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NAHOST/1375: Der Jemen vor der erneuten Spaltung in Nord und Süd? (SB)


Der Jemen vor der erneuten Spaltung in Nord und Süd?

Machtkampf zwischen Hadi und den Huthis artet in Bürgerkrieg aus


Begleitet von Kämpfen in verschiedenen Landesteilen eskaliert die politische Krise im Jemen. Nach der Flucht aus dem Hausarrest in Sanaa im Februar hat Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi seine Position in Aden gefestigt. Als Zeichen der Solidarität haben Saudi-Arabien und die anderen Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrats (Gulf Cooperation Council - GCC) ihre Botschaften in der im Norden liegenden Hauptstadt Sanaa, die Milizionäre der schiitischen Huthi-Bewegung seit September besetzt halten, geschlossen und sie in die südliche Hafenmetropole Aden verlegt. Die Huthis, die ihre Bewegung Ansar Allah nennen, haben ihrerseits am 4. März das Sekretariat des Nationalen Dialogs, unter dessen Schirmherrschaft nach dem Rücktritt des früheren langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh im Jahre 2012 eine neue Verfassung ausgearbeitet werden sollte, besetzt. Zuletzt ging vom Nationalen Dialog der Vorschlag aus, den Jemen als Bundesrepublik mit sechs Provinzen und zwei Stadtstaaten - Sanaa und Aden - zu konstitutieren. Ob es jemals dazu kommen wird, ist fraglich, denn die Entwicklung Richtung Bürgerkrieg scheint unausweichlich zu sein.

Die Huthis bauen auf die Unterstützung des Irans. Mit der Landung einer Maschine der iranischen Luftlinie Mahan Air am 1. März in Sanaa wurde erstmals der regelmäßige Flugbetrieb zwischen Sanaa und Teheran aufgenommen. Laut einer am Vortag geschlossenen Vereinbarung wollen Mahan Air und die staatliche jemenitische Luftlinie Yemenia pro Woche vierzehn Verbindungen zwischen den Hauptstädten beider Länder anbieten. An Bord der ersten Mahan-Maschine befanden sich Vertreter des iranischen Roten Halbmonds, die Medikamente und andere Hilfsgüter mitbrachten. Empfangen wurden sie am Flughafen von Sanaa von Vertretern der Huthi-Interimsregierung und Diplomaten aus der iranischen Botschaft.

Seit langem steht der Vorwurf im Raum, die Iraner würden den Huthis finanziell und militärisch unter die Arme greifen. Teheran bestreitet dies vehement. Als John Kerry Ende Februar behauptete, die Unterstützung des Irans hätte zum Kollaps der Hadi-Regierung in Sanaa "entscheidend beigetragen", forderte Teheran den US-Außenminister dazu auf, auf "Schuldzuweisungen" zu verzichten, weil diese "die Situation nur noch verkomplizieren" könnten. Am 4. März führte Kerry mit der Regierung in Riad Gespräche, bei denen es darum ging, den Saudis zu versichern, daß eine Einigung der USA im Atomstreit mit dem Iran nicht bedeute, daß Washington den Iranern freie Hand im Jemen, in Syrien oder im Irak geben würde. Wie es am nächsten Tag in der New York Times hieß, habe Kerry gegenüber den saudischen Gesprächspartnern beteuert, daß die USA nach wie vor entschlossen seien, der "Aggressivität" und dem "Expansiondrang" des Irans in der Region Nahost Einhalt zu gebieten. Zwar haben die USA im Februar ihre Botschaft in Sanaa ebenfalls geschlossen, sie im Gegensatz zu den GCC-Staaten jedoch nicht nach Aden verlegt. Bis auf weiteres arbeiten Botschafter Matthew Tueller und sein Stab aus dem US-Konsulat im saudischen Dschiddah am Roten Meer.

In einem Artikel, der am 6. März in der Onlineversion des Wall Street Journal erschienen ist, wurde von Bemühungen der Huthis berichtet, die Einstellung der saudischen Finanzhilfe für den jemenitischen Staatshaushalt und das Festhalten des westlichen Auslands sowie der sunnitischen Nachbarstaaten an Hadi als legitimem Staatsoberhaupt durch die Unterstützung des Irans, Rußlands und Chinas zu kompensieren. Demnach hatten in den vorangegangenen Tagen Delegationen der Huthis bei Besuchen in Teheran und Moskau versucht, die Iraner und Russen zur Zusammenarbeit im Energiebereich zu animieren. Die Huthis sind demnach an Stromgeneratoren und Öllieferungen aus dem Iran sowie an russischen Investitionen in die Förderung von Öl und Gas aus dem Jemen stark interessiert. Für die kommenden Wochen soll die Entsendung einer Huthi-Delegation nach Peking geplant sein. Im WSJ-Bericht wurde Jemen-Experte Khaled Fattah mit der Einschätzung zitiert, die Interessen Moskaus und Pekings am Jemen seien nicht so groß, daß diese im Machtkampf zwischen Sanaa und Aden gewillt wären, eindeutig für die Huthis Position zu ergreifen. Wie richtig Fattah damit lag, zeigte sich, als sich der russische Botschafter im Jemen, Wladimir Deduschkin, am 8. März demonstrativ mit Hadi in Aden traf und diesem die weitere Anerkennung des Kremls zusicherte.

Derselbe Tag brachte für Hadi eine zusätzliche gute Nachricht, nämlich die des Ausbruchs von Verteidigungsminister General Mahmud Al Subaihi aus der Huthi-Gefangenschaft in Sanaa. Ganz ungefährlich soll die Flucht Subaihis nicht gewesen sein. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, sind vier Leibwächter des Verteidigungsministers getötet worden, als dessen Autokonvoi in der Provinz Hodeida von Huthi-Kämpfern, die Subaihis Entkommen vereiteln wollten, unter Beschuß genommen wurde. In der Nacht vom 8. auf den 9. März sind in der zentraljemenitischen Provinz Baida bei einem Feuergefecht zwischen Mitgliedern verschiedener Stämme, die jeweils die Huthis bzw. Hadi unterstützen, mindestens 12 Menschen ums Leben gekommen. In derselben Provinz waren bereits am 3. März bei verschiedenen Aktionen seitens Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) - einem Überfall auf ein Ausbildungszentrum, einem Selbstmordanschlag auf eine Schule und der Sprengung einer Straßenmine unter einem Autokonvoi - 27 Huthi-Kämpfer getötet und Dutzende verletzt worden. Allen Ermahnungen der USA und Rußlands, die politischen Parteien des Jemens mögen ihre verschiedenen Standpunkte am Verhandlungstisch im Rahmen des National Dialogs austarieren, zum Trotz scheint der Bürgerkrieg zwischen Sanaa und Aden, also zwischen den Huthis und ihren Verbündeten im Norden und der Hadi-Regierung, den südlichen Separatisten und den sunnitischen Stämmen im Süden, längst ausgebrochen zu sein.

9. März 2015


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