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NAHOST/1307: Beilegung des Atomstreits mit Iran in greifbarer Nähe (SB)


Beilegung des Atomstreits mit Iran in greifbarer Nähe

Experten kommen mit dem Joint Plan of Action gut voran



Ab dem 13. Mai wollen sich Diplomaten aus Berlin, London, Paris, Moskau, Peking, Teheran und Washington in Wien treffen, um den endgültigen Text eines Abkommens zu entwerfen, das dann am 20. Juli unterzeichnet werden und somit den jahrelangen Streit um das iranische Atomprogramm aus der Welt schaffen soll. Seit November vergangenen Jahres werden auf der Expertenebene die hierfür notwendigen, technischen Rahmenbedingungen ausgelotet. Als Zeichen des guten Willens haben die Iraner die Urananreicherung stark eingeschränkt, ihre vorhandenen Bestände an angereichertem Uran so verarbeitet, daß sie für eine militärische Anwendung unbrauchbar sind, und ihre Nuklearanlagen für verstärkte Kontrollen durch Inspekteure der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) geöffnet, während im Gegenzug die P5+1-Gruppe, die fünf ständigen Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA - plus Deutschland die Wirtschaftssanktionen gegen die Islamische Republik gelockert und ihr den Zugang zu gesperrten Konten im Ausland geöffnet haben.

Die USA und Israel verdächtigen den Iran, hinter der Kulisse seines zivilen Kernergieprogramms heimlich nach der Atombombe zu streben. Die Iraner bestreiten dies vehement und verweisen darauf, daß sowohl Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Khomeini - vor seinem Tod 1989 - als auch das amtierende Geistliche Oberhaupt der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Khamenei, den Einsatz von Massenvernichtungswaffen für nicht vereinbar mit der schiitischen Auslegung des Korans erklärt haben. Schließlich hat der Iran im Verlauf des Krieges mit dem Irak 1980-1988 Abertausende Soldaten bei den Giftgasangriffen von Saddam Husseins Streitkräften verloren. Deshalb geht es bei den Verhandlungen darum, wie das Recht des Irans auf die friedliche Nutzung der Atomenergie gewahrt werden kann und sich Washingtons und Tel Avivs Befürchtungen, daß sich Teheran im Krisenfall mit den vorhandenen Technologien ein nukleares Waffenarsenal verschaffen könnte, ausräumen lassen.

Im Rahmen des im vergangenen November in Genf beschlossenen Joint Plan of Action (JPA) sollten die IAEA-Inspekteure bis zum 15. Mai einen umfassenden Überblick über die gesamte iranische Atominfrastruktur erhalten haben. Im Zuge der Vereinbarungen haben die IAEA-Experten Anfang Mai erstmals die Uranmine Saghand und die Uranzerkleinerungsanlage Ardakan, wo das Erzgestein zum pulverförmigen Yellowcake verarbeitet wird, besichtigt. Zudem sollen die Iraner der IAEA bereits vor Wochen einen Bericht über ihre wissenschaftlichen Aktivitäten im Bereich des Exploding Bridgewire Detonator (Glühdrahtzünder) vorgelegt haben, die den Verdacht der Erforschung der Bauweise von Nuklearsprengköpfen hatten aufkommen lassen, jedoch offenbar einem zivilen Zweck dienten. Kritiker des iranischen Atomprogramms hatten diese Forschungen dahingehend interpretiert, daß der Iran an der Entwicklung von Nuklearsprengköpfen arbeite. Nach Angaben von Vizepräsident Ali Akbar Salehi sollen die Unterhändler der P5+1-Gruppe das Angebot des Irans, seinen im Bau befindlichen 40-Megawatt-Schwerwasserreaktor Arak so umzubauen, daß die Anlage künftig 80 Prozent weniger Plutonium als ursprünglich geplant erzeugt, akzeptiert haben.

Vor diesem Hintergrund zeigten sich Präsident Hassan Rohani und Außenminister Mohammad Javad Zarif in den letzten Wochen zuversichtlich, daß es am 20. Juli zu einem historischen Durchbruch kommen wird, der die Islamische Republik aus der wirtschaftlichen Isolation führt und den Weg zu einer Versöhnung mit den USA öffnet. Das geistliche Oberhaupt Khamenei unterstützt den Reformkurs und hält Rohani, dem die Hardliner vorhalten, er mache gegenüber dem Westen zu viele Zugeständnisse, den Rücken frei. Dessenungeachtet hat Khamenei wiederholt die Befürchtung geäußert, daß sich die USA nicht mit der Erfüllung aller Aspekte des JPA zufriedengeben, sondern einen Anlaß suchen werden, um die diplomatischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran aufrechtzuerhalten.

Die Bedenken Khameneis sind nicht unbegründet. In der israelischen Regierung und im Washingtoner Kongreß gibt es starke Kräfte, die mit der gemäßigten Iran-Politik von US-Präsident Barack Obama unzufrieden sind und an ihrem Ziel eines "Regimewechsels" in Teheran festhalten. Aus diesem Grund fühlt sich die Obama-Administration immer wieder dazu genötigt, vor aller Welt zu erklären, daß "alle Optionen auf dem Tisch" seien - will heißen auch die militärische, falls es im Sommer zu keiner Einigung kommen sollte. Dies sagte zuletzt Jake Sullivan gegenüber der Jerusalem Post anläßlich einer Rede vor der neokonservativen Foundation for the Defense of Democracies (FDD) am 1. Mai in Washington. Als Nationaler Sicherheitsberater von Vizepräsident Joseph Biden nahm Sullivan in Begleitung des stellvertretenden US-Außenministers William Burns 2012 an insgesamt fünf geheimen Verhandlungsrunden mit den Gesandten der Rohani-Regierung in Oman teil, die im November vergangenen Jahres das Interimsabkommen von Genf ermöglichten.

7. Mai 2014