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FRAUEN/328: Sieben Milliarden Erdenbürger im Oktober - Leben von Frauen bleibt schwierig (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. September 2011

Bevölkerung: Sieben Milliarden Erdenbürger im Oktober - Leben von Frauen bleibt schwierig

Von Kanya D'Almeida


Washington, 16. September (IPS) - Kakenya Ntaiya war bereits mit fünf Jahren verlobt und wäre sicher mit 13 verheiratet gewesen. Doch die Mutter bestand darauf, dass die Tochter die Dorfschule von Enoosaen in der westkenianischen Provinz Rift Valley besucht.

Als Ntaiya dann die Grundschule hinter sich hatte, traf sie mit ihrem Vater eine Übereinkunft: Sie würde sich beschneiden lassen, wenn sie dafür den High School-Abschluss machen dürfe. Später rang sie den Dorfältesten die Erlaubnis ab, in den USA zu studieren.

"Es war am College, wo ich zum ersten Mal davon hörte, dass Genitalverstümmelung illegal ist, dass ich Rechte habe und immer gehabt habe und es Menschen gibt, die bereit sind, für ihre Rechte einzutreten", schilderte Ntaiya kürzlich einer Gruppe von Menschenrechtlern in Washington ihren Lebensweg. Inzwischen leitet die junge Frau das von ihr gegründete 'Kakenya Center for Excellence', eine Schule für derzeit 100 unterprivilegierte Massai-Mädchen.

Ntaiya war eine von vielen Jugendführerinnen, die am Hauptsitz der 'National Geographic' zusammengekommen waren, um die internationale Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass im kommenden Monat die Weltbevölkerung die Sieben-Milliarden-Grenze überschreiten wird.


'7 Milliarden Aktivitäten'

Im Vorfeld dieses historischen Ereignisses hat der Weltbevölkerungsfonds (UNFPA) die Kampagne '7 Milliarden Aktivitäten' gestartet, die Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen mit Online-, Mobiltelefon- und anderen Botschaften die Geschichten hinter der Rekordzahl erzählen will. Dadurch soll ein Bewusstsein für die Möglichkeiten und Herausforderungen geschaffen werden, die mit einer sieben Milliarden Menschen großen Bevölkerung verbunden sind. Auch sollen mit den Aktionen Maßnahmen mit positiven Auswirkungen angestoßen werden.

"Eine Welt mit sieben Milliarden Menschen gibt uns Gelegenheit, darüber zu sprechen, wie wir die Power von Frauen und Mädchen nutzen können, um die Armut zu bekämpfen und globale Anliegen wie die Millenniumsentwicklungshilfe (MDGs) voranbringen", sagte Peter Yeo, Vizepräsident der UN-Stiftung, am 13. September.

1804 war die Welt von nur einer Milliarde Erdenbürgern bevölkert. Setzt sich der derzeitige demografische Trend fort, so werden Jahr für Jahr 78 Millionen Kinder geboren. Das entspricht die Zahl der kanadischen, australischen, griechischen und portugiesischen Bevölkerung zusammengenommen. Jede Sekunde kommen fünf Menschen auf die Welt.

Die meisten Geburten - 97 von 100 - finden in den Entwicklungsländern statt, wo es um die Rechte von Frauen schlechter bestellt ist als in den reichen Ländern. "Sieben Milliarden Menschen sind ein Appell zu handeln", sagte der UNFPA-Exekutivdirektor Babatunde Osotimehin. "Wir können als Teil einer solchen historischen Bewegung viel tun, um das Leben von Frauen und Mädchen positiv zu beeinflussen und die menschliche Entwicklung zum Wohl der jetzigen und der nächsten Generationen voranzubringen."


Schwierige Zeiten für die Frauen

Doch der derzeitige Stand der Dinge gibt wenig Anlass zu Optimismus. Nach UNFPA-Schätzungen sind zwei Drittel aller weltweit 776 Millionen Analphabeten Frauen. 101 Millionen Kinder im Grundschulalter - vor allem Mädchen - erhalten keine angemessene Schulausbildung. 134 Millionen Frauen fehlen der Welt, weil Mädchen in vielen Gesellschaften unerwünscht sind und deshalb erst gar nicht auf die Welt gebracht, sondern vorzeitig abgetrieben werden. Oder aber sie sterben im Säuglingsalter an den Folgen von Vernachlässigung. Damit nicht genug: Mehr als 350.000 Frauen sterben - zu 99 Prozent in den Entwicklungsländern - an den Folgen ihrer Schwangerschaft: ein Todesfall alle 90 Sekunden.

Darüber hinaus hat die Industrieproduktion die Lebensweisen der Menschen dramatisch verändert und Bauernfamilien in Massen in die Megastädte mit mehr als zehn Millionen Menschen getrieben. Gab es 1975 nur drei solcher Riesenmetropolen, waren es 2010 21. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung zu 70 Prozent in Städten leben.

Nach Angaben des UN-Programms für menschliches Siedlungswesen (UN-Habitat) stieg die Zahl der Menschen, die in städtischen Armenvierteln leben, im letzten Jahr auf eine Milliarde, wobei die größten Slums in Schwellenländern wie Indien, Brasilien und China zu finden sind.

In Anbetracht der Tatsache, dass Frauen die Mehrheit der Slumbewohnerinnen stellen und 70 Prozent aller Frauen im Verlauf ihres Lebens sexuelle Gewalt insbesondere in den Städten erfahren, wird sich diese zivilisatorische Entwicklung nicht eben positiv für Frauen auswirken.

Doch trotz aller Gefahren und Risiken sind Experten und Aktivisten überzeugt, dass sich die Menschheit zum Handeln bewegen lässt. Die Bevölkerung selbst sei nicht das Problem, meinte Osotimehin gegenüber IPS. "Uns fehlt nicht der Platz, uns fehlt die Gleichheit." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://7billionactions.org/
http://video.nationalgeographic.com/video/player/the-magazine/the-magazine-latest/ngm-7billion.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105108

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2011