Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1508: Donald Trump bereits auf Kriegskurs mit dem Iran? (SB)


Donald Trump bereits auf Kriegskurs mit dem Iran?

Washington und Tel Aviv werfen Teheran illegalen Raketentest vor


Kriegsfalken in den USA und Israel tragen in der Öffentlichkeit ihr Entsetzen über einen Raketentest, den die Streitkräfte des Irans am 29. Januar im eigenen Land durchgeführt haben, zur Schau. Washington und Tel Aviv werfen Teheran vor, durch den Test der ballistischen Mittelstreckenrakete, die rund tausend Kilometer geflogen ist, bevor der Sprengkopf am vorgesehenen Ziel explodierte, gegen das Atomabkommen, das der Iran 2015 mit der Gruppe P5+1 - den fünf ständigen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, also China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und den USA, plus Deutschland - geschlossen hat, eklatant verstoßen zu haben. Der israelische UN-Botschafter Danny Danon hat eine Krisensitzung des Sicherheitsrats in New York wegen der "Aggression" Teherans, die sich nicht nur gegen sein Land, sondern "gegen die gesamte westliche Welt richtet", beantragt und die Verhängung neuer schwerer Sanktionen verlangt.

Unterstützung erfuhrt Danon dabei von Nikki Haley, der frischgebackenen UN-Botschafterin der Regierung des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Der New Yorker Baulöwe und Immobilienmilliardär hatte sich letztes Jahr bei den republikanischen Vorwahlen sowie in der direkten Auseinandersetzung mit der demokratischen Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton immer wieder kritisch zum Atomabkommen mit dem Iran geäußert. Barack Obama warf er bei jeder Gelegenheit vor, einen katastrophal schlechten Deal mit Teheran ausgehandelt zu haben, weil dieser das Fortbestehen des iranischen Kernenergieprogramms zementiert habe. Auf die vielfach gestellte Frage, ob unter ihm als Präsident die USA der Vertrag aufkündigt würde, antwortete Trump stets ausweichend mit dem Hinweis, ein superschlauer Geschäftsmann wie er gebe niemals seine Handlungsstrategie im voraus preis.

Fest steht, daß Trump engste Beziehungen zum langjährigen israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu sucht, den bekanntlich die "existentielle" iranische Nuklearbedrohung wie kaum ein anderes Thema umtreibt. Zwar konnten Netanjahus zahlreiche Freunde im Washingtoner Kongreß die Ratifizierung des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA nicht verhindern, nichtsdestotrotz drängt der Likud-Chef ohne Unterlaß auf eine Revidierung bzw. eine Aufkündigung des umfassenden Vertragswerks. Bei einem Interview für die CBS-Fernsehsendung "60 Minutes" im vergangen Dezember erklärte Netanjahu selbstbewußt, bei seinem baldigen Treffen mit Trump im Weißen Haus wolle er diesem "fünf Ideen" unterbreiten, wie die USA und Israel gemeinsam dafür sorgen könnten, daß das Atomabkommen auf dem Müllhaufen der Geschichte lande.

Gegen derlei Vorstellungen laufen die EU sowie die Regierungen in Deutschland und Frankreich Sturm. Sie halten eine Öffnung nach Teheran und einen Ausbau der diplomatischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen für den besten Weg, die Spannungen am Persischen Golf zu reduzieren. Die Volksrepublik China sieht das ähnlich und will laut einem Bericht der Industriepresse drei Milliarden Dollar in die Erneuerung der iranischen Raffinerien investieren, um das Ölgeschäft mit der Islamischen Republik anzukurbeln. Rußland wiederum sieht im Iran einen wichtigen Handelspartner - Stichwort Kernkraft und Rüstung; Moskau und Teheran sind einander zudem in den beiden letzten Jahren bei der gemeinsamen militärischen Anstrengung, einen "Regimewechsel" in Syrien durch sunnitische Dschihadisten zu verhindern, nähergekommen.

Mit Verteidigungsminister James Mattis und dem Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn hat Trump zwei Ex-Generäle in sein Kabinett geholt, die beide im Iran den größten Gegner amerikanischer Hegemoniebestrebungen im Nahen Osten sehen. Unter Obama wurde Mattis 2013 aufgrund seiner gefährlichen, weil unausgewogenen Haltung gegenüber dem Iran seines Postens als CENTCOM-Chef enthoben. Wie die meisten Marines hegt Mattis gegen den Iran und die schiitisch-libanesische Hisb-Allah-Miliz wegen des Lastwagenbombenanschlags, der 1982 in Beirut 241 US-Marineinfanteristen das Leben kostete, einen unstillbaren Groll.

Daß Teile des US-Sicherheitsapparats bis heute meinen, deswegen eine Rechnung mit dem "Mullah-Regime" in Teheran und der Hisb Allah offen zu haben, zeigt eine Äußerung, die Richard Armitage, damals Stellvertretender Außenminister der USA an der Seite Colin Powells, 2002 machte. Nur wenige Monate nach den verheerenden Flugzeuganschlägen von 11. September 2001 mit mehr als 3000 Toten warnte der ehemalige Marinekapitän und Vietnamkriegsveteran davor, Al Kaida zu überschätzen, da die Hisb Allah nach wie vor das eigentliche "A-Team des internationalen Terrorismus" darstelle. Diese abstruse Theorie findet ihre Entsprechung in Aussagen von Mattis und Flynn, denen zufolge die iranische Mullahkratie der eigentliche Drahtzieher des "globalen Terrorismus" sei, während die sunnitischen Glaubenskrieger vom Islamischen Staat (IS) nur als deren nützliche Idioten fungierten.

Die mediale Aufregung im Westen um den jüngsten Raketentest der Iraner, der nach Ansicht Teherans nicht gegen das Atomtestverbot verstößt, sondern durch dieses gedeckt ist, kommt zu einer Zeit, in der Kriegsschiffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs im Persischen Golf ein großangelegtes Manöver namens Unified Trident durchführen. Währenddessen drängen Hitzköpfe im US-Kongreß auf die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs, der Präsident Trump ausdrücklich dazu autorisiert, "wo erforderlich und nötig die Streitkräfte der Vereinigten Staaten mit dem Ziel einzusetzen, den Besitz von Nuklearwaffen durch den Iran zu verhindern". Bei einem Telefonat am 29. Januar haben Trump und König Salman von Saudi-Arabien über die Notwendigkeit gesprochen, "den destabilisierenden regionalen Aktivitäten" des Irans - gemeint sind vor allem Syrien, der Irak und der Jemen - Einhalt zu gebieten. Wie dies konkret aussehen könnte, wurde in der anschließenden Presseerklärung nicht näher ausgeführt.

31. Januar 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang