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FRAUEN/357: Malawi - Finanziell unabhängigen Frauen gelingt Flucht aus der Armut (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2011

Malawi: Finanziell unabhängigen Frauen gelingt Flucht aus der Armut

von Travis Lupick und Emma Mwasinga

Malawis Vizepräsidentin Joyce Banda - Bild: © Katie C. Lin/IPS

Malawis Vizepräsidentin Joyce Banda
Bild: © Katie C. Lin/IPS

Blantyre, 19. Dezember (IPS) - Malawis Vizepräsidentin Joyce Banda hat sie nie vergessen, die Freundin aus Kindertagen. Chrissie Mtokoma sei stets Klassenbeste gewesen, sagt die Frau, die 2014 als erstes weibliches Staatsoberhaupt ihres Landes Geschichte schreiben will. "So sehr ich mich bemühte, an ihr vorbei zu ziehen - es gelang mir einfach nicht."

Da der Familie die finanziellen Mittel fehlten, um dem lernbegierigen Mädchen den Besuch einer weiterführenden Schule in der Stadt zu ermöglichen, blieb Chrissie im Dorf und durchlebte das, was Banda den "Teufelskreis aus Armut, Unwissen, Frühehe und Mutterschaft" nennt. Das Schicksal ihrer Freundin mache sie wütend, räumt die stellvertretende Staatschefin auf ihrer Terrasse in Blantyre ein. "Warum sitze ich hier und nicht sie?"

Malawis Frauen haben in den vergangenen Jahren im Kampf um die Gleichberechtigung einige Fortschritte erzielt. Bei den Wahlen im Mai 2009 gelang es ihnen, sich 22 Prozent der Parlamentssitze zu sichern. Zuvor hatte der Anteil bei nur 14 Prozent gelegen. Auch wenn sie nach wie vor eine Minderheit in den Entscheidungspositionen darstellen, so haben es einige von ihnen durchaus zu Vorstandsvorsitzenden von Unternehmen gebracht.

Allerdings sind Malawierinnen überproportional von der Armut bedroht. Wie das Nationale Statistikamt 2004 herausfand, wird zwar nur ein Viertel aller Haushalte von Frauen geführt, doch dafür sind 58,4 Prozent dieser Familien die landesweit ärmsten. Hinzu kommt, dass Malawis Frauen, wenn es um wirtschaftliche Entscheidungen geht, dramatisch unterrepräsentiert sind.

Banda und viele andere Frauen des Landes sind überzeugt, dass es wichtig ist, Frauen und insbesondere Mütter finanziell zu befähigen, damit sie den Weg aus der Armut finden.

Seodi White, Landeskoordinatorin der regionalen Frauenorganisation 'Women and Law in Southern Africa', schildert anhand eines Projekts in einem Dorf im südmalawischen Bezirk Mangochi, wie kleine Beträge Großes bewirken können. Dort stellte ihre Organisation Frauen jeweils 110 US-Dollar zur freien Verfügung, die unverzüglich aktiv wurden.


"Frauen werden dazu erzogen, andere zu versorgen"

So stellte eine der Frauen Süßigkeiten für eine nahe gelegene Schule her, eine zweite baute eine Backstube auf und eine Dritte stieg ins Tabakgeschäft ein. Bis heute seien die drei Frauen erfolgreiche Unternehmerinnen, die ihre Gewinne zum Wohl der Familie ausgeben würden, versichert White. Sie investieren beispielsweise in ein neues Hausdach oder Decken für die Kinder. "Frauen werden dazu erzogen, andere zu versorgen. Nur sehr wenige verwenden das Geld für eigene Zwecke."

Die Straßenhändlerin Ellen Mawuwa hat eine klare Vorstellung davon, was sie täte, würde sie in den Genuss eines Kleinkredits kommen. "Ich würde Kleidung und Schuhe in Mosambik einkaufen und sie hier in Blantyre verkaufen", meint die 35-Jährige. "Ich habe Freunde, die es mit einem solchen Projekt zu Wohlstand gebracht haben."

In Malawi gibt es einige Kleinkreditorganisationen, die nach dem Schema der bekannten bangladeschischen Grameen-Bank des Nobelpreisträgers Muhammad Yunus verfahren. Auch die kürzlich von der Vizepräsidentin Banda gegründete Volkspartei hat inzwischen eine solche Institution ins Leben gerufen, die Frauen dabei helfen will, finanziell unabhängig zu werden. Doch das Angebot an Mikrokreditunternehmungen reicht bei weitem nicht aus, um die hohe Nachfrage zu bedienen.

Nach Ansicht von Mary Malunga ist der mangelnde Zugang zu Mikrokrediten nur eines von vielen Problemen, mit denen sich Malawis Frauen herumschlagen müssen. "Frauen müssen im Berufsleben zehn Mal härter arbeiten als Männer", sagt sie. "Frauen werden auf soziale und kulturelle Rollen festgelegt und somit in Führungspositionen nicht respektiert."

Malunga hat es trotz aller Hürden zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau gebracht, "weil ich geduldig und beharrlich war", wie sie sagt. "Du musst schon über ein gewisses Durchhaltevermögen verfügen, um alle diejenigen Herausforderungen zu meistern, von denen zu manchmal denkst, dass du ihnen nicht gewachsen bist", meint sie.


"Schwanger? Das war's!"

"Entschlossenheit, Entschlossenheit, Entschlossenheit", lautet das Rezept, das White den Frauen Malawis mit auf den Weg gibt. Damit sei auch die Bereitschaft gemeint, auf einen Freund oder Mann im Leben zu verzichten. "Schwanger zu werden, heißt manchmal 'das war's'", sagt die Aktivistin. "Die meisten Mädchen machen sich nicht klar, dass wir einige schwierige Entscheidungen treffen mussten, bevor wir dort ankamen, wo wir heute stehen."

Vizepräsidentin Banda zufolge hängen Bildung und Wohlstand davon ab, inwieweit Frauen befähigt werden, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Jungen Frauen empfiehlt sie jedoch, nie aufzuhören, für ihr Fortkommen zu kämpfen. "Egal, was sich uns in den Weg stellt, wir müssen weitermachen", sagt sie. "Es liegt auch in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass unsere Geschlechtsgenossinnen vorankommen." (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2011