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NAHOST/1291: Palästinenser von Kerrys Friedensplan enttäuscht (SB)


Palästinenser von Kerrys Friedensplan enttäuscht

Mahmud Abbas erwägt Rückzug von den Verhandlungen



Seit neun Monaten bemüht sich US-Außenminister John Kerry intensiv um eine endgültige Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern. Wenn es nach dem Vietnamkriegsveteranen und ehemaligen Senator von Massachusetts geht, sollten bis Ende dieses Jahres die Eckpunkte für einen umfassenden Friedensvertrag stehen, der wiederum bis zum Ende der zweiten Amtszeit Barack Obamas als US-Präsident im Januar 2017 abgeschlossen worden sein sollte. Es ist jedoch sehr fraglich, ob Kerry sein ehrgeiziges Ziel wird erreichen können. Presseberichten zufolge ist die palästinensische Führung um Präsident Mahmud Abbas mit dem Verlauf der bisherigen Verhandlungen höchst unzufrieden und fühlt sich übervorteilt, nicht nur von der israelischen Regierung Benjamin Netanjahus, sondern auch vom vermeintlichen Vermittler Kerry.

Am 18. und 19. Februar trafen sich in Paris Abbas und Kerry zu Gesprächen, an denen auch der französische Außenminister Laurent Fabius, teilnahm. Am Ende des zweitägigen Treffens lobte Abbas die "sehr ernsten" Bemühungen der Amerikaner, meinte aber gleichzeitig, die bisherigen Vorschläge ergäben kein "Rahmenabkommen", dem die palästinensische Seite zustimmen könnte. Aus dem Umfeld von Abbas wurde zunächst dessen Unzufriedenheit mit der Forderung von Premierminister Netanjahu bekannt, die Palästinenser müßten im endgültigen Friedensvertrag Israel ausdrücklich und formell als "jüdischen Staat" anerkennen.

In dieser Forderung sehen einige Palästinenser den Versuch der Israelis, den Ansprüchen der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr bzw. Entschädigung einen Riegel vorzuschieben. Andere wiederum vermuten, daß Netanjahu mit einer solchen schwer annehmbaren Bedingung die Verhandlungen gezielt torpedieren will. So zitierte die Times of Israel am 21. Februar die palästinensische Politikerin Hanan Ashrawi mit den Worten: "Ich erinnere mich an den Tag, als uns gesagt wurde: Alles, was die PLO machen muß, ist, das Existenzrecht Israels in sicheren Grenzen anzuerkennen." Das habe die PLO unter Jassir Arafat im Rahmen der Osloer Abkommen von 1993 und 1995 getan; "das Jüdische am Staat Israel" anerkennen zu müssen, stelle eine "neue Bedingung" dar, so Ashrawi.

Am 26. Februar machte die auf arabisch erscheinende, palästinensische Zeitung Al Quds weitere Einzelheiten des derzeitig desaströsen Standes der Verhandlungen um ein Rahmenabkommen für den Nahost-Konflikt bekannt. Sie bezog sich hierbei auf nicht namentlich genannte Mitglieder der palästinensischen Delegation. Demnach hat Kerry Abbas in Paris einen palästinensischen Zwergstaat angeboten, dessen Hauptstadt nicht aus ganz Ostjerusalem, wie von den Palästinensern verlangt, sondern lediglich aus dem dortigen Stadtteil Beit Hanina bestehen sollte. Darüber hinaus sollten die zehn größten illegalen jüdischen Siedlungen im Westjordanland Israel zugeschlagen werden, wofür die Palästinenser im Gegenzug irgendwelche Teile der Negev-Wüste erhielten. Des weiteren soll das Jordan-Tal im neuen palästinensischen Staat nicht enthalten sein, wodurch es von der Grenze zu Jordanien abgeschnitten wäre. Dort sollen auch keine internationalen Truppen, wie von Abbas kürzlich vorgeschlagen, sondern dauerhaft israelische Streitkräfte stationiert werden. Zu guter Letzt sollen die Palästinenser, wie bereits erwähnt, Israel als jüdischen Staat anerkennen.

Laut Al Quds soll Abbas "außer sich" gewesen sein, als er in der französischen Hauptstadt erfuhr, wie einseitig zugunsten Israels der endgültige Friedensvertrag formuliert werden soll. Dem US-Chefdiplomaten soll er dessen Plan ins Gesicht als "Irrsinn" bezeichnet haben. Abbas soll zudem damit gedroht haben, "den Tisch umzuwerfen" und zu seinem früheren Standpunkt, keine Verhandlungen mit den Israelis ohne ein Ende des ständigen Ausbaus jüdischer Siedlungen auf der Westbank zu führen, zurückzukehren. In der Onlineausgabe der Times of Israel vom 28. Februar erklärte ein nicht namentlich genannter Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) die Vorschläge Kerrys zu einer unzureichenden Basis für ein Rahmenabkommen, "da sie die legitimen Rechte des palästinensischen Volkes nicht berücksichtigen". Das klingt nicht, als würde es bald historische Unterzeichnungszeremonien im Rosengarten des Weißen Hauses geben.

1. März 2014