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NAHOST/1611: Jemen - Söldner für die Märkte ... (SB)


Jemen - Söldner für die Märkte ...


Der Bombenbauer Ibrahim Al Asiri, der jahrelang als gefährlichstes Mitglied von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) galt, ist tot - liquidiert bei einem Drohnenangriff der CIA. Al Asiri soll die Bombe gebaut haben, welche versteckt in seiner Unterhose der Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab in einer aus den Niederlanden kommenden Passagiermaschine kurz vor der Landung am Flughafen von Detroit am Weihnachtstag 2009 vergeblich zu zünden versucht hat. Er soll zudem an der Entwicklung von Bomben gearbeitet haben, die man in Laptops und Druckerpatronen verstecken kann, weshalb seit 2010 derlei Geräte der verstärkten Kontrolle an allen Flughäfen der Welt bedürfen. Am 17. August meldeten Vertreter des US-Militärs sowie der jemenitischen Regierung das Ableben Al Asiris und bezeichneten es als wichtigen Erfolg im "globalen Antiterrorkrieg".

Liest man die Berichte über den tödlichen Angriff auf den 36jährigen, aus Saudi-Arabien stammenden Al-Kaida-Kommandeur etwas genauer, so stellt sich heraus, daß die Operation nicht erst vor kurzem - wie die Schlagzeilen allesamt suggerieren -, sondern bereits 2017 erfolgt ist. Den Angaben eines jemenitischen Stammesführers, der in der Meldung der Associated Press anonym zitiert wurde, zufolge starb Al Asiri, als er im ostjemenitischen Gouvernement Marib neben seinem Auto stand. Bei dem Raketenangriff sollen auch zwei oder vier weitere Al-Kaida-Mitglieder hingerichtet worden sein. Als Grund, warum die US-Behörden den Tod eines der meistgesuchten "Terroristen" der Welt gerade jetzt bestätigen, wird die Veröffentlichung eines UN-Berichts vor wenigen Tagen angeführt, in dem es hieß, Al Nasiri sei womöglich seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres nicht mehr am Leben.

Doch es gibt einen weiteren Grund, warum aktuell eine aufsehenerregende Erfolgsmeldung vom "Antiterrorkrieg" den Verantwortlichen im Pentagon und Weißen Haus zupaß kommt. Am 7. August hatte die Associated Press einen spektakulären, leider viel zu wenig beachteten Bericht über die umfangreiche Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) - und damit auch indirekt der USA - mit Al Kaida im Jemen im Kampf gegen die schiitischen Huthi-Rebellen veröffentlicht. Die Überschrift des wirklich aufschlußreichen Artikels aus der Feder von Maggie Michael, Trish Wilson und Lee Keath lautet "AP-Investigation: US allies, al-Qaida battle rebels in Yemen".

Aus der "AP-Untersuchung" geht hervor, daß die Saudis und die Emirater mit Zustimmung bzw. Duldung der USA Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Al-Kaida-Milizionäre dafür bezahlen, daß sie im Jemen gegen die pro-iranischen Huthi-Rebellen von der Bewegung Ansar Allah kämpfen. Im AP-Bericht wird unter anderem der skandalöse Fall der Hafenstadt Al Mukalla beleuchtet. Nach der Invasion saudischer und emiratischer Truppen im Jemen im März 2015 hatten AQAP-Kämpfer die Hauptstadt des Gouvernements Hadramaut übernommen, ein Jahr lang beherrscht und sogar mit eigenen Booten von Handelsschiffen Hafengebühren eingetrieben. Ende April 2016 inszenierten die Saudis, Emirater und Amerikaner die "Rückeroberung" der Stadt und sprachen von 800 bei den schweren Kämpfen angeblich getöteten Dschihadisten. Tatsächlich fiel kein einziger Schuß. Nach Vermittlung irgendwelcher Imame haben die AQAP-Kämpfer den anrückenden Truppen Al Mukalla weitgehend kampflos überlassen und durften dabei die geschätzten 100 Millionen Dollar, die sie zuvor aus der örtlichen Dependence der jemenitischen Zentralbank erbeutet hatten, behalten.

Die brisanten Angaben von AP basieren laut deren Reporter auf Aussagen von zwei Dutzend informierten Personen im Jemen, darunter Offiziere der jemenitischen Sicherheitskräfte, Milizenkommandeure, Stammesälteste sowie vier AQAP-Angehörige. Aus Angst vor tödlicher Vergeltung haben alle Informanten darum gebeten, daß ihre Identität geheim bleibt. Was die Frage der Verläßlichkeit der Aussagen betrifft, die im diametralen Widerspruch zur Begründung sowie zu den erklärten Zielen des seit dem 11. September 2001 tobenden "Antiterrorkriegs" stehen, zitiert AP den Analytiker Michael Horton von der Washingtoner Jamestown Foundation, die sich seit langem mit dem Phänomen des islamistischen Dschihadismus befaßt, mit folgendem vernichtenden Urteil:

Elemente des US-Militär sind sich völlig im klaren darüber, daß vieles, was die USA im Jemen machen, der AQAP hilft, und darüber macht man sich Sorgen. Dennoch wiegt die Unterstützung für die VAE und Saudi-Arabien gegen das, was die USA als iranische Expansionspolitik betrachten, als Priorität schwerer als die Bekämpfung von AQAP oder selbst die Stabilisierung des Jemen.

Währenddessen liefert eine weitere Entwicklung Anlaß zur Skepsis bezüglich der wahren Motive Riads für den schrecklichen Jemen-Krieg, der mindestens 100.000 Menschen das Leben gekostet und nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks im Armenhaus Arabiens die schwerste humanitäre Krise der Welt ausgelöst hat. Am 20. August berichteten unabhängig voneinander die Onlinezeitung Middle East Eye unter Verweis auf die in London ansässige arabischsprachige Nachrichtenportal Arabi21 und der staatliche katarische Fernsehnachrichtensender Al Jazeera unter Verweis auf eigene Quellen von Plänen Saudi-Arabiens, einen eigenen Ölexporthafen im östlichsten jemenitischen Gouvernement Al Mahra, das im Osten an das Sultanat Oman grenzt.

In einem Brief, der offenbar sowohl Arabi21 als auch Al Jazeera vorliegt, bedankt sich die Führung des in Dschidda ansässigen Bauriesen Huta Group beim saudischen Botschafter im Jemen Mohammed Al Dschaber für die Erteilung des Auftrags, die Küste von Al Mahra nach dem geeigneten Standort zu erkunden und ein geeignetes Hafenbaukonzept vorzulegen. Gelänge es den Saudis, einen Teil ihres Öls mittels Pipelines auf dem Landweg an den Indischen Ozean zu transportieren, wäre Riads Exportgeschäft durch eine vom Iran angedrohte oder vielleicht vollzogene Schließung der Straße von Hormus für den Schiffsverkehr nicht mehr gefährdet.

22. August 2018


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