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ARMUT/139: Die Armut nimmt weiter zu (ver.di-NEWS)


ver.di-NEWS Nr. 3/2010 vom 27.02.10
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Die Armut nimmt weiter zu
Dennoch prägt absurdes Geschwätz über eine "soziale Hängematte" die Debatte

Von Heike Langenberg


Seit Tagen beherrscht FDP-Chef Guido Westerwelle mit absurdem Geschwätz über die angeblich drohende Zerstörung des Staates durch vermeintlich faule Arbeitslose die öffentliche Debatte. Dabei blendet er Fakten aus seiner populistischen Argumentation aus. So hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) jetzt eine Studie vorgelegt, nach der in Deutschland insbesondere Kinder und junge Erwachsene einem hohen Armutsrisiko unterliegen.

Auf Basis des Sozioökonomischen Panels ermittelte das DIW für das Jahr 2008 eine deutlich höhere relative Einkommensarmut als zehn Jahre zuvor. Rund 14 Prozent der Bundesbürger/innen, das sind über elf Millionen Menschen, lebten demnach unter der von der EU definierten Armutsschwelle: Sie verfügten also über ein Nettoeinkommen von weniger als 60 Prozent des sogenannten Medianeinkommens. Das bedeutet in einem Ein-Personen-Haushalt maximal 925 Euro, für ein Paar mit einem Kind 1625 Euro. Das sei, stellt das DIW fest, insbesondere die "Folge einer Polarisierung einer Einkommensverteilung hin zu den Rändern". Mittlere Einkommen nehmen ab, stattdessen gibt es in Deutschland eine starke Zunahme prekärer Beschäftigung und einen ausgeprägten Niedriglohnsektor - nicht zuletzt in Folge der Hartz-Gesetze mit dem gestiegenen Druck, niedrig bezahlte Arbeit anzunehmen.


Die Regelsätze müssen neu berechnet werden

Verabschiedet wurden die Gesetze durch eine rot-grüne Bundesregierung. Doch in den Bundesrat brachten die unionsgeführten Länder damals als Gegenentwurf das Existenzgrundlagengesetz ein, das noch höheren Druck auf die Erwerbslosen ausüben sollte, jegliche Arbeit anzunehmen - ähnlich, wie Westerwelle es heute fordert. Als Hauptgrund für die steigende Armut sieht Joachim R. Frick vom DIW den Mangel an Jobs. Die junge Generation werde in unbezahlte Praktika abgeschoben. Gleichzeitig vermisst das DIW mehr Anbote für Kinderbetreuung.

Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil festgestellt, dass die Regelsätze neu berechnet werden müssen. Die Sätze für Kinder habe man rechtswidrig ausschließlich von den Regelsätzen Erwachsener abgeleitet. Doch eine Erhöhung dieser Regelsätze ist keineswegs programmiert. Nicht nur das Getöse der Liberalen und das Existenzgrundlagengesetz der Union aus dem Jahr 2003 lassen befürchten, dass die schwarz-gelbe Regierung versuchen wird, die bisherigen niedrigen Sätze für Arbeitslosengeld II und Sozialgeld einfach nur neu zu definieren. Der Karlsruher Journalist und Experte für die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, Ulf G. Stuberger, ist sich für diesen Fall allerdings sicher, dass das höchste deutsche Gericht den Gesetzgeber erneut korrigieren würde.

Den Artikel von Ulf G. Stuberger finden Sie unter:
http://fm1.apm.ag/verdi_news_wcms/fmpro?-db=verdi_news_wcms.fp5&-lay=e&-format=txtdet.html&-recid=37826&-find


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Quelle:
ver.di-NEWS, Ausgabe 3/2010 vom 27.02.2010
9. Jahrgang
Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di,
Frank Bsirske, Vorsitzender
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ver.di-news erscheint 14-täglich


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2010