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NAHOST/1558: Trump schwenkt auf Anti-Iran-Kurs der Neocons ein (SB)


Trump schwenkt auf Anti-Iran-Kurs der Neocons ein

Der "Trottel" im Weißen Haus sucht die Konfrontation mit Teheran


Bekanntlich wurden die Flugzeuganschläge des 11. Septembers 2001 von der damaligen Regierung um US-Präsident George W. Bush als Vorwand benutzt, um mit der Umsetzung schon länger vorliegender Pläne einer aggressiven Allianz aus Neocons, zionistischer Lobby und Kriegsfalkenfraktion in Israel zur Beseitigung aller "Regime", die einer Dauerhegemonie des Westens im Nahen Osten ablehnend gegenüberstanden, zu beginnen. Kaum, daß Ende 2001 die Taliban in Afghanistan wegen ihrer Nähe zu Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden von der Macht vertrieben worden waren, erklärte Bush in seiner ersten Rede zur Lage der Nation im Januar 2002 die Islamische Republik Iran, Saddam Husseins Irak und das kommunistische Nordkorea zu einer "Achse des Bösen", was fast einer Kriegserklärung gleichkam.

Mittels durchsichtiger Manipulationen von Geheimdiensterkenntnissen konstruierte die Bush-Regierung die Legende von einem "finsteren Nexus" zwischen Bagdad und Al Kaida und bauschte nicht-existente Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins zu einer "Bedrohung des Weltfriedens" auf. Ohne Mandatierung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und damit illegal fielen im Frühjahr 2003 amerikanische und britische Truppen in den Irak ein und eroberten das Zweistromland in rund zwei Monaten. Die zügige Einnahme der irakischen Hauptstadt ließ unter den wahren Gläubigen der mission civiliatrice der Anglosphäre die Losung aufkommen, "Alle wollen nach Bagdad. Echte Männer wollen nach Teheran". Doch das Chaos, das die Briten und Amerikaner im Irak verursachten, und der Widerstand der Bevölkerung gegen die ungebetene ausländische Militärpräsenz haben eine rasche Fortsetzung des Kreuzzugs verhindert.

2007, 2008 drängten die Bush-Administration, allen voran Vizepräsident Dick Cheney, und der damalige israelische Oppositionsführer und heutige Premierminister Benjamin Netanjahu nach einer militärischen Auseinandersetzung mit dem "Mullah-Regime" in Teheran. Damals war die Gefahr eines großen Krieges am Persischen Golf akut. Sie konnte lediglich durch den Widerstand aller 16 US-Geheimdienste, die in einem National Intelligence Estimate (NIE) dem Iran bescheinigten, kein Atomwaffenprogramm zu betreiben, und des damaligen Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte im Nahen Osten, CENTCOM-Chef Admiral William "Fox" Fallon, gebannt werden. Dafür haben Cheney und der damalige Geheimdienstchef Saudi-Arabiens und einst langjährige Botschafter Riads in Washington, Prinz Bandar Bin Sultan, durch die Mobilisierung einer sunnitischen Dschihadistenarmee, die Lunte für den Syrienkrieg gelegt, der 2011 ausbrach.

Ziel der indirekten Intervention der USA, Saudi-Arabiens, Israels, Jordaniens und der Türkei in Syrien ist es gewesen, den "Bogen des Widerstands", auch "schiitischer Bogen" genannt, der Teheran über den Irak der Nach-Saddam-Ära und das säkulare Syrien Baschar Al Assads mit den von der Hisb Allah kontrollierten Teilen des Libanons verbindet, zu zerstören. 2013 haben die Befürworter eines "Regimewechsels" in Damaskus einen schweren Rückschlag erlitten, als Bushs Nachfolger als Präsident, Barack Obama, den fingierten Einsatz von Chemiewaffen, der Assads Truppen in die Schuhe geschoben werden sollte, durchschaute und sich nicht dazu hinreißen ließ, den längst vorbereiteten, großen Raketenangriff der US-Streitkräfte gegen die Syrische Arabische Armee (SAA) zu genehmigen.

Das haben Netanjahu und die Neocons Obama nicht verziehen. Bis heute behaupten sie, mit der Entscheidung, die Überschreitung seiner "roten Linie" tatenlos hingenommen zu haben, habe Obama Amerikas Glaubwürdigkeit und Stellung in der Welt enorm geschadet. Dieselben Leute, die diesen Nonsens bei jeder Gelegenheit hinausposaunen, haben zudem vergeblich versucht, Obama und seinen Außenminister John Kerry davon abzubringen, 2015 an der Seite Chinas, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands ein Abkommen mit dem Iran abzuschließen, das ein für allemal die Gefahr eines Mißbrauchs von Teherans Kernenergietechnologien zu militärischen Zwecken ausschließt. Einen wichtigen Verbündeten haben diese Kräfte mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten Ende letzten Jahres gewonnen. Der selbsternannte "Meister des Deals" hat im Wahlkampf gegen Hillary Clinton den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) als den "am schlechtesten ausgehandelten Vertrag aller Zeiten" abgetan und eine Revidierung angekündigt.

Vor zwei Jahren hat der Kongreß in Washington ein Gesetz verabschiedet, das den Präsidenten dazu zwingt, Senat und Repräsentantenhaus alle 90 Tage in Kenntnis zu setzen, ob der Iran seine Verpflichtungen nach dem JCPOA einhalte oder nicht. Ungeachtet der Tatsache, daß Trumps Außenminister Rex Tillerson, Verteidigungsminister James Matthis und Generalstabschef Joseph Dunford sowie die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) diese Frage mit Ja beantworten, will Trump offenbar am 15. Oktober den Iran an den Pranger stellen, weil Teheran angeblich den "Geist" des Vertrags nicht erfülle. Beim Auftritt vor der UN-Generalversammlung am 19. September hat Trump den Iran als "Schurkenstaat", der angeblich für alles Unheil im Nahen Osten verantwortlich ist, beschimpft.

Diese Vorwürfe an die Adresse Teherans, derentwegen Tillerson angeblich vor kurzem Trump bei einem Streit im Weißen Haus einen "fucking moron" genannt hat, sind weder neu noch besonders glaubwürdig. Mit der Behauptung, der Iran sei der "Hauptförderer des internationalen Terrorismus" und stelle für Israel eine "existentielle Bedrohung" dar, lenkt Netanjahu seit längerem erfolgreich vom systematischen Raub immer mehr palästinensischen Bodens im Westjordanland durch jüdische Siedler ab. Bereits am 21. September hat die neokonservative Denkfabrik Center for Security Policy (CSP) in einem offenen Brief an Trump die Bescheinigung der Nicht-Einhaltung des JCPOA durch den Iran gefordert. Die Unterzeichner des Briefs sind durch die Bank zionistische Militaristen, die sich am Kampf der Kulturen à la Samuel Huntington berauschen.

Zu den prominentesten Namen auf der Liste gehören: John Bolton, ein Veteran des Iran-Contra-Skandals, der einst UN-Botschafter Bush juniors war; General a. D. William Boykin, der 2003 mit der Äußerung für Aufregung sorgte, sein Gott sei "größer" als derjenige der Moslems; CSP-Gründer und -Chef Frank Gaffney, Amerikas profiliertester Islamphobe; Douglas Feith, der während der Bush-Ära unter Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz als Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium eine führende Rolle bei der Politisierung von Geheimdienstdaten spielte und vom Irak-Oberkommandierenden General Tommy Franks als "der dümmste Scheißkerl auf dem Planeten" beschimpft wurde; und David Wurmser, der zusammen mit Feith und Richard Perle vom American Enterprise Institute (AEI) Mitunterzeichner jenes berühmten Dokuments "A Clean Break" war, das 1996 Netanjahu als Blaupause zur Umgestaltung der strategischen Landschaft im Nahen Osten zugunsten Tel Avivs durch die Destabilisierung und Balkanisierung amerika- und israel-kritischer Staaten vorgelegt wurde.

Wenn nun Trump, wie befürchtet, eine Mißachtung des JCPOA durch den Iran beim Kongreß anmeldet, denn tut er das gegen den Rat nicht nur der wichtigsten Mitglieder des eigenen Kabinetts, sondern auch der Regierungen in Berlin, London, Moskau, Paris und Peking. Sollte in der Folge der US-Kongreß neue Sanktionen gegen den Iran verhängen, wird das schwerwiegende Folgen haben. Wie der iranische Präsident Hassan Rohani bereits prognostiziert hat, wird niemand mehr das gegebene Wort Amerikas ernst nehmen. Die Chancen, Nordkorea durch diplomatische Verhandlungen zum Verzicht auf sein Kernwaffenarsenal zu bewegen, werden auf Null sinken und die Gefahr eines Atomkrieges in Ostasien wird dramatisch steigen.

Man geht davon aus, daß der Iran seinerseits auf neue US-Sanktionen nicht mit einer Aufkündigung des JCPOA reagieren, sondern erst einmal versuchen wird, seine Beziehungen zu Rußland, China, Deutschland und Frankreich auszubauen. Sollte Trump, wie ebenfalls befürchtet, die iranischen Revolutionsgarden als eine "terroristische Vereinigung" deklarieren, denn ist der von den Neocons herbeigesehnte Waffengang fast vorprogrammiert. Im Gegenzug für eine solche Provokation würden alle US-Militärbasen und Kriegsschiffe im Nahen Osten und am Persischen Golf automatisch zu Zielen des iranischen Raketenarsenals werden. Dies erklärte am 8. Oktober im iranischen Staatsfernsehen der Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden, Generalmajor Mohammad Ali Dschafari.

10. Oktober 2017


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