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FRAUEN/410: Nepal - Wenn Eltern am Brautgeld sparen, Frühehen nehmen Mädchen Bildungschancen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Juni 2012

Nepal: Wenn Eltern am Brautgeld sparen - Frühehen nehmen Mädchen alle Bildungschancen

von Grit Porsch



Berlin, 18. Juni (IPS) - Für Nepals arme Landbevölkerung ist das möglichst frühe Anbahnen einer Heirat der Töchter nicht zuletzt eine Frage des Geldes. Je jünger die kindliche Braut, desto geringer die Mitgift, die Eltern an die Familie des Ehemannes entrichten müssen. Die wenigsten Eltern sind sich allerdings nicht im Klaren darüber, welche Chancen sie ihren Töchtern mit ihrer Sparsamkeit versperren.

"Wir müssen nachdrücklich gegen die Frühehen kämpfen und durchsetzen, dass die bestehenden Gesetze befolgt werden", erklärte Dibya Dawadi, stellvertretende Direktorin des nepalesischen Bildungsministeriums, in einem Gespräch mit dem UN-Nachrichtendienst IRIN. Erst im vergangenen Jahr war das gesetzliche Heiratsmindestalter für junge Frauen und Männer auf 20 Jahre erhöht worden.

"Wir wissen, dass sehr viele Mädchen früh verheiratetet werden, doch ihre genaue Zahl kennen wir nicht", betonte Dawadi. Nach Angaben des Ministeriums für Frauen, Kinder und Wohlfahrt sind in dem Himalaja-Staat ungeachtet des Verbots von Frühehen 34 Prozent der Bräute bei der Heirat keine 15 Jahre alt.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) werfen der Regierung in Katmandu vor, sie schaffe es nicht, Kinderehen zu verhindern. Vor allem im Süden, in der Region Terai gebe es Bezirke wie Rupendehi, Dhanusha und Mahottari, in denen mehr als die Hälfte der Mädchen bei der Heirat noch nicht einmal zwölf Jahre alt sind, berichtete die für die internationale NGO 'World Education' arbeitende Bildungsexpertin Helen Sherpa. "Kürzlich haben wir ein verheiratetes fünfjähriges Kind entdeckt."

"Die Mitgift, die eine Familie für eine Tochter aufbringen muss, liegt je nach Alter der Braut zwischen umgerechnet 200 und 20.000 US-Dollar", stellte Sherpa fest. Selbst wenn die Braut noch bis zu ihrem 16. oder 17. Lebensjahr in der eigenen Familie lebt, ist ungewiss, ob sie weiter zur Schule gehen darf. "Die Eltern sind nicht mehr daran interessiert, in die Bildung ihrer Tochter zu investieren, sobald diese in den 'Besitz' einer anderen Familie übergeht", sagte Sherpa und kritisierte: "Das ist ein absoluter Verstoße gegen die Rechte der Mädchen."


Nur bei der Einschulung sind Jungen und Mädchen gleichauf

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Nepal Jungen und Mädchen bei Schulbeginn fast gleich stark vertreten. "Doch diese Zahlen beziehen sich nur auf die Einschulung und sagen nichts über die Leistungen und den weiteren Verbleib in der Schule aus", räumte die Regierungsbeamtin Dawadi ein.

Amtlichen Angaben zufolge besuchen in Nepal mehr als 240.000 Kinder keine Schule. Regierungsbeamte schätzen, dass es sich dabei überwiegend um Mädchen handelt, vor allem um junge Bräute.

Öffentliche Grundschulen erheben eher bezahlbare Gebühren, die allerdings in der weiterten Schulzeit für viele Eltern unerschwinglich werden. 60,9 Prozent der jungen Nepalesen im Alter zwischen sechs und 15 Jahren, davon 72 Prozent Jungen und 51 Prozent Mädchen, können lesen und schreiben. Mit zunehmendem Alter vergrößert sich nach Angaben der nepalesischen Statistikbehörde diese Bildungskluft deutlich. Bei den über 15-Jährigen sind rund 71,6 Prozent der dann noch 56,5 Prozent lese- und schreibkundigen Nepalesen junge Männer und nur noch 44,5 Prozent junge Frauen. (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2012