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NAHOST/1627: Iran - ein Minenfeld für alle ... (SB)


Iran - ein Minenfeld für alle ...


Am 5. November treten gegen den Iran die Finanz- und Wirtschaftssanktionen der USA, welche die demokratische Regierung Barack Obamas nach der Unterzeichnung des Atomabkommens mit Teheran 2015 ausgesetzt hatte, im vollen Umfang wieder in Kraft. Bereits im August waren die ersten Sanktionen der USA wieder wirksam geworden, nachdem im Mai Obamas republikanischer Nachfolger Donald Trump den einseitigen Rückzug Washingtons vom Atomabkommen verkündet hatte. Dessen ungeachtet wollen die anderen Unterzeichnerstaaten - China, Rußland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien - das Abkommen retten und Teheran weiterhin dafür belohnen, alle Bedenken hinsichtlich einer möglichen militärischen Nutzung seines Kernkraftprogramms beseitigt zu haben. Auf die Frage, wie man den Handel mit dem Iran aufrechterhält, ohne dabei selbst zum Gegenstand von Sekundärsanktionen der USA zu werden, haben die Europäer, Chinesen und Russen unterschiedliche Antworten gefunden.

Ab den 5. November werden alle ausländischen Unternehmen vom amerikanischen Markt teilweise oder ganz ausgeschlossen, die Handel mit dem Iran betreiben. Aus Angst um die Zukunft ihrer Geschäfte in den USA haben in den letzten Monaten eine ganze Reihe von europäischen Großunternehmen wie Siemens, Daimler, Renault, Eni und Total ihre zum Teil nicht geringen Aktivitäten in der Islamischen Republik eingestellt. Um die EU-Iran-Handelsbeziehungen vor dem endgültigen Kollaps zu bewahren, hat die EU Ende September am Rande der UN-Generalversammlung den Aufruf Trumps, den Iran "zu isolieren", demonstrativ mißachtet, indem sie die Gründung einer Special Purpose Vehicle (SPV) bekanntgab. Mittels dieser Zweckgesellschaft kann weiterhin 40 Prozent des iranischen Öls in die EU ohne Beteiligung der dortigen Banken exportiert werden. Die Einnahmen des Irans aus dem Ölgeschäft mit der EU werden beim SPV geparkt. Aus dem Guthaben dort werden die Warenlieferungen europäischer Unternehmer in den Iran beglichen. Es soll eine Art Tauschgeschäft - am amerikanischen Finanzsystem und dem Dollar-Handel vollkommen vorbei - stattfinden.

Ob Russen und Chinesen die Dienste des SPV-Clearing-House der EU in Anspruch nehmen werden, ist noch unklar. Derzeit sieht es so aus, als würden sie eigene Wege gehen. China, das mit 50 Prozent der gesamten Exportmenge größter Einzelabnehmer iranischen Öls ist, hat bereits vor Monaten erklärt, daß es sich dem Sanktionsdruck der USA nicht beugen werde. Künftig werden die Energiegeschäfte zwischen Teheran und Peking ausschließlich auf Basis der chinesischen Währung Yuan abgewickelt werden. Bei den beteiligten Firmen und ihren Leitungen in der Volksrepublik handelt es sich ausnahmslos um Unternehmen und Individuen, die keinerlei Geschäftsinteressen in den USA verfolgen und denen somit der Sanktionseifer des Finanzministeriums in Washington vollkommen egal sein dürfte.

Auch Rußland läßt sich von den Drohungen der Trump-Regierung nicht einschüchtern. Nach Informationen, welche das israelische Außenministerium am 14. Oktober publik machte, soll der Iran künftig sein Rohöl in größeren Mengen über das Kaspische Meer nach Rußland exportieren, wo es raffiniert und anschließend an den internationalen Energiebörsen als russischer Heiz- oder Kraftstoff verkauft wird. Über diesen Modus der Umgehung des US-Sanktionsregimes sollen sich Rußlands Präsident Wladimir Putin und sein iranischer Amtskollegen Hassan Rohani am 7. September am Rande ihres dreilateralen Syrien-Gipfels mit dem türkischen Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan in Teheran verständigt haben, so der israelische Nachrichtensender Hadashot unter Verweis auf das Außenministerium in Tel Aviv. Im welcher Form der Iran die Erlöse aus diesem Geschäft erhalten soll - ob in Rubel oder in Form irgendwelcher russischen Waren oder Dienstleistungen - ist zur Zeit unbekannt (Interessanterweise hatten bereits am 12. August nach zwanzig Jahren Verhandlungen die fünf Anrainerstaaten des Kaspischen Meers - Rußland, Kasachstan, Turkmenistan, der Iran und Aserbaidschan - endlich ihren Grenzstreit beigelegt und den Weg für eine gemeinsame Erschließung des unter dem größten Süßwasserreservoir der Welt vermuteten Öl- und Gasreichtums freigemacht).

Währenddessen reißen die Beschuldigungen Washingtons an die Adresse Teherans und die angestrengten Erklärungen der Regierung Trump, den Export iranischen Öls bis zum 5. November "auf Null" zu reduzieren, nicht ab. Am 4. Oktober hat der Nationale Sicherheitsberater John Bolton die neue Antiterrorstrategie der USA der Presse vorgestellt. Im Vergleich zu früheren Ausgaben des in erster Linie ideologisch-propagandistischen Dokuments ist auffällig, daß als Hauptbedrohung nicht mehr die sunnitischen Chaostruppen Islamischer Staat oder Al Kaida, sondern der schiitische Iran und dessen vermeintlicher Handlanger von der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisb Allah aufgeführt werden.

Am 16. Oktober hat US-Finanzminister Steve Mnuchin neue Sanktionen gegen mehrere iranische Banken sowie gegen die Iran Tractor Manufacturing Company, den größten Produzenten landwirtschaftlicher Maschinen im Nahen Osten, sowie das in Isfahan ansässige Stahlwerk Mobarakeh, den größten Stahlproduzenten zwischen Mittelmeer und Persischem Golf, verhängt. Zur Begründung hieß es, die genannten Unternehmen stellten die finanzielle Infrastruktur zur Verfügung, mittels derer die iranischen Revolutionsgarden und die teheranfreundlichen paramilitärischen Basidsch-Milizen ihre "Umtriebe" im In- und Ausland entfalten könnten.

Fast zwei Wochen zuvor, nämlich am 3. Oktober, hatte der fünfzehnköpfige Internationale Gerichtshof in Den Haag einem Eilantrag Teherans stattgegeben und unter Verweis auf den Freundschaftsvertrag zwischen den USA und dem Iran aus dem Jahr 1955 Washington dazu aufgefordert, alle Sanktionen auszusetzen, die das iranische Volk und den zivilen Luftverkehr des Landes negativ tangierten. Daraufhin hatte Außenminister Mike Pompeo den Rücktritt seines Landes auch von diesem Vertrag verkündet. Der undiplomatische Schritt verleitete Irans in den USA ausgebildeten Außenminister Mohammed Dschaward Sarif, der vor drei Jahren mit John Kerry das Atomabkommen ausgehandelt und unterzeichnet hatte, dazu, die Trump-Administration als "Banditenregime" zu bezeichnen.

17. Oktober 2018


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