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NAHOST/1293: Libyens Premierminister nach Tanker-Fiasko entlassen (SB)


Libyens Premierminister nach Tanker-Fiasko entlassen

Streit um Öleinnahmen droht Libyen auseinanderzureißen



Wenige Wochen nach dem kläglich gescheiterten, operettenhaften Putschversuch des CIA-Verbindungsmanns Generalmajor Khalifa Haftar am 17. Februar ist es in Tripolis doch noch zum Regierungswechsel gekommen. Wegen des Fiaskos um einen entkommenen, vollbeladenen Öltanker hat das libysche Parlament, der General National Congress (GNC), am 11. März Premierminister Ali Zeidan das Vertrauen entzogen und an seiner Stelle provisorisch den bisherigen Verteidigungsminister Abdullah Al Thani eingesetzt. Berichten zufolge hat zeitgleich der Generalstaatsanwalt Korruptionsermittlungen gegen Zeidan eröffnet und ihm jede Auslandsreise verboten.

Im August vergangenen Jahres haben Kämpfer um den Milizenführer Ibrahim Jathran im Osten Libyens drei der wichtigsten Ölverladehäfen des Landes in ihre Gewalt gebracht. Im Oktober haben die lokalen Machthaber in den östlichen Provinzen Benghazi, Tobruk, Ajdabija und Jebel Akhdar ihre Vereinigung zur Autonomieregion Barka bekanntgegeben und Abd Rabbo Al Barassi zu ihrem Premierminister ernannt. Zur Begründung des Schritts führte Al Barassi die angeblich ungerechte Verteilung der Öleinnahmen des libyschen Staates an und warf der Zentralregierung in Tripolis Korruption und Mißwirtschaft vor. Wegen der Besetzung mehrerer Verladehäfen und Raffinerien an der Mittelmeerküste sowie von Förderanlagen im Landesinnern sind die Ölexporte Libyens, die vor dem Sturz Muammar Gaddhafis 2011 bei 1,6 Millionen Barrel am Tag lagen, auf rund 200.000 gesunken. Der drastische Rückgang der Öleinnahmen bereitet dem libyschen Staat große Haushaltsprobleme, was sich wiederum negativ auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt niederschlägt.

Angesichts des ungelösten Streits zwischen Tripolis und Benghazi, der Hauptstadt der neuen Autonomieregion Barka, haben die Ostlibyer einen Vorstoß gestartet, auf eigene Faust Öl auf den Weltmarkt zu bringen. Ernst wurde die Lage, als am 4. März der unter nordkoreanischer Flagge fahrende Tanker Morning Glory im Hafen von Al Sidra anlegte. Im Regionalfernsehen wurden Bilder aus dem Hafen ausgestrahlt, wie Al Barassi, Jathran und dessen Milizionäre den Einstieg Barkas in das internationale Ölgeschäft mit der Schlachtung eines Kamels und einem großen Festmahl feierten. Kurz darauf erschien Premierminister Zeidan im Staatsfernsehen und drohte damit, die Morning Glory zu bombardieren, sollte das Schiff nach der Beladung versuchen, den Hafen zu verlassen. Bis kurz vor dem Einlaufen in Al Sidra fuhr der Tanker mit einem Volumen von 37.000 Bruttoregistertonnen unter der Flagge Liberias. Über die eigentlichen Eigner gibt es widersprüchliche Meldungen. An einigen Stellen heißt es, sie kämen aus Saudi-Arabien, anderen Quellen zufolge sollen die Reeder aus den Vereinigten Arabischen Emiraten stammen.

Zeidans Drohungen sollten sich jedenfalls als heiße Luft erweisen. Entgegen einem entsprechenden Befehl aus Tripolis haben Soldaten der libyschen Armee ihren westlich von Benghazi liegenden Stützpunkt Ajdabiyah Richtung Al Sidra nicht verlassen. Die Kampfkraft von Jathers Milizionären wurde offenbar als zu stark eingeschätzt. Lediglich Patrouillenboote der libyschen Marine waren vor der Hafeneinfahrt auf Position gegangen, um die Morning Glory am Auslaufen mit Rohöl im Wert von 36 Millionen Dollar zu hindern. In der Nähe des Hafens postierten sich zudem Hunderte Tripolis-treue Kämpfer, was Libyens Kulturminister Al Habib Al Amin, ein enger politischer Weggefährte Zeidans, bei einem Auftritt im Staatsfernsehen am 10. März zu der vollmundigen Ankündigung veranlaßte, daß bei dem geringsten Versuch der Besatzung, mit der Morning Glory Al Sidra zu verlassen, der Öltanker "in Schrott verwandelt" würde.

Um so peinlicher war es dann, als am 11. März das Entkommen der Morning Glory gemeldet werden mußte. Angeblich war schlechtes Wetter dafür verantwortlich, daß die kleinen libyschen Marineschiffe das Auslaufen des Öltankers in der Nacht nicht verhindert hatten. Für die libysche Luftwaffe dagegen gibt es keine Entschuldigung. Deren Piloten weigerten sich, das Schiff zu beschießen, als sie vom Verteidigungsminister Al Thani den ausdrücklichen Befehl dazu erhielten. Dies berichtete die englischsprachige Zeitung Libyan Herald am 8. März unter Verweis auf Quellen im Verteidigungsministerium in Tripolis. Umso erstaunlicher ist es, daß nach der Entlassung von Premierminister Zeidan der GNC an dessen Stelle Al Thani eingesetzt hat.

Das Durcheinander im Tanker-Fiasko ist symptomatisch für die politische Krise in Libyen der Nach-Gaddhafi-Ära. So hatte Generalstabschef Nuri Abu Sahmain in den vergangenen Tagen keine Befehle mehr von Zeidan angenommen und wollte nur noch auf Anordnung des GNC handeln. Die Luftwaffe begründete ihre Verweigerungshaltung damit, daß die nach einem Beschuß des Tankers auftretenden Umweltschäden zu hoch wären, zudem wolle man nicht militärisch in einen politischen Konflikt verwickelt werden, den Tripolis und Benghazi am Verhandlungstisch beilegen sollten. Für diese Möglichkeit scheint es inzwischen zu spät. Nach Angaben des Internetportals Arabnews.com hat der GNC nach der Entlassung von Premierminister Zeidan eine größere Truppe aus regulären Soldaten und lokalen Milizionären in Marsch gesetzt, welche die besetzten Ölverladehäfen im Osten Libyens "zurückerobern" sollen. Damit ist der lange befürchtete Bürgerkrieg vorprogrammiert.

12. März 2014