrerin Damayantis Reyes. Die 19-Jährige ist im fünften Monat schwanger. Sie sitzt wegen Körperverletzung eineinhalb Jahre im Gefängnis. Ihr Kind darf bei ihr bleiben, bis es ein Jahr alt ist. "Die Bedingungen hier sind okay, aber gut sind sie nicht. Niemand will hier sein", sagte Reyes gegenüber IPS. (Ende/IPS/jt/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2013