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NAHOST/1514: Kairoer Krisentreffen zu Libyen gescheitert (SB)


Kairoer Krisentreffen zu Libyen gescheitert

Geplante Begegnung am Nil zwischen Al Sarradsch und Hifter geplatzt


Die Bemühungen des Auslands um eine Stabilisierung Libyens laufen auf Hochtouren. Bei ihrem Treffen am 7. Februar auf Malta haben die 28 Regierungschefs der Europäischen Union den Willen bekundet, in Zusammenarbeit mit den Libyern den für dieses Frühjahr zu erwartenden Flüchtlingsstrom im Mittelmeer wenn nicht gänzlich zu unterbinden, so doch stark zu drosseln. Dies soll durch eine noch stärkere Überwachung der Küste, Auffanglager in Libyen selbst sowie eine verstärkte Kontrolle der libyschen Landgrenze im Süden erreicht werden. Dazu paßt das formelle Gesuch um militärische Unterstützung und Zusammenarbeit bei der "Terrorbekämpfung", welches das NATO-Hauptquartier in Brüssel am 16. Februar aus Tripolis erhalten hat. Doch solange die Regierungskrise in Libyen nicht beilegt ist, kann jede Intervention von EU und NATO das Chaos dort nur vergrößern.

Die im Dezember 2015 im marokkanischen Skhirat unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande gekommene Regierung der Nationalen Einheit (Government of National Accord - GNA) von Premierminister Fayiz Al Sarradsch, die im März vergangenen Jahres aus Tunesien per Schiff nach Tripolis kam und sich dort auf einem Marinestützpunkt einbunkerte, konnte sich bis heute nicht durchsetzen. Mit Hilfe von Milizionären aus Misurata sowie westlichen Spezialstreitkräften und Luftangriffen der NATO hat die Regierung um Al Sarradsch nach monatelangen Kämpfen die "Terrormiliz" Islamischer Staat aus der Hafenstadt Sirte vertreiben können. Die Vertreibung des IS aus seiner libyschen Hochburg an der Mittelmeerküste war zwar eine beachtliche Leistung, hat aber die Misurater Hunderte von Kämpfern gekostet, die entweder getötet oder schwer verletzt wurden.

Bis heute hat die GNA die Hauptstadt Tripolis nicht vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Dort schlägt sie sich mit islamistischen Kräften herum, die sich weiterhin dem nach dem Sturz Muammar Gaddhafis 2011 entstandenen Allgemeinen Nationalkongreß (General National Congress - GNC) verpflichtet fühlen. Die Männer um Khalifa Ghweil, den früheren Premierminister des GNC, halten noch einige Ministerien besetzt. Am 16. Februar hat Ghweil vor der Presse die baldige Wiedereröffnung und Inbetriebnahme des internationalen Flughafens von Tripolis angekündigt, der 2014 bei Kämpfen zwischen GNC-Anhängern und Unterstützern des im selben Jahr aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Abgeordnetenhauses (House of Representatives - HoR) schwer beschädigt worden war. Laut Ghweil ist das von ihm beauftragte Unternehmen Al-Sarih mit der Instandsetzung des Flughafenkomplexes fast fertig. Seit 2014 ist Tripolis aus der Luft nur über den Militärflughafen Mitiga erreichbar.

Am meisten besorgt über die Instabilität Libyens sind Algerien, Tunesien und Ägypten. In allen drei Nachbarstaaten sind sunnitische Dschihadisten zugange, die personelle und waffentechnische Unterstützung von dem IS in Libyen erhalten. Darum haben die tunesischen, algerischen und ägyptischen Außenministerien am 14. Februar in Kairo ein Treffen zwischen Al Farradsch und der politischen und militärischen Führung aus Tobruk, namentlich HoR-Sprecher Agila Saleh und Ex-General Khalifah Hifter, dem Oberkommandeur der Libyschen Nationalarmee (LNA), organisiert. Hifter, ein früherer Weggefährte Gaddhafis, gilt als Gegner der Moslembruderschaft und wird daher von Ägyptens Militärdiktatur sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) protegiert.

Das Ergebnis des Treffens in Kairo war enttäuschend. Zwar haben sich die libyschen Delegationen über Vermittler auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung und Parlamentswahlen Anfang 2018 prinzipiell geeinigt, doch die Realisierung der hehren Ziele steht angesichts der Tatsache in den Sternen, daß die mit Spannung erwartete Begegnung zwischen Al Sarradsch und Hifter in Kairo ausgeblieben ist. Angeblich war es der "Feldmarschall" und Ex-CIA-Verbindungsmann, der sich weigerte, sich in einem Zimmer mit dem von der "internationalen Gemeinschaft" anerkannten Premierminister zusammenzusetzen.

Vor diesem Hintergrund ist unklar, wie die Versöhnung in Libyen vorangetrieben werden soll. In einem am 17. Februar erschienenen Interview mit der Onlinezeitung Middle East Eye hat Abdel Hakim Belhadsch, der einflußreiche frühere Chef der "terroristischen" Libyan Islamic Fighting Group (LIPG), Hifter vorgeworfen, eine militärische Lösung der politischen Krise in Libyen anzustreben. Belhadsch meinte, ein solcher Ansatz sei illusorisch, nur der politische Dialog könne die seit 2011 tobenden ethnischen und religiösen Rivalitäten wieder eindämmen. Der ehemalige LIPG-Anführer fordert die ägyptische Führung dazu auf, Hifter endlich zur Einsicht in die politischen Realitäten zu zwingen. Doch ob Fatah Al Sisi und seine Generäle auf den Rat Belhadschs hören ist fraglich.

18. Februar 2017


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