Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → SOZIALES


ARBEIT/593: Kaffee-Business (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 130, 4/14

Kaffee-Business
Frauen*Arbeit sichtbar machen

Von Petra Pint


Viele von uns beginnen den Tag mit einer Tasse Kaffee. Wussten Sie, dass nach Erdöl Kaffee der meistgehandelte Rohstoff ist? Der Kaffee, den Sie trinken, wurde höchstwahrscheinlich von Frauen im globalen Süden produziert. Bis zu 70% der Arbeit auf den Kaffeefeldern wird von Frauen erledigt. Die Beteiligung an Landbesitz, der Ernte und am Gewinn ist dabei eher bescheiden und beträgt rund 15% vom Gesamtanteil.


Der Anlass zu diesem Artikel ist nicht ganz zufällig. Wir berichteten in der letzten Ausgabe der frauen*soldiarität über die Freiwilligenkampagne "It's your cup of coffee, too". Diese Ungerechtigkeiten nahmen wir gemeinsam mit der Organisation "Grenzenlos" zum Anlass für eine Foto-Mitmach-Kampagne. Über 60 Fotos wurden über die Facebookseite (facebook.com/itsyourcupofcoffeetoo) gesammelt, um auf die ungerechte arbeitsrechtliche Situation von Kaffeebäuerinnen und -bauern aufmerksam zu machen. Frauenarbeit bleibt oft im Verborgenen. Grund genug, um noch einmal auf die Arbeit von Frauen im Kaffee-Business aufmerksam zu machen.


Ein paar Fakten zuerst...

Rund 100 Mio. Menschen sind in den Anbau und die Verarbeitung von Kaffee involviert, davon sind ca. 25 Mio. Kleinbäuerinnen und -bauern, deren Lebensunterhalt direkt von der Kaffeeproduktion abhängt. Die Hälfte der Rohkaffeeernte weltweit wird von fünf transnationalen Konzernen gekauft - das sind Kraft, Sara Lee, Procter & Gamble, Nestlé und Tchibo.

Der Verhandlungsspielraum der Kaffeebäuerinnen und -bauern ist denkbar klein. Die Arbeitsbedingungen im Allgemeinen sind von Schwankungen des Kaffeepreises abhängig, der am Weltmarkt gehandelt wird; die Gefahr von Ernteausfällen und die schlecht bezahlten wie arbeitsrechtlich bedenklichen Arbeitsverhältnisse auf Kaffeeplantagen machen die Situation der Menschen zusätzlich prekär. Der Weg von der Bohne ins Kaffeehäferl geht von Anbauen, Ernten, Trocknen, Fermentieren, Verpacken über Rösten und Vermarkten. Hier lässt sich zum einen ein Nord-Süd-Gefälle innerhalb der Wertschöpfungskette feststellen - Arbeitsschritte, die den Wert von Kaffee erheblich steigern, wie das Rösten, werden nicht mehr in den Herkunftsländern getätigt. Festzustellen ist aber auch ein Frauen-Männer-Arbeitsgefälle. Statistiken gibt es wenige. Das International Trade Center in Genf hat 2008 die Rolle von Frauen im Kaffeegeschäft näher beleuchtet.


Die Rolle der Frauen

Die Beteiligung von Frauen ist nicht in allen Kaffee produzierenden Ländern gleich. In Vietnam z. B. sind bis zu 50% der Frauen als Händlerinnen tätig. In Brasilien ist die Produktion hochmechanisiert, daher ist auch der Anteil der Frauen im Kaffeeanbau und bei der Ernte eher niedrig. Der Anteil von Frauen, die die Felder bewirtschaften, liegt im Durchschnitt bei rund 70%, so das International Trade Center, beim Sortieren der Bohnen sind es sogar 75%. Im Binnenhandel und beim Export hingegen liegt der Frauenanteil bei nur 10%.

Diese Ungleichheit spiegelt sich auch bei der Beteiligung an Landbesitz wider. Beim Besitz von Kaffeefeldern inklusive deren Nutzungsrechten liegt die Beteiligung von Frauen bei ca. 20%. Wobei nicht immer einfach zwischen Eigentum, Nutzungsrechten oder Ko-Eigentumsverhältnissen von Ehepaaren unterschieden werden kann. Je weiter der Kaffee in der Wertschöpfungskette wandert, desto weniger Frauen sind daran beteiligt: ca. 15% der Ernte gehört Frauen, nur 10% der Kaffeeunternehmen in den Produktionsländern sind in Frauenhand und ebenfalls 10% der Export-, Zertifizierungs- und/oder Transportunternehmen.


Gegenmaßnahmen

Eine Möglichkeit ist es, sich zusammenzutun - für mehr Mitbestimmung, bessere Ausbildung und bessere Vermarktungsmöglichkeiten. An der Basis organisieren sich Frauengruppen oft in Form von Kooperativen, wie z. B. COMUCAP und APROLMA in Honduras. Sie versuchen über direkten Handel oder durch Fairtrade-Verträge ihre Produkte zu besseren Bedingungen zu verkaufen.

Eine größere Organisation ist z. B. die International Women's Coffee Alliance (IWCA). Im Moment gibt es Länderorganisationen in 17 Kaffee produzierenden Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien, und weitere in sogenannten Kaffee konsumierenden Ländern in den USA, Kanada, Europa und Japan. Mery Santos aus Sacramento, USA, und Annabella Daglio aus San Salvador, El Salvador, habe ich zum Interview getroffen. Sie sind beide im Kaffeegeschäft tätig und Vorstandsfrauen der IWCA.

Viele Frauen besitzen kein eigenes Land, können keinen Kredit aufnehmen und deshalb nicht ihr eigenes Geschäft gründen. Dazu kommt noch, dass sie oft auch die gesamte Care-Arbeit für die Familie übernehmen (kochen, putzen, Kinder großziehen). Viele von ihnen sind auch Alleinerzieherinnen, die durch das Kaffeepflücken das Haushaltsbudget aufbessern, beschreibt Annabella Daglio die Herausforderungen von Frauen.

Um das zu ändern, setzen die IWCA vor allem auf ökonomisches Empowerment, so Mery Santos. Das bedeutet vor allem Zugang zu mehr Ressourcen, auch finanziell in Form von Mikrokrediten und Weiterbildungen, um mehr Möglichkeiten für und mit den Frauen zu schaffen und somit auch ihre Position innerhalb der Lieferkette aufzuwerten.


Was können wir Konsument_innen tun?

Konsument_innen informieren sich immer besser und interessieren sich auch immer mehr dafür, wo denn das Essen herkommt, so Mery Santos. Sie sollten soziale Verantwortung der Unternehmen einfordern, Fragen stellen, sich am Diskurs beteiligen. Das "Coffee Barometer 2012" geht noch einen Schritt weiter und ruft zu mehr Markttransparenz auf, zur Förderung von Finanzierungsmodellen, die über Zertifizierungsmodelle hinausgehen, zu nachhaltigem Anbau und zur Förderung von ländlichen Regionen und benachteiligte Gruppen, wie Frauen oder Kinder. Den ersten Schritt, sich zu informieren, haben Sie mit dem Lesen des vorliegenden Artikels bereits eingeleitet.


WEBTIPPS:
International Women's Coffee Alliance:
www.womenincoffee.org
International Trade Center:
www.intracen.org/women-in-coffee


HÖRTIPP:
Frauen im Kaffee-Business sichtbar machen: im CD-Album
"Best of Globale Dialoge 2014: Fair Wirtschaften"
(ab Jänner bereit zum Download unter globale-dialoge.o94.at).


FILMTIPP:
"A Small Section of the World" - Dokumentarfilm über eine Gruppe von Frauen, die sich entschieden haben, Kaffee anzubauen, und mit ihren Ideen das Kaffee-Business etwas revolutionierten. Mehr Infos unter:
http://asmallsectionoftheworld.com


ZUR AUTORIN:
Petra Pint hat gemeinsam mit der Organisation "Grenzenlos" und deren Freiwilligen an der österreichischen Kampagne "It's your cup of coffee, too" gearbeitet. Seit 2014 koordiniert sie die Sendereihe "Globale Dialoge" von Radio ORANGE 94.0 und der frauen*solidarität, die seit 2005 von der Frauenredaktionsgruppe "Women on Air" gestaltet wird und jeden Dienstag von 13 bis 14 Uhr in Wien gesendet wird sowie danach unter www.noso.at zum Nachhören bereitsteht. Sie lebt in Wien.

*

Quelle:
Frauensolidarität Nr. 130, 4/2014, S. 28-29
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org
 
Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 6,- Euro plus Porto
Jahresabo: Österreich 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang