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FRAUEN/433: Nepal - Kinderehen gefährden UN-Millenniumsziele, Verstoß gegen geltendes Recht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Oktober 2012

Nepal: Kinderehen gefährden UN-Millenniumsziele - Verstoß gegen geltendes Recht

von Naresh Newar


Viele Mädchen in Nepal werden verheiratet - Bild: © Naresh Newar/IPS

Viele Mädchen in Nepal werden verheiratet
Bild: © Naresh Newar/IPS

Katmandu, 15. Oktober (IPS) - Das Heiratsalter in Nepal liegt bei 20 Jahren. So will es das Gesetz. Doch neue Zahlen des Ministeriums für Gesundheit und Bevölkerung zeigen, dass mindestens 23 Prozent der Mädchen bereits im Alter zwischen 15 und 19 Jahren verheiratet werden.

Sozialaktivisten zufolge gefährden die Kinderehen die UN-Millenniumsziele (MDGs) zur Armutsbekämpfung bis 2015. "Sie sollten verhindert werden, schaden sie nicht nur der Bildung der Mädchen, sondern auch ihrer Gesundheit", fordert Sumon Tuladhar vom UN-Kinderhilfswerk UNICEF. Die Verheiratung von Teenagern steht der Umsetzung gleich mehrerer MDGs im Wege: Grundschulbildung für alle, die Stärkung der Rolle der Frau, die Bekämpfung der Kindersterblichkeit und die Verbesserung der Gesundheit von Müttern.

"Es wird Zeit, energisch gegen Kinderheiraten vorzugehen", meint Dibya Dawadi, stellvertretende Generaldirektorin des Bildungsministeriums. Wie sie kritisiert, fehlt es an einer rigorosen Überwachung, was die Einhaltung der geltenden Gesetze angeht.


Eltern müssen rechtlich belangt werden

Problem ist jedoch, dass sich jedes rechtliche Verfahren gegen die Eltern der betroffenen Mädchen richten würde. "Die Mütter ins Gefängnis zu stecken, ist nicht zweckmäßig", so Helen Sherpa von der Hilfsorganisation 'World Education'. "Wer sonst soll ihre Kinder ernähren und schützen?"

Zudem ist meist die wirtschaftliche Lage der Familien dafür verantwortlich, dass Eltern ihre Töchter rasch verheiraten. Mädchen sind wertvolle Hilfen in Haushalten und in der Landwirtschaft. "Die größte Herausforderung besteht darin, die Eltern davon zu überzeugen, dass sich Investitionen in die Ausbildung der Töchter lohnen", meinte Dawadi.

Viele Familien in den ländlichen Gebieten verheiraten Mädchen schon mit elf bis 13 Jahren. Je länger sie warten, desto mehr Mitgift müssen sie an die Schwiegerfamilie zahlen. Kamala Chepang wurde mit 13 Jahren verheiratet, weil ihre Eltern nicht mehr für die Ausbildung aller ihrer Kinder aufkommen konnten. "Ich sehe, dass meine jungen Geschwister zur Schule gehen und bin glücklich darüber", sagt Kamala, die in einem abgelegenen Dorf im Distrikt Chitwan, 300 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Katmandu lebt.

UNICEF zufolge werden 51 Prozent der Nepalesinnen im Kindesalter verheiratet. Laut einem Bevölkerungs- und Gesundheitsbericht von 2006 hatten 60 Prozent aller Frauen des Himalaja-Staates zwischen 20 und 49 Jahren bereits vor ihrem 18. Lebensjahr geheiratet.


Eines der Schlusslichter bei der Gleichbehandlung der Geschlechter

Im Vergleich mit anderen Staaten schneidet Nepal bei der Gleichbehandlung der Geschlechter schlecht ab. Im vergangenen Jahr kam das Land auf dem 'Global Gender Gap'-Index des Weltwirtschaftsforums unter 135 Staaten auf Platz 126.

"Eine frühe Heirat schränkt die Möglichkeiten ein, die einem Mädchen in seinem Leben offenstehen. Die Eltern wollen nicht länger in eine Tochter investieren, die zum 'Eigentum' eines anderen geworden ist", betont der Aktivist Kaman Singh Chepang von der 'Nepal Chepang Association' und verweist vor diesem Hintergrund auf die große Armut im Lande. Mehr als die Hälfte der etwa 30 Millionen Einwohner des Himalaja-Staates muss mit weniger als umgerechnet 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen.

Um die Kinderehen künftig zu verhindern, hält Chepang eine enge Zusammenarbeit zwischen den Gesundheits-, Bildungs-, Armutsbekämpfungs- und Kulturbehörden für wichtig. Die Grundschulbildung müsse Priorität erhalten, fordert er.

Die Mädchen, die in entlegenen Dörfern leben, sind in mehrerer Hinsicht benachteiligt. Sie müssen stundenlang zu Fuß laufen, um ihre Klassenräume zu erreichen. Wenn sie wieder zu Hause ankommen, sind sie zu müde, um ihre Hausaufgaben zu machen. Die meisten brechen die Schule ab und helfen ihren Eltern wieder im Haushalt, bis sie verheiratet werden und zu der Familie des Mannes ziehen. Nicht selten werden sie dort diskriminiert, ausgenutzt und misshandelt. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.unicef.org/infobycountry/nepal.html
http://www.un.org/millenniumgoals/
http://www.worlded.org/WEIInternet/
http://www.weforum.org/women-leaders-and-gender-parity
http://www.ipsnews.net/2012/10/child-marriage-defies-laws-in-nepal/

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vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2012