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NAHOST/1244: Kein Durchbruch bei Gesprächen um Irans Atomprogramm (SB)


Kein Durchbruch bei Gesprächen um Irans Atomprogramm

"Atomstreit" mit dem Iran überschattet Syrienkrise



Sechs Wochen nach der letzten Verhandlungsrunde im kasachischen Almaty zwischen dem Iran und der Gruppe P5+1 (die fünf ständigen Mitgliedstaaten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, also China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA plus Deutschland) zeichnet sich im sogenannten "Atomstreit" immer noch kein Durchbruch ab. Nach einem informellen Abendessen in Istanbul am 15. Mai erklärten die P5+1-Chefunterhändlerin, die Hohe Kommissarin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Baronin Catherine Ashton, und Said Dschalili, der Vorsitzende des Obersten Nationalen Sicherheitsrats des Irans, die Standpunkte beider Seiten lägen noch weit auseinander. Die Iraner als auch die P5+1-Staaten fordern sich gegenseitig auf, zum eigenen Angebot von Almaty Stellung zu nehmen, bzw. ein Gegenangebot zu machen. Doch vor der Präsidentenwahl im Iran am 14. Juni erwartet eigentlich niemand, daß Bewegung in diese Angelegenheit kommt.

Nach der Wahl geht die zweite Amtszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zu Ende, was für sich genommen schon für eine gewisse Entspannung sorgen dürfte, hatte doch der ehemalige Bürgermeister von Teheran in den letzten Jahren durch provokante Äußerungen in bezug auf Israel und den Holocaust an den europäischen Juden dem Ansehen seines Landes im Westen schwer geschadet. Interessanterweise hat Ex-Präsident Ali Rafsandschani, der auch diesmal kandidiert, vor wenigen Wochen erklärt, daß sich der Iran nicht im Krieg mit Israel befindet. Während Rafsandschani diesmal kaum Chancen auf die Präsidentschaft eingeräumt werden, stehen die Aussichten für Dschalili, der das Vertrauen des obersten geistlichen Führers des Irans, Großajatollah Ali Khamenei, genießt, gut. Sollte der bisherige Chefunterhändler der Islamischen Republik in Nuklearfragen die Wahl gewinnen, hätte dies einen positiven Einfluß auf die Verhandlungen im "Atomstreit". Dschalili wird weder zu den Falken noch den Tauben im iranischen Politestablishment gezählt und gilt deshalb in P5+1-Diplomatenkreisen, als Pragmatiker, mit dem man gute Geschäfte machen könnte.

In Almaty haben die P5+1 die Suspendierung der Anreicherung von Uran auf 20 Prozent U235 in der unterirdischen Anlage Fordow gefordert und sich dafür aber bereit erklärt, die Anreicherung auf 3 Prozent - was für die Gewinnung von Material zur Herstellung von Brennstäben in der zivilen Kernkraft erforderlich ist - zu akzeptieren und eventuell Sanktionen zu lockern. Das Angebot enthält zwar ein Zugeständnis, da die vollständige Schließung von Fordow nicht mehr verlangt wurde, geht aus Sicht Teherans jedoch nicht weit genug. Der Iran braucht 20prozentiges U235, um Isotope zur Behandlung von Krebskranken herstellen zu können. Würde die Urananreicherung in Fordow ausgesetzt, müßten ihnen vom Ausland vertraglich garantierte Lieferungen dieses Materials zugesagt werden. Seinerseits hat Teheran angeboten, seine sämtlichen Nuklearanlagen strengeren und umfassenderen Kontrollen der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) zu unterwerfen, wodurch die Gefahr der Abzweigung von spaltbaren Stoffen zwecks Atombombenbau ausgeschlossen werden sollte, verlangt dafür im Gegenzug, daß die internationalen Handelssanktionen, die der iranischen Wirtschaft schwer zusetzen und die Bevölkerung der Islamischen Republik leiden lassen, innerhalb von sechs Monaten aufgehoben werden.

Die Forderung der Iraner nach Aufhebung der Sanktionen ist leicht nachvollziehbar, doch seine Umsetzung bleibt enorm schwierig. Während der UN-Sicherheitsrat und die EU im Falle einer Einigung mit Teheran ihre Sanktionen relativ zügig fallenlassen könnten, sieht die Lage in den USA, wo der Iran faktisch seit der Islamischen Revolution 1979 als "Schurkenstaat" und Hauptförderer des "internationalen Terrorismus" dämonisiert wird, anders aus. Die Chancen, daß die Regierung von Präsident Barack Obama den Kongreß dazu bewegen könnte, die Sanktionen gegen das "Mullah-Regime" in Teheran zu streichen, sind praktisch Null. Dafür sind diejenigen in den Medien und der Politik der USA, die dem neokonservativen Traum vom "Regimewechsel" in Teheran nachhängen, viel zu stark. Für sie ist der ganze "Atomstreit" ein Mittel zum Zweck, auf das sie nicht zu verzichten bereit sind.

Während Ashton und Dschalili in Istanbul den Verhandlungsspielraum ausloteten, verlangten in Washington der demokratische Vorsitzende im außenpolitischen Ausschuß des Senats, Robert Menendez aus New Jersey, und die republikanische Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhaus, Ileana Ros-Lehtinen aus Florida, noch weitere Sanktionen, um die Unnachgiebigkeit der Iraner zu brechen und das Land endlich in die Knie zu zwingen. Anlaß der Initiative waren Anhörungen zum Thema Iran in beiden Häusern des Kongresses. Bei einem Auftritt bei der Senatsanhörung machte Wendy Sherman, Unterstaatssekretärin im State Department und Chefunterhändlerin der USA bei den Atomgesprächen mit dem Iran, klar, daß die Obama-Regierung nicht endlos verhandeln, sondern militärische Maßnahmen ergreifen würde, sollte Teheran nicht bald einlenken.

Die Dauerkonfrontation zwischen den USA und dem Iran bildet auch den Hintergrund des Bürgerkrieges in Syrien sowie der anhaltenden politischen Krisen zwischen Sunniten und Schiiten im Libanon und im Irak. Die Obama-Regierung will in Syrien das "Regime" Baschar Al Assads nicht zuletzt deshalb beseitigen, weil unter seiner Ägide Damaskus an seinem antiwestlichen Militärbündnis mit dem Iran und der schiitisch-libanesischen Hisb Allah festhält. Interessanterweise haben Demokraten und Republikaner im Repräsentantenhaus und Senat in Washington am 15. Mai einen Gesetzesentwurf eingebracht, der die direkte Bewaffnung und Ausbildung der syrischen Aufständischen durch das US-Militär vorsieht.

Die einzige Möglichkeit, die Waffen in Syrien bald zum Schweigen zu bringen und einen Ausweg aus dem scheinbar niemals endenden "Atomstreit" zu finden, besteht darin, daß die USA ernsthaft auf den Iran zugehen und von ihrem Regimewechselkurs gegenüber Teheran Abstand nehmen. Hierzu böte die geplante große Friedenskonferenz für Syrien, die im Juni unter der Schirmherrschaft Rußlands und der USA stattfinden soll, Gelegenheit. Doch wie der russische Außenminister Sergej Lawrow am 14. Mai im Interview mit dem libanesischen Fernsehsender Al Mayadeen beklagte, versucht die Obama-Regierung aktuell, eine Teilnahme des Irans an der geplanten Friedenskonferenz für Syrien zu blockieren.

17. Mai 2013