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NAHOST/1355: Krieg im Jemen zwischen Huthis und Al Kaida nimmt zu (SB)


Krieg im Jemen zwischen Huthis und Al Kaida nimmt zu

In Riad und Teheran entscheidet sich die Zukunft des Jemens



Das Ringen des jeweils mehrheitlich schiitischen Irans und sunnitischen Saudi-Arabiens um Einfluß im Nahen Osten, das sich hinter den laufenden Bürgerkriegen im Irak und in Syrien sowie der Dauerinstabilität des Libanons verbirgt, hat mit der Einnahme der jemenitischen Hauptstadt Sanaa am 21. September durch die Huthi-Rebellenbewegung deutlich an Schärfe zugenommen. Die Huthis, deren Hochburg das Gouvernement Saadah im Nordwesten des Landes ist, sind Schiiten, die 30 Prozent der Bevölkerung des Jemens bilden. Seit der Eroberung Sanaas dringen die Huthis immer weiter in den Süden vor. Im Oktober haben sie die Kontrolle in Al-Hudaida, der mit 500.000 Einwohnern drittgrößten Stadt und dem nach Aden zweitwichtigsten Hafen des Jemens, übernommen. Der Vormarsch der Huthis hat heftige Gegenwehr seitens der Al Kaida auf der arabischen Halbinsel, die internationalen Sicherheitskreisen unter dem Akronym AQAP (Al Qaeda in the Arabian Peninsula) bekannt ist, ausgelöst.

Hinter dem Erstarken der Huthi-Rebellenarmee vermuten Saudi-Arabien und die anderen sunnitischen Monarchien rund um den Persischen Golf den Iran und die schiitisch-libanesische Hisb-Allah-Miliz. Als Hauptbeweis für die Richtigkeit dieser These gilt das Aufbringen des Frachters Jihan 1 am 23. Januar 2013 im Indischen Ozean durch die jemenitische Marine, nachdem die Behörden in Sanaa einen Tip von den US-Geheimdiensten erhalten hatten. Die Jihan 1 soll zuletzt in einem iranischen Hafen gelegen haben. Bei der Durchsuchung der Frachträume in Aden hat der jemenitische Zoll größere Mengen Waffen sichergestellt, die zu einem nicht geringen Teil aus iranischer Produktion stammten. Dazu gehörten Katjuscha-Raketen vom Typ M-122, hitzesuchende Boden-Luft-Raketen, gewehrartige Granatwerfer vom Typ RPG-7, Nachsichtbrillen, schwere Artilleriesysteme sowie 2,66 Tonnen Plastiksprengstoff und Munition. Man vermutet, daß die Waffenladung der Jihan 1 irgendwo an der jemenitischen Küste am Roten Meer an die Huthis übergeben werden sollte. Der Iran hat jede Verwicklung in den Vorfall bestritten. Interessant ist jedoch, daß die Huthi-Rebellen nach der Einnahme von Sanaa aus dem Zentralgefängnis die acht Besatzungsmitglieder des Schiffs sowie zwei mutmaßliche Hisb-Allah-Militärausbilder libanesischer Staatsbürgerschaft befreit haben.

Seither reißen die Anschläge der AQAP gegen die Huthis sowie deren Verbündete und Förderer nicht ab. Am 9. Oktober tötete ein AQAP-Selbstmordattentäter bei einem Bombenanschlag auf eine Huthi-Kundgebung auf dem zentralen Tahrir-Platz in Sanaa 47 Menschen. Am selben Tag kamen 50 Soldaten bei zwei Anschlägen der AQAP im Osten des Jemens - einmal in der Hafenstadt Al Mukalla und einmal nahe der Grenze zu Saudi-Arabien - ums Leben. Am 3. Dezember jagte ein AQAP-Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Auto vor der Residenz des iranischen Botschafters in Sanaa in die Luft. Durch die Wucht der Explosion wurde das Gebäude schwer beschädigt. Drei Menschen wurden getötet und 17 weitere verletzt.

Nach dem Einzug in Sanaa hatten sich die Huthis, die sich als Kämpfer für Gerechtigkeit und gegen Korruption präsentieren, mit Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi auf die Bildung einer neuen Regierung der nationalen Einheit unter der Leitung des bisherigen UN-Botschafters Khaled Bahah geeinigt. In den letzten Tagen deutet jedoch alles darauf hin, daß die angestrebte Versöhnung nicht gelingt. In Sanaa nehmen immer mehr Hauptstadtbewohner, von denen die Mehrheit Sunniten sind, Anstoß an der Präsenz der Huthi-Milizionäre und werfen ihnen Brutalität und willkürliches Verhalten vor. Tatsächlich treiben die Huthis mit unvorsichtigen, selbstherrlichen Aktionen die Entfremdung voran. Am 17. Dezember haben sie in Sanaa die Redaktionsräume der staatlich betriebenen al-Thawra, der wichtigsten Zeitung des Landes, gestürmt und Chefredakteur Faisal Makram wegen "Korruptionsverdachts" festgenommen. Am selben Tag haben sie den Hafen Al-Hudaida für den Schiffsverkehr geschlossen. Nur wenige Tage zuvor hatte Huthi-Anführer Abdel-Malek Al Huthi Präsident Hadi heftig kritisiert und ihn bezichtigt, mit AQAP unter einer Decke zu stecken und die Korruption im Staatswesen zu dulden.

Währenddessen treibt AQAP ihrerseits den gesellschaftlichen Verfall voran. Am 16. Dezember explodierten in der zentraljemenitischen Stadt Rada, deren Bevölkerung zur Hälfte sunnitisch bzw. schiitisch ist, zwei Autobomben. Ziel des Doppelanschlages, der zehn bewaffnete Huthi-Kämpfer und 15 Mädchen, die sich in einem Bus auf dem Heimweg von der Schule befanden, tötete, soll der Lokalpolitiker Abdullah Idris gewesen sein, vor dessen Haus sich zahlreiche Menschen versammelt hatten. Bei einem ähnlichen Angriff im Oktober auf das Haus von Idris waren 15 Menschen getötet und mehrere Gebäude zerstört worden. Wegen des gestiegenen politischen Einflusses der Huthis in Sanaa hat Saudi-Arabien vor einigen Wochen die Finanzhilfe für den bitterarmen Nachbarstaat bis auf weiteres eingestellt. Ähnlich wie in Syrien und im Irak ist kein baldiges Ende der Waffengewalt im Jemen in Sicht. Eher ist mit einer Eskalation des ethnisch-konfessionellen Konflikts zu rechnen.

19. Dezember 2014


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